staunen, nicht ärgern

ästhetisches Empfinden und Sprache

Bei Gadamer, Heidegger etc. kam es durch zuviel Platon zur zerebralen Kernschmelze. Gadamer und Co haben es mit der Sprache, die Sprache ist der Zugang zum verstehen. Das ist bedingt richtig, wenn es um sachlogische Beziehungen geht, also Kausalketten und ähnliches. Allerdings gilt es auch da nur bedingt, weil der sprachliche Input kontextualisiert wird. Man kann jemandem erklären, wie man eine Gabel in ein Fahrrad einbaut, hat er aber noch nie ein Fahrrad gesehen, wird das nicht funktionieren. In Bezug auf die Geisteswissenschaften, das ist ja die Liga von Gadamer und Co, gibt es aber noch ein viel gravierenderes Problem. Um verstehen in Sinne von nachvollziehen eines sachlogischen Zusammenhanges geht es in den Geisteswissenschaften gar nicht. Jeder Satz hat eine Bedeutung, aber nicht jeder Satz ist bedeutsam. Sätze können falsch, richtig oder unsinnig sein. Das ist immer der Fall. Aber selbst wenn ein Satz richtig ist und eine Bedeutung hat, muss er noch lange nicht bedeutsam sein. Das Problem ist, kurz und knapp formuliert, das: Gadamer will mit den Mitteln der Sprache die Welterfahrung verstehen. Das eigentliche Problem ist genau umgekehrt: Wie kann die Welterfahrung mit sprachlichen Mitteln ausgedrückt werden?

Sprache kann nur erfassen, was da ist, bzw. im Einzelfall, was mal da war und nicht mehr ist. Im letzteren Fall haben wir in der Sprache noch ein Residuum von etwas, was einmal war. Sprache kann aber nicht die Grenzen der Welterfahrung erfassen, also etwas, was noch nie da war. Die Welterfahrung ist immer vorläufig, geht der Sprache voraus. Es gab zuerst eine Vorstellung von einem Computer und dann gab es ein Wort dafür. Nicht umgekehrt. Geht man, wie Gadamer, den umgekehrten Weg, versucht von der Sprache ausgehend die Welterfahrung zu erschließen, dann landet man das, was Mephistopheles im Faust so beschreibt.

Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.

Der Begriff schrumpt ohne Welterfahrung zum Wort. Marktwirtschaft ist ein Begriff, kein Wort. Wer allerdings mit dem Begriff nichts anfangen kann, etwa ein fünfjähriges Kind, für den ist es dann eben nur ein Wort. Stuhl wiederum ist kein Begriff, sondern ein Wort. Für den Begriff braucht es eine umfassende Welterfahrung, für das Wort nicht.

Nebenbei macht er noch den Kardinalfehler zwischen verstehen im Sinn von nachvollziehn sachlogischer Zusammenhänge, sowas macht z.B. die Physik, und verstehen im Sinne von „nachempfinden“, darauf muss das rezipierende Ich rekurrieren, wenn es verstehen will, was der Absender z.B. eines Gedichtes, abgeschickt hat.

Siehe auch

https://theatrum-mundi.de/bedeuten-die-grenzen-meiner-welt-die-grenzen-meiner-sprache-oder-bedeuten-die-grenzen-meiner-sprache-die-grenzen-meiner-welt/
https://theatrum-mundi.de/mein-busen-fuehlt-sich-jugendlich-erschuettert-vom-zauberhauch-der-euren-zug-umwittert-wer-garantiert-bei-intuition-eigentlich-die-authentizitaet/
https://theatrum-mundi.de/sprachkritik-in-goethes-faust/
https://theatrum-mundi.de/goethe-die-intuition-und-der-deutsche-philologenverband/
https://theatrum-mundi.de/was-machen-eigenlich-historiker-irgendwas-zwischen-verstehen-erklaeren-beschreiben-interpretieren-illustrieren-erlaeutern-und-unterhalten/
https://theatrum-mundi.de/was-heisst-eigentlich-intuition/

Es gibt eine unendliche Anzahl von Sätzen, die eine Bedeutung haben, aber nur sehr wenige sind bedeutsam. Irgendwie zieht Gadamer und Co das Pferd von hinten auf und geht vom Primat der Sprache aus. Es ist genau umgekert. Die Welterfahrung geht der Sprache voraus. Bevor es das Wort Tisch gibt, muss es eine Vorstellung davon geben, was ein Tisch ist. Jemand der nicht blind ist, hat so ein Ding erstmal vor Augen und wenn er blind ist, erfährt er das irgendwie anders.

Wir erleben die Sprache nicht mehr in statu nascendi, denn sie ist schon da, bevor wir ihn die Welt eintreten. Wir lernen nur noch welcher Zusammenhang mit sprachlichen Konstruktion verbunden ist. Also unsere Vorfahren vor zig Tausend Jahren zu sprechen begonnen haben, bezogen sich Präpositionen z.B. auf räumliche Zusammenhänge. (Davon ist auszugehen, denn die hatten sie ja unmittelbar vor Augen.) Also sie dann schlauer wurden und komplexere Zusammenhänge durchdenken konnten, haben sie räumliche Zusammenhänge auf zeitliche Zusammenhänge übertragen. Er steht vor der Tür <=> Er kommt vor vier Uhr. Zeitliche Beziehungen erfordern eine Fähigkeit zur Abstraktion, zeitliche Zusammenhänge hat man nicht mehr vor Augen. Soll heißen: Tritt etwas Neues in die Welt, dann wird die Sprache erweitert. So ansatzweise kann man Sprache in statu nascendi betrachten, wenn eine Neue Situation eintritt. Dann enststehen teilweise neue Wörter, teilweise bekommen schon vorhanden Wörter eine neue Bedeutung.

Die Bildung von Neologismen liegt unterhalb der Schwelle des Bewußtseins

So weit so nett, aber im Moment nicht unser Problem. Unser Problem ist, dass die Sprache nicht an die Welterfahrung heranreicht. Gadamer schließt von der Sprache auf die Welterfahrung und er findet dann auch nur das, was die Sprache erlaubt. Kompliziert wird es, wenn die Welterfahrung nach sprachlichem Ausdruck sucht.

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