staunen, nicht ärgern

Wie wird man eigentlich in diesem unseren Lande Professor? Norbert Bolz

Der Schlenker zu Sigmar Gabriel und dessen Feststellung, dass zu jedem Thema etwas sagen könne, weil er, also Sigmar Gabriel, nur 15 Sekunden Redezeit habe, kommt etwas unvermittelt, wie ja der ganze Vortrag eher einer Stammtischtirade gleicht als einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Wir können jetzt noch nicht erkennen, dass er sich im universitären Umfeld anders äußert, denn es stellt sich die Frage, ob er sich überhaupt anders äußern kann. Es stellt sich ganz ernsthaft die Frage nach der Lehrbefähigung. Man kann, siehe oben, bezweifeln, dass Medien die Themen in einer Tiefe durchdringen, die dem Wähler eine rationale Entscheidung erlauben. Man kann sich auf Fragen, ob Medien nicht eine Eigendynamik entwickeln und das Themespektrum hierdurch nicht eingeengt wird. Ist dem aber so, dann wäre es in der Verantwortung der Wissenschaft Lösungsvorschläge zu liefern. Es gilt das bereits gesagte. Ein Problem zu lösen ist immer intellektuell anspruchsvoller, also einfach nur zuzuschauen.

Und nein: Das Zitat von Goethe, im Gespräch mit Eckermann, hat einen anderen Kontext. Dichtung hat eben bei Goethe auch die Funktion, Lösungsräume und Möglichkeiten aufzuzeigen. Goethe wendet sich gegen eine Dichtung, die er, in der Auseinandersetzung mit der Romantik verwendet er diesen Begriff, als narkotisch bezeichnet. Das bedingt auch seine schroffe Ablehnung von Heinrich von Kleist.

Wir wollen das mit der deutschen Klassik jetzt nicht allzuweit treiben, aber bzgl. der Frage der political correctness und inwieweit der Mensch nach Lösungen suchen soll, hatte Schiller eine ziemlich eindeutige Meinung. Also falls bei Norbert Bolz in der Schule was verpasst wurde.

Wenn der Menschheit Leiden euch umfangen,
Wenn Laokoon der Schlangen
Sich erwehrt mit namenlosem Schmerz,
Da empöre sich der Mensch! Es schlage
An des Himmels Wölbung seine Klage
Und zerreiße euer fühlend Herz!

Dann kommt dieselbe Suada, die er bereits beim Sozialkitsch erzählt hat, nochmal unter einem anderen Namen: politischen Moralismus. Da wird, so Herr Bolz, jede Sachfrage in eine moralische Frage uminterpretiert. Wo er den politischen Moralismus walten sieht, bleibt etwas unklar, aber für die Mitglieder der AFD, die an Verfolgungswahn leiden, ist wahrscheinlich klar, was gemeint ist, auch wenn er tatsächlich nicht existiert und schon der Begriff nichtssagend ist. Vermutlich sieht Herr Bolz und seine Fans von der AFD immer politischen Moralismus walten, wenn eine andere Meinung als die seine vertreten wird. Wir haben also das gleiche Problem wie das oben bereits beschriebene mit der political correctness. Seinen Ausführungen liegt die Vermutung zugrunde, dass seine Sicht der Dinge die richtige ist und alle, die eine andere Meinung vertreten, sich politischen Moralismus vorwerfen lassen müssen. Inhaltlich setzt er sich mit gar keiner These konkret auseinander. Irgendwie scheint ihm noch nicht aufgefallen zu sein, dass in diese unseren Lande es zu jedem Thema x Meinungen gibt und im x Meinungen im Parlament vertreten sind. Der Mann lebt in einer totalen Blase. Er behauptet dann zwar, dass er sein ganzes Leben unter Intellektuellen und Akademikern verbracht hat, aber daran zweifelt jetzt der Autor ganz ernsthaft.

Seinen weiteren Ausführungen ist dann zu entnehmen, dass er das ganze universitäre Millieu durchseucht sieht von Sprachhygienikern, Sozialkitsch und moralischem Rigorismus. Was er damit jetzt genau meint, also was genau nicht gesagt werden darf, in welchem Kontext über das Leiden der Menschen dann nachgedacht werden darf und wie und welche Werte konkret nicht dem Verdikt des moralischen Rigorismus verfallen, lässt er offen. Wir vermuten mal, dass alles, was nicht dem AFD Programm entspricht, unter Sprachhygiene, Sozialkitsch und moralischem Rigorismus fällt. Seine Kollegen an der Uni sieht also alle lins-grün versifft. Das Problem ist, dass zumindest an bestimmten Unis eher konservative Professoren dominieren. Festmachen kann man das an konkreten Positionen zu bestimmten Themen; etwa der Frage, wer die Hauptschuld trägt am ersten Weltkrieg, etwa wenn ein Zusammenhang gesehen wird zwischen der Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus und dem Stalinismus, der Beurteilung Martin Luthers, der Frage, wer die Schuld trägt am Kalten Krieg und ähnliches. Der Autor würde, aufgrund seiner, zugegebenermaßen subjektiven Erfahrung, eher sagen, dass gerade Geisteswissenschaftler eher konservativ sind. Wirtschaftswissenschaftler sind in der Regel im 19 Jahrhundert stecken geblieben, der Keynsianismus ist da noch nicht angekommen. Also Wirtschaftswissenschaften sind ebenfalls eher konservativ. (Wer das genauer haben will: www.economics-reloade.de.) Er konstatiert dann eine hysterische Hypersensibilität. Die würde der Autor dieser Zeilen eher bei ihm selbst verorten und bei den Anhängern der AFD.

Wenn er von der Infantilisierung der Politik spricht, impliziert das, dass er davon ausgeht, dass er den Durchblick hat. Denn hat er nicht, aber das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass es tatsächlich in komplexen Gesellschaften schwierig ist zu beurteilen, ob eine politische Maßnahme geeignet ist ein bestimmten Ziel zu erreichen. Wir brauchen hier tatsächlich eine breitere öffentliche Debatte und mehr Transparenz. Hier gibt es zahlreiche Initiativen, die hier hilfreich sind, www.lobbycontrol.de, www.abgeordnetenwatsch.de, www.fragdenstaat.de, www,netzpolitik.org und viele andere. Wir haben also dassselbe Problem, das schon oben mehrfach beschrieben wurde. Gesucht wird eine Lösung für ein Problem. Von irgendeinem Stammtischgeschwätz haben Stundenten nichts. [Der Witz ist, dass er dann noch anführt, dass er nicht zu scharf werden will, sondern analytisch bleiben will. Herr Boltz hält seine Tiraden tatsächlich für eine Analyse. Und das bezahlt der Steuerzahler.]

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