staunen, nicht ärgern

Wie wird man eigentlich in diesem unseren Lande Professor? Norbert Bolz

[Der Herr Bolz hat über Adorno promoviert. Es ist zutreffend, dass Adorno das Problem, Adorno bezog sich auf die Kulturindustrie, auf der Anbieterseite sah. Die Kulturindustrie schafft es Bedürfnisse zu wecken, die die Leute von dem ablenken, was eigentlich ihre Sache wäre. Daran ist richtig, dass objektiv gesehen das Schicksal englischer Prinzen und deren Gattinen ziemlich irrelevant ist und die Zinspolitik der EZB ganz unmittelbaren Einfluss hat auf das Leben der Leute. Leider werden aber die Zwistigkeiten im englischen, spanischen, dänischen etc. Königshaus von der Öffentlichkeit als weit unterhaltsamer wahrgenommen, als die makroökonomischen Bedingungen, die die Entscheidung der EZB beeinflussen. Adorno konstatiert ein Problem, das schon Neil Postmann und viele andere konstatierten, z.B. Mario Vargas Llosa. Wir bräuchten aber einen Lösungsansatz für das Problem.]

Das Szenario, das Norbert Bolz entwirft, kann sich nur in autoritären Staaten einstellen. Damit die herrschende Meinung die Meinung der Herrschenden wird müssen zwei Bedingungen erfüllt sein. Die Refinanzierung erfolgt nicht über den Markt und es gibt keine privaten Medien. In diesem Fall bleibt der Bevölkerung nichts anderes übrig, also die veröffentlichten Fakten für die relevanten Fakten zu halten und die Art, wie diese präsentiert werden, für die einzig mögliche Darstellung. Die Bevölkerung kann dann noch ahnen und fühlen, dass da irgendwas nicht stimmen kann, beweisen kann sie es allerdings nicht.

Den Vortrag oben hat Norbert Bolz bei der Desiderius Stiftung gehalten, also einer Stiftung der AFD (staatlich gefördert). In diesen Kreisen ist man wahrscheinlich der Meinung, dass wir in der totalen Diktatur leben und die Meinungsfreiheit völlig unterdrückt wird, in diese Richtung gehene ja auch die Ausführungen von Herrn Bolz. Sieht er die Dinge aber nüchtern, wird er konzedieren müssen, dass er in dem links versifften Millieu sogar Professor werden durfte, auch wenn unklar bleibt, inwiefern er die Studierenden auf die konkrete Berufswelt vorbereitet.

Irgendwie macht der dann einen Satz zur political correctness (4:35), wobei er offen lässt, wo die political correctness ihre unheilvolle Wirkung entfaltet. Bei den öffentlich, rechtlichen Sendern, bei den Tageszeitungen, bei privaten Radios, bei öffentlichen Debatten im Bundestag ? Bei den Anhängern der AFD waltet die political correctness wohl überall und nur die AFD sind die Aufrechten. Bzgl. Norbert Bolz stellt sich dann natürlich die Frage, wie er, der aufrechte Recke, der ohne Rücksicht auf political correctness Professor werden konnte. Wenn die political correctness überall waltet und schaltet und alle unterdrückt, müssten doch so furchtlose Recken mit wehenden Fahnen untergehen. Es ist wirklich erstaunlich, dass bei soviel Sprachhygiene, Tabus und Dingen, die man nicht aussprechen darf, er ordentlicher Professor werden konnte. Bedauerlich ist hier allerdings, dass er uns auch nicht verrät, was genau man nicht sagen darf, aber vermutlich ist das bei einem Publikum, dass sich aus AFD Mitgliedern zusammensetzt, auch nicht nötig. Teilen die Medien ihre Ansichten nicht, dann ist das Tugendterror. Der Herr Bolz ist auch der Meinung, dass man Eskimo nicht sagen darf. Hätte er mal bei der von ihm so geschmähten Wikipedia Enzyklopädie, die ist nur Schwarmintelligenz, nachgeschaut, hätte er festgestellt, dass Teile der verschiedenen ethnischen Gruppen dieses Volkes sich selbst als Eskimos bezeichnen. Dann konstatiert er noch, dass es schwierig ist, nicht in ein Fettnäpfchen zu treten. Vermutlich sind aber bei ihm weniger die Fettnäpfchen das Problem, als die Tatsache, dass es in seinen Vorträgen von sachlichen Fehlern nur so wimmelt.

Eine Ausprägung, bzw. ein Mittel zur Durchsetzung der poliltical correctness ist, meint Herr Bolz, der Sozialkitsch. Er konstatiert, dass ständig, in Talkshows oder Reportagen, wo genau lässt er offfen, leidende Menschen gezeigt werden, was die Analyse der Situation dann unmöglich mache, weil jedes Argument, dass die Situation kritisch hinterfragt, als Unmenschlichkeit abgetan wird. Der Kontext, der zu solchen Bildern führt, Kinder in Flüchtlingslagern, verhungernde Kinder, gefolterte Menschen, vom Krieg Versehrte etc.. ist, bei Herrn Bolz, irrelevant. Damit betreibt er eine Immunisierung der Diskussion, eine political correctness, nur in umgekehrter Richtung. Diese Art der Immunisierung kennen wir aus dem Nationalsozialismus. Auch der Nationalsozialismus kennt eine political correctness, allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied im intellektuellen Niveau.

Wer auf komplexe Fragen, etwa die Migrationsströme, eine komplexe Antwort sucht, bewegt sich intellektuell auf einer anderen Ebene als derjenige, der den Versuch, das Phänomen zu analysieren, als Sozialkitsch abqualifiziert. Ein Problem zu lösen ist nun mal generell schwieriger, als lediglich zuzuschauen. Flüchtlingsströme können sich, um mal ein Beispiel zu nennen, in einem Bild von einem Kind verdichten, das von einem Grenzpolizisten geschlagen wird bzw. in einem Kind, das an der Grenze von seiner Mutter getrennt wird. Intellektuell anspruchsvoll ist jetzt der Versuch, Situationen, die solche Flüchtlingsströme auslösen zu verhindern bzw., wenn sie unvermeidbar sind, die Dinge in geordnete, zukunftsfähige Bahnen zu lenken. Die Abqualifizierung einer solchen Situation als Sozialkitsch, legt den Verdacht nahe, dass an einer Lösung des Problems kein Interesse besteht. Das ist intellektuell jetzt nicht besonders anspruchsvoll.

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