staunen, nicht ärgern

die weltgeschichtliche Mission und das menschliche Gemüt

Es gibt Leute, wie viele weiß niemand, die ein Bedürfnis daran haben, in einem, nennen wir das mal so, sinnhaften Zusammenhang zu stehen. Dieser sinnhafte Zusammenhang hat eine zeitliche Dimension. Es gibt irgendein Kontinuum aus der Vergangenheit, z.B. der Nationalstaat, das auch in der Zukunft bewahrt werden soll. Die „Sinnhaftigkeit“ ergibt sich dann dadurch, dass man sich als Bestandteil von irgend etwas sieht, das unbedingt zu bewahren ist.

Jetzt denkt natürlich jeder an AFD und Co, siehe https://theatrum-mundi.de/ein-raetselhaftes-phaenomen-der-patriot/. Das Phänomen ist aber allgemeiner. Wir finden es auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums, also z.B. bei Leuten, die Erde der nächsten Generation noch in einem bewohnbaren Zustand hinterlassen wollen, was rein ökonomisch ein unlösbares Problem ist.

[Der Standardansatz in allen Lehrbüchern der Ökonomie ist hierbei die Internalisierung externer Kosten. Soll heißen: Der Verursacher der Schäden, wird mit einer Steuer belegt, die so hoch ist, dass die wahren Kosten sich im Preis des Produktes widerspiegeln. Das hat einen nachvollziehbaren Effekt und der Rest ist dann strittig. Nachvollziehbar ist, dass der Verursacher Maßnahmen ergreifen wird, die geeignet sind, die Schäden nicht entstehen zu lassen, so dass die Steuer entfällt. Das tut er insbesondere dann, wenn der Aufwand, der betrieben werden muss, um die Schäden zu verhindern, geringer ist, als die Steuer. Je höher also die Steuer, desto eher werden Maßnahmen ergriffen, die den Schaden gar nicht erst entstehen lassen. Dabei gibt es mehrere Probleme: Im Einzelfall kann es passieren, dass den Unternehmen die Resourcen entzogen werden, die es bräuchte, um den Schaden zu verhindern. Belegt man z.B. die Automobilindustrie mit einer Strafe über mehrere Milliarden Euro, weil sie bei den Werten zum Stickstoffoxid gemogelt haben, dann fehlen diese Milliarden eben bei der Forschung und Entwicklung völlig anderer Antriebe. Alternativ könnte natürlich der Staat, der diese Steuer kassiert, die Schäden beseitigen, z.B. indem er verdreckte Flüsse wieder reinigt. Das tut er aber nie. Die Steuer auf Benzin z.B. dient der Finanzierung der Renten. Ein ähnliches Problem haben wir beim Sprit und anderen Rohstoffen, die sind nämlich, wenn man zukünftigen Generationen gegenüber gerecht sein will, grundsätzlich immer viel zu billig. Der Preis für nicht nachwachsende Rohstoffe ergibt sich aus dem Angebot und der Nachfrage der heute Lebenden. Nimmt man die nächsten 5, 10, 15 etc. Generationen hinzu, übersteigt die Nachfrage das Angebot naheliegenderweise um das Zigfache. Der Preis für nicht nachwachsende Rohstoffe müssten also, wenn Gerechtigkeit walten soll, sehr, sehr viel höher sein. Genau genommen unendlich hoch. Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche, dass es irgendwann keine seltenen Erde mehr gibt und dann Schluss ist mit chatten, gamen, facebook und was es sonst noch alles gibt. Vereinfacht ausgedrückt: Der Preis ergäbe sich nicht aus der Nachfrage von 8 Milliarden Menschen, sondern aus der Nachfrage von 16, 32, 64 Milliarden Menschen, je nachdem wieviele Generationen man berücksichtigt. Das Problem ist nur technisch lösbar, also anhand einer Recycling Quote von 100 Prozent. Bei jeder anderen Variante, hat die nächste Generation weniger zur Verfügung als die vorhergehende. Anders formuliert: In den sehr, sehr zahlreichen Variationen des Angebot / Nachfrage Kreuzes, die wir in jedem Lehrbuch zur Mikroökonomie finden, fehlt die Dimension Zeit.]

 

Die Patrioten, die irgendeine Kultur tapfer verteidigen wollen, kann man hier leicht beruhigen. Das Kontinuum, in das sie eingebettet sein wollen, existiert schlicht nicht, siehe link oben und die Zeiträume, in denen da gedacht wird, sind obendrein verdammt lang. Die Ägypter schaffen es auf 2500 Jahre, die Römer so auf gut 1000 Jahre, das ist astronomisch gesehen ein Wimpernschlag. Also in den nächsten 500 Jahren wird sich die Republik in Luft auflösen. Das sollten die Patrioten ganz entspannt sehen, dann lebt es sich besser. Wir wissen zwar nicht, siehe link oben, was in der tief bewegten Brust eines Patrioten vorgeht, aber wir können alle Patrioten dieser Welt beruhigen. Sub specie aeternitatis ist die Nation völlig bedeutungslos. Auch im Hinblick auf ihren Hauptfeind, den Islam, kann man Entwarnung geben. Die Verhältnisse werden da in den nächsten fünfzig Jahren angeglichen.

Ein andere Nummer sind da die Leute, die der Meinung sind, dass wir die Welt von unseren Kindern nur geborgt haben:

Das ist zwar irgendwie richtig, aber der Autor dieser Zeilen hat den Eindruck, dass das niemanden interessiert. Wer interessiert sich denn tatsächlich für die Leute, die in 200 Jahren leben? Oder in 500 Jahren? Zumal sich an der Grundproblematik nichts ändern wird, es ist die gleiche, die wir heute haben, nur eben schlimmer. Der Klimawandel wird vor allem die Länder betreffen, denen es heute schon schlecht geht, aber wenn stört das? Es stört schon heute niemanden, dass unsere T-Shirts etc. in Bangladesh von de facto Sklaven zusammengenäht werden, es interessiert uns nicht, dass die Regenwälder platt gemacht werden, um Schweine zu füttern, es interessiert uns nicht, dass wir unser Öl von Kameltreibern beziehen, es interessiert uns nicht, dass wir die Weltmeere mit Plastik zumüllen etc.. etc.. Wieso nimmt irgenjemand an, dass uns das in Zukunft interessieren wird und Empathie entwickeln für Menschen, die uns vollkommen unbekannt sind?

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