staunen, nicht ärgern

Wie bringt man eine Gesellschaft auf Linie

Also eigentlich geht es hier um was Simples. Es geht um die simple Frage, wie man eine Gesellschaft auf Linie bringt, sich also eine ganz Gesellschaft dazu bringt, sich an der Organisation objektiven Schwachsinns zu beteiligen. Genauer gesagt, aber das dient eigentlich nur als Beispiel, geht es um die Frage, wie man Hunderte von Organisationen dazu bringt, sich an sowas https://www.nationale-bildungsplattform.de zu beteiligen. Die Antwort ist in diesem konkreten Fall natürlich einfach. Wenn eine Ministerium 630 Millionen Euronen austütet, dann wollen natürlich a) alle von dem Kuchen was abhaben und b) hängen natürlich alle vond diesem Ministerium ab, bzw. hoffen in Zukunft auf einen warmen Geldregen. Da hält man sich also zurück mit Kritik. (Wem nicht klar ist, was gemeint ist, der kann bei google Nationale Bildungsplattform eingeben und sieht, dass Hunderte und mehr tief begeistert sind. Der einzige kritische Kommentar, zweite Position erste seite bei google, stammt vom Autor. Das BMBF bringt es also fertig, mit 630 Millionen Euro alle auf Linie zu bringen.)

Der Autor, der ja tatsächlich zusammen mit vielen anderen Dingen auch mal Geschichte studiert hat, macht jetzt also etwas, was jedem seriösen Historiker Zornesfurchten auf die Stirn treibt. Er versucht, Parallelen herzustellen, was ja, so man die öffentlichen Debatte verfolgt, immer auf heftige Ablehnung stößt. Den deutschen Nationalsozialismus darf man nicht mit dem italienischen Faschismus vergleichen, Ersterer war TOTALITÄR, verlangt also aktive Unterstützung des Terrors, während letzterer nur AUTORITÄR war, sanktionierte also nur den aktiven Widerstand. Den Massenmord an Menschen jüdischen Glaubens bzw. mit einem jüdischen Hintergrund darf man nicht vergleichen mit dem Massenmord der Armenier, Bismarck darf man nicht mit Putin vergleichen, obwohl beide schwärmten von Großreichen und dabei über Leichen gingen, ersterer noch mehr als letzterer und die Vernichtigung indigener Völker in Chile, Kanada, USA ist sowieso was ganz was anderes. So weit so gut und der Autor würde dem sogar zustimmen. Historische Situationen sind singulär, die Möglichkeit, hieraus allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen sind sehr begrenzt.

Die Logik mit dem geringen Transferpotential historischer Konstellationen bzw. deren Übertragbarkeit auf andere Situationen hat aber ein Problem. Sieht man das sehr eng, dann ist die Existenzberechtigung der Historiker, die Kosten den Steuerzahler ja auch ein paar Hundert Millionen Euro im Jahr, in Frage gestellt. Diese bemühen ja, alle Jahre wieder, wenn aus irgendwelchen Gründen die Frage nach der Bedeutung der Geschichtswissenschaft auftaucht, das Argument, dass man aus der Geschichte lernen könne. Je höher die Ansprüche an die Vergleichbarkeit historischer Konstellationen, desto geringer die Akzeptanz eines Transferpotentials, bzw. der Lerneffekt. Sieht die Ansprüche sehr hoch, gibt es überhaupt kein Transferpotential mehr.

Soit dit en passant: Die Volkswirtschaftslehre ist da ein ganz andere Nummer. Diese geht von ganz wenigen universell gültigen Annahmen aus, im wesentlichen der Annahme, dass Menschen ihren PERSÖNLICHEN Nutzen optimieren und untersucht dann, auf der Ebene der Mikroökonomie, wie sie das erreichen und auf der Ebene der Makroökonomie, wie der Staat die Parameter einstellen muss, damit der individuelle Conquest of happiness auch gesamtgesellschaftlicher Ebene zur bestmöglichen Welt führt. Das Modell ist hierbei immer das Gleiche. In Bolivien, Deutschland, Indien, China, USA und auf dem Mars. Religion, Kultur, Überzeugungen und sonstiger Schnickschnack spielt keine Rolle.

Also, nach diesen kritischen und selbstkritischen Prälimanarien kommen wir jetzt zum Thema. Wie bringt man eine ganze Gesellschaft auf Linie, denn darum geht es ja letztlich. Die wirklich großen Verbrechen, also sehr finstere Zeiten wie Deutschland von 33 bis 45, Argentinien von 76 bis 83, Stalinismus etc. sind ja letztlich nur möglich, weil man breite Gesellschaftsschichten auf Linie gebracht hat. Totalitäre bzw. autoritäre Systeme brauchen Handlanger und in der Regel ziemlich viele davon. Sowas wie der Nationalsozialismus braucht dazu geradezu Legionen: Ingenieure, die Panzer, Flugzeuge, U-Boote entwickeln, Millionen von Arbeitern, die die bauen, Millionen von Leuten, die diese Geräte dann auch steuern, eine Legion von Verwaltungsbeamten, die das alles organisieren etc. etc.. Das sind alles Leute, die sich ja problemlos hätten verweigern können. Man kann jemand bestrafen, wenn er sich weigert, dem Volk ohne Raum letzteren zu verschaffen, aber es ist relativ schwierig, jemanden zu sanktionieren, der keine Panzer bauen kann. Man müsste ihm ja dann nachweisen, dass er nicht einfach zu blöd dazu ist, sondern sich tatsächlich weigert, sein Potential in den Dienst der Volksgemeinschaft zu stellen. Ein Nachweis, der praktisch nicht zu erbringen ist. Dieses ganze Millionenheer wurde also auf Linie gebracht.

Seit 1945 sucht die Menschheit nach einer Antwort auf diese schlichte Frage: Wie war das möglich? Wir sind ja heute umgeben von lauter lieben Zeitgenossen, die keiner Fliege was zu leide tun. Diese lieben Zeitgenossen, wir gehen hier von einem genetischen Kontinuum aus, das sich aber unter anderen sozialen Bedingungen anders entwickelt hat, waren aber vor 80 Jahren ziemlich unfriedlich, konnten auf eine Linie, und zwar auf eine ziemlich abschüssige, gebracht werden. Wie konnte das passieren?

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