staunen, nicht ärgern

Theodor Storm und Werner Mölders

Erstens: Man traut dem Militär PRINZIPIELL nicht zu, über Ziele nachzudenken, weil das den geistigen Horizont eines Militärs nun mal übersteigt. In diesem Fall ist man der Meinung, dass die Unfähigkeit eines Militärs über Ziele nachzudenken entschuldbar ist. Ähnliche Maßstäbe kennt ja auch das Strafrecht. Bei Jugendlichen werden andere Maßstäbe angelegt, als bei Erwachsenen, weil von einer geringeren Einsicht ausgegangen wird. (Den Eindruck kann man im übrigen immer mal wieder gewinnen, siehe z.B. hier: https://theatrum-mundi.de/was-ist-eigentlich-ein-militaer/) Geht die Werner Mölders Fangemeinde davon aus, hat sie eine wenig schmeichelhafte Vorstellung von der Bundeswehr. Es mag zwar durchaus sein, dass Militärs die Tendenz haben, sich in Spiele verstricken zu lassen, die sie nicht verstehen, aber dieser Sachverhalt sollte dann Anlass zu strukturellen Reformen sein.

Zeitens: Man geht davon aus, dass Werner Mölders subjektiv nicht in der Lage war zu erkennen, dass das Ziel, das Germanentum zu neuer Blüte zu führen, wirtschaftlich, moralisch und kulturell völlig unsinnnig war. Er war also subjektiv nicht in der Lage zu erkennen, dass z.B. die Legion Condor an der Seite Francisco Francos eine demokratisch legitimierte Regierung bekämpfte. In diesem Fall war Werner Mölders aber nicht die hellste Kerze auf der Torte.

Drittens: (Das ist die wahrscheinlichste Option.) Die Ziele waren ihm schlicht egal, was dann auch merkwürdig ist. Ist das Ziel an und für sich unsinnig, ist es rational, wenn es möglichst ineffizient erreicht werden soll. Werner Mölders wäre dann ein Held, wenn er mit jedem Flieger eine Bruchladung hingesetzt hätte.

 

Soweit so trivial. Ab jetzt wird es kompliziert. Das Gemüt der Fangemeinde Werner Mölders ist irgendwie erschüttert wenn sie ihres Helden gedenken. Die Frage ist nur, was bewegt die tief bewegten Gemüter. Im Originalsound klingt das dann so:

 

„Am 15. März 1939 wurde Mölders als Hauptmann Chef der 1. Staffel des Jagdgeschwaders 53. Während die deutschen Truppen im September nach Polen einmarschierten befand sich Mölders mit seinem Geschwader an der Westgrenze des Reiches. Am 20. September 1939 gelang ihm sein erster Abschuss im 2. Weltkrieg, eine französische Curtis „Hawk“. Am 28. Mai 1940 erreichte er als erster Luftwaffenpilot den 20. Abschuss und bekam dafür das Ritterkreuz verliehen.“

https://www.reservistenverband.de/rheinland-pfalz/aktuelles/jagdflieger-werner-moelders-die-wuerde-des-menschen-reicht-ueber-den-tod-hinaus/

 

Dass es sich bei dem Angriff auf Polen um einen durch nichts gerechtfertigten Angriffskrieg handelt, fällt der Fangemeinde Werner Mölders gar nicht auf. Schwerpunkt des gesamten Artikels sind die Abschussquoten. Das hier verbuchen wir mal unter Apologie und historischem Unsinn.

„Mölders legendäre Luftsiege waren zweifellos nützlich für das Dritte Reich; ihm selbst kann man keine innere Nähe zu den Nationalsozialisten nachsagen. Er war gläubiger Christ und kümmerte sich – wie Hermann Hagena durch Originalbriefe von Mölders belegte – um seinen Klassenkameraden Georg Küch und seine jüdische Mutter.“

Der Fanclub ist also der Meinung, dass man sich am Massenmord der Nazis beteiligen kann, ohne selber ein Nazi zu sein. Theoretisch mag das sogar möglich sein, wenn auch nicht besonders plausibel, aber praktisch gesehen ist das völlig egal. Die Argumentation von Hermann Hagena, ein Brigadegeneral der Bundeswehr (!!), ist skurril. Der von Mölders unterstützte Angriffskrieg auf Polen machte die Ermordung von sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens überhaupt erst möglich. Der, nach nationalsozialistischer Auffassung „Halbjude“, hätte die Hilfe von Werner Mölders ohne diesen Angriffskrieg gar nicht benötigt.

Das ist aber alles gar nicht der interessante Punkt. Der interessante Punkt ist das: Mit irgendwas im Wesen von Werner Mölders „identifiziert“ sich die Fangemeinde und irgendwas an dieser Gestalt sollte, bevor Peter Struck dem Schauspiel ein Ende bereitet hat, vorbildhaft für die Bundeswehr sein. Die Frage ist nur was? Rein formal gewesen, von der Tatsache, dass er gut fliegen konnten, abgesehen, war Werner Mölders ja eine völlig triviale Figur. Tapfere Soldaten die sinnfrei für Volk und Vaterland gestorben sind, gibt es ja millionenfach.

Identifikation ist ein Begriff, der sich auf „innerseelische“ Vorgänge bezieht, siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Identifikation_(Psychologie). Der Begriff entzieht sich der verbalen Beschreibung auch wenn alle Leute durch Introspektion den Vorgang nachvollziehen können. Die Identifikation kann sich auf alles mögliche beziehen, auf Werke der Literatur, auf Werke der Musik, auf Menschen, Gemälde, etc.. Es ist ein Misch aus Wertvorstellungen, ästhetischen Wahrnehmungen, Verhaltensweisen etc. die übernommen werden. Die Identität als Ergebnis der Identifikation kann also ein recht komplexes, schillerndes und buntes Gebilde sein. Ist allerdings Werner Mölders die Identifikationsfigur, dann ist die Identität so kahl wie die Landschaft auf dem Mars, denn an der Figur ist einfach nicht Komplexes dran, mit dem man sich identifizieren könnte.

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