staunen, nicht ärgern

Gerät die marktwirtschaftliche Ordnung an ihre Grenzen?

Wir sehen ohne weiteres ein, dass die Werbeschlacht durch die Tatsache bedingt ist, dass sich die Produkte im Grunde kaum noch unterscheiden. Für eine disruptive Innovation, z.B. ein Minizeppelin, das auf dem Balkon parkt und dann selbständig von A nach B fliegt bei einem Spritverbrauch von 1 Liter Diesel pro 100 km, bräuchte man gar keine Werbung. Werbung ist hier als Beispiel angeführt, weil es hier besonders augenfällig ist. Ein anderes Beispiel wären Produkte, die schlicht sinnlos sind, z.B. Nahrungsergänzungsmittel. Die Fälle, wo diese medizinisch sinnvoll sind, sind extrem selten.

Wir sehen des weiteren ohne weiteres ein, dass sich durch Werbung der Lebensstandard nicht verbessert, sondern verschlechtert, denn im Allgemeinen fühlen sich die Leute durch Werbung genervt. An jedem zweiten Briefkasten haben wir einen Aufkleber „keine Werbung bitte“, im Internet wird das Problem jetzt durch plug ins in den Browsern gelöst. Im Fernsehen zappen die Leute dann mal auf einen anderen Kanal und zappen zurück, wenn die Werbung zu Ende ist. Pro Jahr wird also ein knappe Billion ausgegeben, um die Leute zu nerven. Am besten wäre es, man würde es schlicht lassen, was aber nicht geht, weil die Unternehmen Gefangene sind des von ihnen selbst geschaffenen Gefängnisses. Da sie nur eine Kompetenz besitzen in dem Bereich, in dem sie tätig sind, können sie auch nur in diesem Bereich expandieren und da sich die Produkte selbst kaum noch unterscheiden, nehmen die Investitionen in Werbung drastisch zu. Das trifft im übrigen auch auf start ups zu. Im Grunde machen Gorilla, Lieferando, uber eat, flink etc., also die ganzen Lieferdienste, alle das gleiche, die Werbeausgaben sind gigantisch. Babbel, ein Anbieter eines völlig schrottigen Lernprogramms für Sprachen, investiert sagenhafte 123 Millionen Euro pro Jahr in Werbung um die Menschheit davon zu überzeugen, dass man mit seinem Programm innerhalb von drei Wochen, mühelos eine Fremdsprache lernen kann, weil die Methode total revolutionär ist und auf jeden Fall viel besser als busuu, duolingo, mondly etc. etc. Das heißt nicht, dass Werbung nicht funktioniert, man bringt die Leute schon dazu, den entsprechenden Banner anzuclicken. Allerdings verbessert sich der Lebensstandard nicht. Getrieben werden die ganzen start up von venture capital und das investiert in Bereiche, die zumindest vordergründig ein nachvollziehbares Geschäftsmodell haben und nicht in Bereiche, die technisch und organisatorisch hochkomplex sind, wie etwa solargetriebene Wasserentsalzungsanlagen. Ganz anders als Adam Smith sich das vorstellte und zu seiner Zeit wohl zutraf, ein Müller konnte noch in eine Bäckerei investieren, da konnte er sich eindenken, haben wir in hochkomplexen Volkswirtschaften eine reine bullshit economy und eine gewaltige Verschwendung von Resourcen. Die Resourcen werden weder einzelwirtschaftlich optimal alloziiert, noch gesamtgesellschaftlich, noch steigt der Lebenstandard und erst recht nicht wird auf die Bereiche fokusiert, die geeignet sind, die zentralen Probleme der Menschheit, insbesondere den Klimawandel, zu lösen.

Genau genommen ist es aber noch schlimmer, weil die Leute sich für den Markt qualifizieren (müssen) und die Ausbildungskapazitäten sich ebenfalls nach den Marktbedürfnissen ausrichten. Wenn der Markt nun aber Werbefuzzis haben will, damit z.B. Dr.Oetker der Menschheit erklären kann, dass seine Pizzen viel besser sind, also die von Wagner, dann machen die Leute halt irgendwas mit Medien, beschäftigen sich mit SEO, lernen wie man mit Indesign Broschüren gestaltet oder wie man bei Facebook die richtige Werbung bei der Zielgruppe einblendet. Wir haben dann irgendwann Leute, die das alles können, aber leider niemanden, der Solarpannel auf das Dach setzt bzw. Wärmepumpen einbaut und das ist nur solange kein Problem, wie die Verhältnisse noch einigermaßen so bleiben, wie sie sind. Wird aber zum Problem, wenn massiv umgesteuert werden muss. Zusätzlich kommt hinzu, dass immer mehr Leute den Eindruck haben, dass ihre Arbeit komplett sinnbefreit ist und sich eigentlich nicht viel ändern würde, wenn diese Arbeit schlicht nicht gemacht würde. (Außer eben, dass sie dann ohne Geld dastehen.)

Die Zahlen schwanken etwas, kann man bei google recherchieren, aber etwa 50 Prozent aller Arbeitnehmer empfinden ihre Arbeit als sinnlos. Die Produktion des x-ten Schokoriegels und für den x-ten Schokoriegel eine Werbestrategie zu entwickeln, finden immer weniger Leute sinnvoll und wenn man den x-ten Schokoriegel schlicht nicht kreieren würde, würde die Menschheit nicht wirklich etwas vermissen. Die Eigendynanmik des Systems bietet aber überwiegend Jobs für Schokoriegel Entwickler und Vermarkter und keine Jobs, die gesamtwirtschaftlich relevant sind. Diese Erkenntnis dringt so allmählich sogar durch bis zu akademischen Ökonomen. So ganz langsam dringt da durch, dass die neoklassische Nationalökonomie nicht funktioniert. Der Mann hier, https://www.zeit.de/arbeit/2019-03/zufriedenheit-job-arbeitsplatz-sinn-motivation-identifikation, ist Professor, wie immer er das geschafft hat. Akademische Ökonomen schaffen es normalerweise nicht mal bis zu Keynes im Original, der sah, wenn auch aus anderen Gründen, bereits vor siebzig Jahren die Grenzen der marktwirtschaftlichen Ordnung. (Im Grunde dekliniert er eine ähnliche Problematik anhand der Liquiditätspräferenz durch. Die Liquiditätspräferenz ist im Grunde Ausdruck der Tatsache, dass das Kapital nicht optimal alloziiert werden kann.)

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