Was er aufschlägt ist das Neue Testament, genau genommen das Evangelium des Johannes. Warum er, also Faust, jetzt 250 Jahre nach der Luther Übersetzung das Teil nochmal übersetzen will, ist zwar unklar, aber da folgt er einer Marotte von Philologen. Letztlich aber egal. Das Evangelium des Johannes beginnt so.
Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Das bezieht sich wohl auf Genesis 1 und das ist wirklich erstaunlich.
Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. Gott sah, dass das Licht gut war. Und Gott schied das Licht von der Finsternis. Und Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde Abend und es wurde Morgen: erster Tag.
Dann sprach Gott: Es werde ein Gewölbe mitten im Wasser und scheide Wasser von Wasser. Gott machte das Gewölbe und schied das Wasser unterhalb des Gewölbes vom Wasser oberhalb des Gewölbes. Und so geschah es. Und Gott nannte das Gewölbe Himmel.
Im Italienischen gibt es das Sprichwort „tra il dire e il fare, c’è il mare / zwischen sagen und machen liegt das Meer und auch im Deutschen ist ein Schwätzer jemand, der viel erzählt, aber wenig tut. Bei Gott ist das offensichtlich anders, da ist sagen und machen schlicht dasselbe. Dass der Lichtschalter allein dadurch angeknipst wird, dass man den Wunsch nach Licht ausspricht, geht nur mit Alexa von Amazon. Noch erstaunlicher ist aber, dass Gott dann anschließend doch noch was machte. Der Koran, der ja über weite Strecken ein Plagiat der Bibel ist, sieht das anders. Da erschuf Gott, also sozusagen im Schweiße seines Angesichts, die Welt in sechs Tagen, sagte aber kein Wort.
(Noch merkwürdiger ist das:
Dann sprach Gott: Lichter sollen am Himmelsgewölbe sein, um Tag und Nacht zu scheiden. Sie sollen als Zeichen für Festzeiten, für Tage und Jahre dienen.
Die sollen Lichter am Himmelsgewölbe sein, um über die Erde hin zu leuchten. Und so geschah es. Gott machte die beiden großen Lichter, das große zur Herrschaft über den Tag, das kleine zur Herrschaft über die Nacht, und die Sterne.
Also wenn das große Licht den Tag erhellt, hätte es gereicht, wenn er das große Licht erschaffen hätte, verbal oder sonstwie.)
Wie dem auch immer sei, das Teilzeit Alter Ego Goethes, also Faust, versucht nun zu ergründen, was mit dem Satz „Am Anfang war das Wort“, gemeint sein könnte. Wort durch Sinn zu ersetzen ist nicht mal eine so schlechte Idee, wenn man Sinn mit Plan übersetzt. Sollte Johannes aber davon ausgegangen sein, dass die Sprache Voraussetzung für Planung ist, dann liegt er damit vollkommen falsch. Geplantes Handeln haben wir auch im Tierreich, teilweise werden sogar recht komplexe Prozesse geplant, z.B. wenn Vögel ein Nest bauen. Wie Faust nun auf die Idee kommt, dass Kraft eine Alternative ist, bleibt unklar. Sagen lässt sich lediglich, dass eine Kraft zu einer Ordnung führen würde. Die Gravitationskraft z.B. sorgt dafür, dass das ganze Universum seit Milliarden von Jahren sich immer in gleichen Bahnen bewegt. Eine Kraft allerdings hat Gott nach biblischer Darstellung aber nicht geschaffen, die Welt wäre also nach biblischer Darstellung immer beleuchtet worden oder eben in ewiger Dunkelheit versunken. Da das ganze Drama aber darauf aufbaut, dass Gott keinen Plan hat, bekanntlich ist Faust ja sein Knecht, weil er NICHT glaubt, weil er sich NICHT mit der Seeligkeit im Jenseits tröstet, sondern im hic et nunc glücklich werden will, weil er an allem und jedem zweifelt und eben Faust, den Sinn selber finden soll, können wir davon ausgehen, dass Faust die Variante „am Anfang war die Tat“ für die Realistischste hält. Die Tat ist ein Beginn, allerdings ohne Richtung, Ordnung und Sinn.
Interessanter wird es, wenn man berücksichtigt was ursprünglich da stand. Geschrieben wurden die Teile, also die Evangelien, auf Griechisch. Wo alle Sprachen mehr oder weniger mit Wort übersetzen, stand ursprünglich logos. In verschiedenen Sprachen sieht das so aus.
Französisch: Au commencement était le Verbe, et le Verbe était en Dieu, et le Verbe était Dieu.
Spanisch: En el principio era el Verbo, y el Verbo era con Dios, y el Verbo era Dios.
Englisch: In the beginning was the Word, and the Word was with God, and the Word was God.
etc. etc..
Das griechische Wort logos bedeutet eigentlich Vernunft, Sinn und es ist dann eine harte Nummer, wenn man Vernunft mit Wort übersetzt. Gegen diese Art der Übersetzung finden wir im Faust, davon gleich, noch eine volle Breitseite. („Es denkt der Mensch, wenn er nur Worte hört / dass sich dabei auch etwas denken lasse.) Auf jeden Fall waren die verschiedenen Übersetzer in die verschiedenen Sprachen nicht die hellsten Kerzen auf der Torte. Wort ist die sprachliche Einheit, die die geringste geistige Durchdringung hat. Der Begriff steht immerhin für etwas, was von geistiger Verarbeitung zeugt. Marktwirtschaft z.B. ist ein Begriff, beschreibt eine Assoziationswolke, ein Konzept und kein Wort. Die nächste Stufe ist dann Sprache. Ein bisschen besser wäre es also, wenn Luther so übersetzt hätte: Am Anfang war die Sprache. Das wäre zwar immer noch sachlogisch Blödsinn, denn wenn die Erde wüst und leer war, dann gab es gar nichts, was die Sprache hätte beschreiben können und folglich kann es zu diesem Zeitpunkt auch keine Sprache gegeben haben. Nochmal: Sachlogisch ist zuerst die Welterfahrung da, die entweder die Sprache schafft oder, sofern diese vorhanden ist, eine bestehende Sprache mit Inhalt füllt. Es gibt also eine Menge Dinge, für die es keine Sprache gibt, aber es gibt keine Sprache für etwas, was es schlicht nicht gibt.