staunen, nicht ärgern

Sprachkritik in Goethes Faust

Vielleicht hätte er mal darüber nachgedacht, was Goethes alter teilzeit ego, also Faust zu der Thematik sagt.

Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt,
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
Sitzt ihr nur immer! leimt zusammen,
Braut ein Ragout von andrer Schmaus,
Und blas’t die kümmerlichen Flammen
Aus eurem Aschenhäufchen ’raus!
Bewund’rung von Kindern und Affen,
Wenn euch darnach der Gaumen steht;
Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen,
Wenn es euch nicht von Herzen geht.

Gadamer, den haben wir beispielhaft herausgepickt, aus der Liga sind aber 90 Prozent aller verbeamteten Geistlichen, zieht nun schon jahrelang herab und quer und krumm, die Schüler an der Nase rum, allerdings, und das unterscheidet ihn von Faust, hat er nicht den Eindruck, dass er Müll erzählt. Er folgt dem Verfahren, das hier beschrieben wird.

Such Er den redlichen Gewinn!
Sei Er kein schellenlauter Tor!
Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor!
Und wenn’s euch Ernst ist, was zu sagen,
Ist’s nötig, Worten nachzujagen?
Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!

Wenn Zitate dem Leser oder Hörer nicht die Welterfahrung erleben lassen, kann man alle Philosophen der letzten 2500 Jahre runterrattern, das bringt aber nix. So einen Quark will niemand hören. Es mag zwar stimmen, dass es sich um ein Plagiat handelt, wenn man nur bei einzelenen Textstellen den Autor nicht nennt und um einen Gelehrten, wenn man ein paar Tausend nicht nennt, aber in beiden Fällen hat man für den Papierkorb produziert. Das Problem mit den Plagiaten in den Doktorarbeiten bei Gutenberg, Giffey, Koch-Mehrin etc. etc. ist auch nicht die Tatsache, dass sie abgeschrieben haben. Das Problem ist, dass das Geschriebsel niemanden interessiert, aber dennoch Resourcen verbraucht.

Ein professioneller Vortrag ist dadurch gekennzeichnet, dass niemand zitiert wird. Der Sprecher versucht unmittelbar, durch didaktisches Geschick, etwa durch illustrative, geschickt gewählte Beispiele, dadurch, dass er den Hörer / Leser emotional involviert oder durch sachlogische Stringenz in seinen Bann zu ziehen. Das Zitat will was anderes. Es versucht mit dem Argument zu überzeugen, dass die Aussage richtig und bedeutsam ist, weil andere es bereits gesagt haben. Das Verfahren funktioniert nicht. a) ist es langweilig und b) interessiert es niemanden.

Ja, eure Reden, die so blinkend sind,
In denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt,
Sind unerquicklich wie der Nebelwind,
Der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!

Ted Vorträge, https://www.ted.com/, sind immer amüsant anzuschauen, machmal lehrreich innerhalb der Beschränkungen des Formats. Ist das Informationsgefälle zwischen Sender und Empfänger sehr hoch, geraten Vorträge an ihre Grenzen. Innerhalb der durch das Format gegebenen Einschränkungen, tragen sie aber der Generalregel Rechnung.

Sei Er kein schellenlauter Tor!
Es trägt Verstand und rechter Sinn
Mit wenig Kunst sich selber vor!
Und wenn’s euch Ernst ist, was zu sagen,
Ist’s nötig, Worten nachzujagen?

Dezidierter wird die Kritik am Sprachgebrauch, wie gesagt, wir sind im Kontext einer Sprache, an der Grenze der Welterfahrung, im Gespräch zwischen Mephistopheles und dem Schüler.

Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen;
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.

Der Schüler meint, dass ein Begriff bei dem Wort sein müsse. Darauf antwortet ihm Mephistopheles, dass man sich hier nicht ängstlich quälen müsse, wobei er implizit die höchst bedeutende Unterscheidung zwischen Wort und Begriff vornimmt. Ein Wort setzt keine intellektuelle Durchdringung und keine großartige Welterfahrung voraus. Der Begriff verweist auf die intellektuelle Durchdringung bzw. auf Erfahrung. Grammatikalisch gesehen sind Wörter wie Tisch, Stuhl, Gabel etc. genauso Substantive wie Idee, Ästhetik, Empathie etc. aber erstere setzen keine großartige Welterfahrung voraus, letztere schon. Grammatikalisch gesehen besteht kein Unterschied, beide können im Nominativ, Genitiv, Akkusativ oder Dativ stehen. Inhaltlich jedoch handelt es sich um völlig verschiedene Dinge, ein Umstand, der auch im Sprachgebrauch zum Ausdruck kommt. Wenn Liebe nur ein Wort ist, dann wird auf die Tatsache verwiesen, dass keine konkreten Erfahrungen damit verbunden werden. Das Wort Logos kommt aus dem Griechischen, aber der Begriff Logos umfasst ein weites Feld. Begriff kann teilweise durch Idee oder Vorstellung ersetzt werden, weil letztere auf eine geistige Durchdringung verweisen. Die Idee / Der Begriff des Sozialismus beinhaltet, dass die Produktionsmittel von einer Plankommission verwaltet werden. Mephistopheles greift die Unterscheidung später, in der Hexenküche, nochmal auf.

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