staunen, nicht ärgern

Die Leistung und die marktwirtschaftliche Ordnung. Gerechtigkeit und Mobilität

Ein anderes Beispiel ist der Meisterzwang in bestimmten Handwerksberufen. Warum man einen Meisterbrief braucht, um eine Bäckerei aufzumachen, erschließt sich nicht unmittelbar. Ob die Kuchen gekauft werden oder nicht, kann man getrost dem Markt überlassen. Es ist zwar nett, wenn der Bäcker auch die doppelte Buchführung beherrscht, doch in der Praxis macht das eh ein Steuerberater. In diesem Fall hilft die künstlich errichtete Hürde auch nicht viel, denn das Problem der Bäckereien sind nicht die Leute, die Spaß daran haben, Kuchen zu backen, sondern die industrielle Produktion von Kuchen. Aber als Beispiel für eine Einschränkung der Mobilität kann man das anführen.

Ein endgültiges Kuriosum der marktwirtschaftlichen Ordnung ist der Beamtenstatus. Normalerweise geht das Spiel so. Innerhalb von dreißig Jahren  können sich Tätigkeiten massiv ändern bzw. durch, z.B. Digitalisierung, massiv vereinfachen. Soweit, dass sie praktisch auch von einer Hilfskraft ausgeführt werden können. Ein KI Programm z.B. könnte bald in der Lage sein, das Jahreseinkommen durch alle Einkunftsarten abzufragen und am Ende die zu entrichtende Steuer auszuspucken. Gibt es zwar jetzt schon, ist aber immer noch zu kompliziert. Wenn das aber Computer machen, wird der Finanzbeamte auf Lebenszeit mit entsprechender Vergütung aber obsolet, allerdings kann man einen Beamten nicht entlassen. Der Steuerzahler muss ihn dann durchschleppen bis zur Pensionierung. Das ist ja auch das Problem der Telekom. Noch rund dreißig Jahren nach der Privatisierung schleppt die Telekom immer noch Beamte mit und kein Mensch kann die dazu zwingen, sich mit dem technologischen Wandel anzufreunden. Das bedeutet, dass Leute über dem natürlichen Preis bezahlt werden. Gleiche Liga haben wir bei Lehreren. Sind die über fünfzig, bringt die kein Mensch dazu, sich auf die Möglichkeiten digitaler Lernmedien einzulassen. Da hier die Kompetenzen fehlen und nicht mal ein Wille vorhanden ist, sich diese anzueignen, könnte man  rein theoretisches auf fähigeres Personal zurückgreifen, eben auch auf Quereinsteiger, die sich mit der Thematik beschäftigt haben. Geht aber nicht, denn durch die Verbeamtung können wir unfähiges Personal nicht durch fähiges Personal ersetzen. Die Mobilität ist Null, bzw. ergibt sich erst im Verlaufe von Jahrzehnten.

Ein weiteres Beispiel wäre, es gibt davon unendlich viele, der Numerus Klausus. Der würde Sinn machen, wenn er eine Prognose über die Qualitäten des z.B. späteren Arztes erlauben würde, andernfalls könnte ja jeder, der Arzt werden will, das auch studieren. Allerdings fließen die Abiturnote auch Kompetenzen ein, bei denen ein Zusammenhang zu einer ärztlichen Tätigkeit nicht erkennbar ist. Hat sich jemand sein Abitur durch die Note in der zweiten Fremdsprache verhagelt und wurde sein Abitursaufsatz vom Korrektor nicht goutiert, das passiert, dann wird das nix mit dem Medizinstudium, obwohl man wahrscheinlich ein hervorragender Arzt sein kann, ohne den blassesten Schimmer einer blassen Ahnung bzgl. der Verwendung des subjonctif im Französischen bzw. den ablativus absolutus im Lateinischen hat. (Der Autor dieser Zeilen hat ja Romanistik studiert und findet das jetzt natürlich wahnsinnig wichtig, aber objektiv betrachtet kann man darauf meistens verzichten.)

Angebot und Nachfrage der Berufsaubildung sind staatlich organisiert und je nachdem wie der Staat das organisiert, erhalten wir eine unterschiedliche Gehaltsstruktur. Der Staat könnte z.B. mehr Studienplätze in Medizin und weniger Studienplätze in Jura anbieten. (Juristen haben wir ja genug. Die Anzahl der niedergelassenen Rechtsanwälte ist in den letzten 20 Jahren von 90 000 auf 180 000 gestiegen. Dass die überhaupt leben können, hängt damit zusammen, dass sie a) Prozesse selber provozieren, z.B. durch Abmahwellen, und b) ihr Mandanten in sinnlose Prozesse treiben.) Bei Medizinstudienplätzen wird oft angeführt, dass man nicht mehr Studienplätze zur Verfügung stellen könne, weil dies zu teuer sei, es kursieren da Beträge von 220 000 Euro, die die Ausbildung eine Mediziners kostet. Wenn aber private Hochschulen das für 60 000 Euro anbieten können und dabei noch Gewinn machen, dann kann irgendwas an der Kalkulation nicht stimmen. Das Problem ist: Universitäten haben keine Kosten- und Leistungsrechnung. Vermutlich werden auch die Kosten für Forschung, klinische Tätigkeit etc. auf die Studienplätze umgelegt.

Teilweise kann man sich auch ernsthaft fragen, ob bestimmte Diskussionen nicht doch  politisch motiviert sind. Beklagt wird der Facharbeitermangel, Ärztemangel, Lehrermangel, Mangel an Angestellten im öffentlichen Dienst, Mangel an Sozialarbeitern etc.. Manche Leute erkennen sogar auf Juristenmangel. Das Rätsel ist nun das. Wenn dieser Mangel an z.B. Fachkräften besteht, warum steigen da nicht die Löhne. Das wäre die normale marktwirtschaftliche Reaktion. Hier gibt es wohl eine politische Agenda. Interessensgruppen haben Interesse an der Erhaltung des status quo. Um hohe Preise für die eigene Leistung durchzusetzen, muss man einen Mangel behaupten, der tatsächlich aber nicht existiert. Konservative Parteien müssen an der Funktionsfähigkeit der marktwirtschaftlichen Ordnung festhalten und wenn es ein ausgedehnte Prekariat gibt, dann darf das nicht daran liegen, dass die Mobilität eingeschränkt ist, das würde ihre Klientel verschrecken, sondern daran, dass das  Prekariat schlicht zu blöd ist. (Das erklärt die Klagen über die Jugend. Zuzugeben, dass ein Fehler im System vorliegt, bedroht die Priviligien. Daher macht es Sinn, die mangelnde Mobilität anders zu erklären.)

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