Ich bin gerne mit Leuten zusammen, die Kräuter zu Bündeln binden und ins Feuer spucken, die, wie mein Vater, in Hausschuhen lange Flure entlangschlurfen. Die einzigen Redewendungen, die ich verstehe, sind die Schreie der Liebe, des Hasses, der Wut und des Schmerzes. Das ganze Gerede kommmt mir vor, als ob man einer alten Frau das Kleid, das den Anschein hatte zu ihr zu gehören, vom Leib reisst und ihre ganze rosa Haut, ihre faltigen Schenkel und ihre hängenden Brüste sichtbar werden.
Susanne verachtet Konventionen, alte Geschichten, Phrasen, die aus der Nähe betrachtet nichts mehr bedeuten. Auch Bernard, der wohl Schriftsteller geworden ist, äußert, noch bevor er an der Sprache irre wird, ähnliche Zweifel
It is curious how, at every crisis, some phrase which does not fit insists upon coming to the rescue – the penalty of living in an old civilisation with a notebook.
Es ist merkwürdig, wie bei jeder Krise irgendeine Phrase sich aufdrängt, die überhaupt nicht passt und uns zur Hilfe kommen will. Die Strafe dafür in einer alten Zivilisation mit einem Notizbuch zu leben.
Zwischen der Welt und dem Subjekt steht die Sprache und durch die Brille der Sprache sehen wir die Welt gefiltert. Die Bemerkung mit dem Notizbuch bezieht sich auf die Tatsache, dass Bernard alle seine Eindrücke zur Wiederverwendung in der „wahren“ Geschichte, die er noch schreiben will, in ein Notizbuch einträgt.
Alle 6 Figuren reagieren höchst unterschiedlich auf das Leben, das ewige Spiel der Wellen, die immer neu vom Meer her herandbranden und immer wieder in das Meer zurückfallen. Im Grunde beziehen sie aber alle ähnliche Positionen, je älter sie werden, desto mehr nähern sich die Postitionen aneinander an. Äußerlich haben sie sich für völlig unterschiedliche Weg entschieden, aber innerlich ähneln sie sich.
Die Beschreibung der verschiedenen Lebensabschnitte der Protagonisten, also Susanne, Rhoda, Jinny, Louis, Bernard und Neville sind eingebettet, findet zumindest der Autor dieser Zeilen, in zwei, nennen wir das mal kosmologische Dimensionen: Die Wellen und das Licht. Eine kosmologische Einbettung haben wir ja bekanntlich auch in Goethes Faust
Die Sonne tönt in alter Weise
in Brudersphären Wettgesang
und ihre vorgeschriebene Reise
vollendet sie mit Donnergang
ihr Anblick gibt den Engeln Stärke…
allerdings ist, wie bekannt, es dem Menschen im Faust möglich, ist sogar seine Aufgabe, hier Sinn zu stiften. Der Gang der Gestirne ist bei Goethe ein Rahmen. Die Wellen bei Virginia Woolf stehen aber für die Generationen, die kommen und gehen, Geschichten erfinden, ohne Sinn zu stiften, weil diese auf einer so schwachen Grundlage nicht entstehen können. Welche sinnstiftende Erzählung soll es geben, wenn die aufeinanderfolgenden Generation mit den Wellen verglichen wird, die ihn ewiger Abfolge am Strand ausrollen um wieder Bestandteil des Meeres zu werden? Es geht auch nicht darum, dass die Protagonisten sich den Weltläufen entgegenstellen, wie oft in „klassischen“ Romanen, denn der Lauf der Welt ist gesetzt.
Die zweite Ebene ist das Licht, das sich im Verlaufe des Tages ändert, wobei ein Tag eben für ein Lebensalter, eine Generation, steht. Wie die Dinge mit zunehmenden Licht immer schärfer umrissen werden, gewinnen die Protagonisten im Verlaufe des Lebens immer mehr an Kontur, wobei in der Endphase, also wenn die Sonne wieder untergeht, sich auch die Kontur der Protagonisten wieder auflöst, bzw. diese den Kampf um eine eigene Identität und dieses „sich gegen die Welt durchsetzen“, zunehmend aufgeben. Folgerichtig endet der Roman fast so, wie er begonnen hat.
Am Anfang haben wir „The sun had not yet raisen. The sun was indistinguishable from the sea“ und am Ende „Now the sun had sunk. Sky and sea were indistinguishable“. Wie dann beschrieben wird, wie zuerst die Farben, dann die Formen verblassen unterscheidet sich zwar, aber die Grundidee ist die gleiche.
Parallel zu diesen, sagen wir mal kosmologischen Schichten, in die die Handlung, wenn man denn noch von Handlung sprechen will, eingebettet ist, verläuft die Zivilisation oder die Menschheitsgeschichte oder wie immer man das Ding auch nennen will. Vordergründig ist eine „Welt“, also eine von Menschen geschaffene Konstellation der Verhältnisse zu einem gegebenen Zeitpunkt, in dem Roman schlicht nicht vorhanden. Der Roman könnte auch im 15. / 16. / 17./ 18. oder wann auch immer angesiedelt sein. Die „Welt“ ist sozusagen nur als eine Aufeinanderfolge von Wellen vorhanden, es gibt keinen Fortschritt. Die Welt wird zwar gepiegelt im Bewußtsein der Protagonisten, genau genommen nur da, aber es ist immer dieselbe Welt. Von daher beschreibt der Roman die conditio humana ganz allgemein, zumindest so, wie sie sich diese hochsensiblen Individuen, die sich nicht mit Geschichten zufrieden geben, darstellt.
Es geht in dem Roman nicht mehr um die sinnstiftende Erzählung. Das Thema ist durch. Was ist eigentlich, wenn man es mal auf einen Nenner bringen will, Gegenstand des Romans? Festhalten kann man, und darin steckt wohl schon zumindest ein Teil der Antwort, dass die Protagonisten aus der Unbestimmtheit der Kindheit hinauswachsen und sich festlegen, bzw. von anderen festgelegt werden, oder um es mit Bernard zu sagen