staunen, nicht ärgern

Virginia Woolf, The Waves

Virginia Woolf, The Waves

Das Teil hat eine Struktur

1) Vorwort I, Bemerkungen zum Roman The Waves selbst
2) Vorwort II, So ganz global Beschreibung der Unterschiede zum „klassischen“ Roman
3) Chronologie der Handlung (unwichtig, kann man sich aber mal klar machen)
4) Ähnlichkeiten zu To the lighthouse
5) Wellen und Licht
6) Identität, wenn diese nur aus Geschichten besteht
7) Die einzelnen Figuren
7.1) Bernard
7.2) Louis
7.3) Neville
7.4) Rhoda
7.5) Susanne
7.6) Jinny
8) Bewußtseinsstrom ?
9) Kommt der Sprache wirklich so wenig Authentizität zu?

Vorwort I

Der Roman The Waves von Virginia Woolf ist wohl der radikalste oder kompromissloseste Roman, der jemals geschrieben wurde. Virginia Woolf war, anders als Bernard, einer der Protagonisten des Romans, nicht zum Plaudern aufgelegt. (Wobei auch Bernard im Verlaufe des Romans zunehmend „verstummt“.) Ähnlich wie bei Louis und Neville kreist der Roman, unter anderem, um die Frage, inwieweit Sprache Authentizität garantiert, bzw. Sprache eine Identität schaffen kann, wenn die Welt, auf der Sprache sachlogisch sich gründen muss, sowenig Härte hat, wie die Wellen, die kommen und gehen um dann sich wieder in den Weiten des Meeres zu verlieren. Es ist nicht illegitim, sich wie Bernard von Geschichten durchs Leben treiben zu lassen, das ist wohl das, was Menschen seit Beginn der Menschheitsgeschichte tun, oder über Sprache Nähe herzustellen, mit Sprache Momente festzuhalten etc., und das wird, auch wenn Bernard letztlich da ankommt, wo Louis und Neville schon von Anfang an waren, im Roman auch nicht kritisiert. Problematisiert wird eine Sprache, die den Weg zur Realität, zur Authentizität, verfälscht, wobei letztere, also Neville und Louis, auf ihrem Weg durch die Sandwüste, das ist eine nette Umschreibung für die Suche nach einem festen Grund, ebenfalls scheitern. Vermutlich beschreibt Neville das ganze Programm des Romans. Die Sprache, oder die Geschichten, die mit Sprache erzählt werden, die identitätsstiftenden Geschichten, denen keine Authentizität zukommt, werden immer wieder hinterfragt.

One must put aside antipathies and jealousies and not interrupt. One must have patience and infinite care and let the light sound, whether of spiders‘ delicate feet on a leaf or the chuckle of water in some irrelevant drain-pipe, unfold too. Nothing is to be rejected in fear or horror. The poet who has written this page (what I read with people talking) has withdrawn. There are no commas or semi-colons. The lines do not run in convenient lengths. Much is sheer nonsense. One must be sceptical, but throw caution to the winds and when the door opens accept absolutely. Also sometimes weep; also cut away ruthlessly with a slice of the blade soot, bark, hard accretions of all sorts. And so (while they talk) let down one’s net deeper and deeper and gently draw in and bring to the surface what he said and she said and make poetry.

Man muss sich von allen Antipathien und Neidgefühlen frei machen und man darf nicht unterbrechen. Man muss Geduld haben und sorgfältig vorgehen, leise Geräusche sich entfalten lassen, egal ob sie von den leichten Füßen einer Spinne auf einem Blatt herrühren oder vom Plätschern des Wassers in einem unwichtigen Wasserohr. Nichts darf abgewiesen werden aus Angst oder Entsetzen. Der Dichter, der diese Seite verfasst hat (was ich lese während die Leute sprechen) hat sich zurück gezogen. Es gibt keine Kommas oder Semikolons. Die Linien sind nicht in angemessener Länge angeordnet. Vieles ist reiner Unsinn. Man muss skeptisch sein, aber alle Vorsicht fallen lassen und wenn eine Tür sich öffnet, alles akzeptieren. Manchmal weinen; auch rücksichtslos mit einem Schwerthieb Russ, Rinde, harte Schlacke aller Art wegschlagen. Lasst uns das Netz, während sie sprechen, tiefer und tiefer hinabgleiten, um es dann wieder sachte hochzuziehen und all das an die Oberfläche bringen, was er und sie gesagt hat und daraus Dichtung machen.

Das ist zumindest ein Teilprogramm des Romans. Das Geräusch der Spinne steht hier für all das, was unterhalb der Schwelle des Bewußtseins verbleibt, das nur an die Oberfläche kommt, wenn man tief in sich hineinhorcht. Vermutlich kommt dann einiges zum Vorschein, was man im Alltag nicht bemerkt, Angst und Entsetzen verursachen kann. Sich bedingungslos auf die Welt einzulassen ist das Gegenteil einer Geschichte, die immer wieder, wie Bernard es formuliert, auf die Füße fällt, sinngebend ist. Man kann als Leser von The Waves öfter mal die Erfahrung machen, dass ein Teilsatz dem entspricht, was man sich durch eine Geschichte zurecht gelegt hat, aber der nächste Teilsatz genau das wieder relativiert.

Zweifel an der Sprache, bzw. Zweifel, ob Sprache etwas Authentisches ausdrückt, äußern schon sehr früh Louis und Neville, im Gegensatz zu Bernard, der erst in seinem Schlusswort am Ende des Romans an der Sprache zweifelt und verzweifelt. Auch Susanne bringt es auf den Punkt.

I like to be with people who twist herbs, and spit into the fire, and shuffled down long passages in slipper like my father. The only sayings I understand are cries of love, hate, rage and pain. This talking is undressing an old women whose dress seemed to be part of her, but know, as we talk, she turns pinkish underneath and has wrinkled thights and sagging breasts.

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