staunen, nicht ärgern

Erinnerungskultur

Da würde der Autor sagen, so stinklangweilige Plätze, also irgendein fettes Gebäude mit einem Platz drumrum, gibt es millionenfach auf der Welt, da gibt es weiß Gott eine Million lustigerer Ideen und vor allem hat der Staat schlicht gar nichts im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern. Da sind die Jungs ganz in der Tradition der Leute, also der SED Genossen, die die Vorgänger Version dahin gesetzt haben, also den Palast der Republik. Der Staat hat weder ein sozialistische Bewusstsein zu schaffen noch irgendein anderes. Lustig und unterhaltsam wäre z.B. gewesen, wenn man zentrale Stellen der Literatur nachgebaut hätte, also z.B. die Divina Commedia von Dante, Goethes Faust, Don Quijote von Cervantes, Hamlet von Shakespear, etc.. also eine Art Rummelplatz mit interaktiven Elementen, für alle Altersgruppen. Z.B. das Inferno der Divina Commedia als Höllenfahrt. Das wäre kretiv gewesen. Das millionste stinklangweilige Museum ist jetzt sowas von unkreativ wie nur irgendwas. Auch die Diskussion über die Artefakte, die während der Kolonialzeit nach Deutschland gebracht worden sind, kann man abkürzen. Einfach an die Ursprungsländer zurückgeben. Sollte sich jemand dafür interssieren, tut es auch eine Replik.

Inzwischen werden ja auch Straßen nach Adorno benannt, gibt es in Berlin Falkensee: Von dem stammt eine Essay, ohne Leitbilder. Aber das mit den Straßennamen funktioniert einfach nicht.

Wer auf die Idee kam, das identitätsstiftende Forum nach den Gebrüdern Humboldt zu benennen, hat der Autor nicht herausgefunden. Vermutlich irgendein Beamter im Heimatministerium des Herrn Seehofer. Auch diese Namensgebung soll wohl irgendwie identiätsstiftend sein, auch wenn keiner genau weiß wie. Wir wissen nicht mal, ob der Beamte, dem das eingefallen ist, irgendwas von Alexander bzw. Wilhelm Humboldt gelesen hat, denn das mit dem identiätsstiftend ist ein kompliziertes Ding, wir kennen ja von der periodischen Aufwallung nationaler Euphorien bei Fußballweltmeisterschaften. Zwischen zugucken und selber machen besteht ein Riesenunterschied, aber die Sehnsucht verringert zumindest subjektiv den Unterschied. Sich aus eigener Kraft eine Identität schaffen ist da schon eine andere Liga. Das ist Arbeit.

Bei Denkmälern und ähnlichem, also z.B. dem Humboldtforum und Straßennamen, geht es also um die Schaffung von Identiät. Zumindest zum Zeitpunkt der Entstehung bzw. Benennung sollen sich die Leute mit den als Ideal imaginierten Vorbildern identifizieren, was immer das bedeuten mag. Wahrscheinlich ist überall das gleiche intendiert. Man soll den Vorbildern nacheifern. In Kuba z.B. steht auf jeder zweiten Mauer, „sé como el Che“, also man soll sein wie Ernesto Che Guevara. Also z.B. sich dafür einsetzen, dass die Landbevölkerung Land bekommt, obwohl das in Bolivien in Hülle und Fülle vorhanden ist. Die Bewirtschaftung ist das Problem, man braucht also Hochschulen für Agrarwissenschaft. Denkmäler und sonstiges in der Art sollen Ideale vermitteln, also im wesentlichen dafür sorgen, dass der Verstand den Löffel abgibt. Rein praktisch gesehen ist das, mal unabhängig von der Frage, ob es mit einer freiheitlich demokratischen Grundordnung kompatibel ist, nicht besonders aussichtsreich. Für den ganzen Krempel, der da in der Stadt rumsteht, interessiert sich eigentlich kein Mensch und wenn der Straßennamen nicht gerade ein ganz fetter Brocken ist, dann ist der Name völlig egal. Das Humboldtforum hätte man auch Bananenforum nennen können, ob Humboldt oder Banane, was die Rezeption des Werkes der zwei Brüder anbelangt, wenn diese intendiert war, macht das exakt Null Unterschied.

Der Begriff Erinnerungskultur begegnet uns immer in Zusammenhängen, wo es darum geht, etwas zu verhindern. In Deutschland eben den Rückfall in die Barbarei, den absoluten Zivilisationsbruch. Erinnern allein verhindert aber gar nichts. Man kann nicht mal sagen, dass das verstehen besser wird, wenn detaillierter erinnert wird. Man kann alle Konzentrationslager auflisten, die Anzahl der dort Ermordeten genau beziffern, die Namen des Wachpersonals und deren Funktion nennen, man kann versuchen herauszufinden, aus welcher sozialen Schicht sie stammen und was für einen Bildungsgrad sie hatten, man kann die Motive der Denunzianten ermitteln, man kann versuchen herauszufinden, ob es bei den Menschen, die Verfolgte versteckten, Gemeinsamkeiten gibt etc. etc. Das ist sogar ziemlich einfach möglich, es gibt hierzu eine unglaubliche Fülle an Material im Internet. Dafür muss man sich nicht mal mehr in einer Universitätsbibliothek vergraben. Allerdings bleibt die Frage offen, ob man das Phänomen dann verstanden hat. Eigenlich ist nicht mal klar, was verstehen in diesem Zusammenhang überhaupt heißen soll. In seiner Rede vor dem Bundestag am 29.1.2021 gedenkt Steinmeier ganz überwiegend, das ist sowas ähnliches wie erinnern, aber an einer Stelle will er tatsächlich vestehen.

Wer die Verbrechen verstehen will, der muss die weiten Wege zurückverfolgen, die zum Lagertor von Auschwitz führten: die Bahngleise, die an der Rampe endeten, die Zugfahrpläne, die Logistik des Todes – sie wurde in Ämtern mit Berliner Adressen erdacht, nur einen Steinwurf von hier entfernt. Ausgeführt und ins Werk gesetzt wurde all das in über 1 000 Lagern und Abertausenden Erschießungsplätzen, an Orten, von denen viele weit entfernt im Osten liegen und deren Namen bis heute viele Deutsche noch nie gehört haben: Paneriai, Malyj Trostenez, Mizocz, Chelmno.

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