Allerdings schreibt und schrieb kein einziger schweizer Schriftsteller, nicht Dürrematt und nicht Max Frisch, kein einziger Österreichischer Schriftsteller, nicht Thomas Bernhard und nicht Elfriede Jelinek in Dialekt, obwohl sie diesen, vermutet zumindest der Autor, perfekt beherrschen. Das Kolorit des Dialektes unterstützt wohl nicht den Inhalt, sondern konterkarriert ihn. Zwar haben wir in der Schweiz eine Bewegung, die konträr zur allgemeinen Entwicklung verläuft, das Schweizerdeutsch gewinnt dort immer mehr an Gewicht wohingegen Dialekte in Deutschland eher auf dem Rückzug sind, die Frage ist nur, ob die Deutschweizer nicht zum Standarddeutsch wechseln, wenn weniger die Sachaussage im Vordergrund steht.
Die Tausend Dollar Frage ist nun diese. Haben Dialekte dieses Kolorit, weil sie von der Standardsprache abweichen oder haben Sie dieses Kolorit an und für sich und da würde der Autor jetzt vermuten, sie haben das Kolorit an und für sich. Wäre das Kolorit lediglich durch die Abweichung von der Standardsprache determiniert, müssten alle Dialekte das gleiche Kolorit haben, was aber, nach dem wenig vertrauenserweckenden Bauchgefühl des Autors, nicht zutrifft, wobei es auch keine Möglichkeit gibt, hierüber objektive Aussagen zu machen. Vermutlich wäre aber auch der Comic Werner auf Hochdeutsch weniger witzig und auf Schwäbisch was anderes.
Umgekehrt gibt das Schwäbische ein anderes Kolorit.
Wie dem auch immer sei, unstrittig ist, dass bei Werner und Harald Schmitt ein spezifisches Kolorit ausgenützt wird und das offensichtlich funktioniert. Und ziemlich offensichtlich ist eigentlich auch, dass es nicht allein die Abweichung von der Standarsprache ist, die die Wirkung erzielt, sonder jeder Dialekt auch etwas Spezifisches hat. Das ist so ähnlich wie Lächeln, wer lächelt, auch künstlich, fängt innerlich an zu strahlen. Womit wir dann zu Punkt 3 kommen. Also objektiv nachweisen lässt sich das nicht, aber es kann ja mal jeder versuchen, Dialekte nachzuahmen, er wird dann unter Umständen feststellen, dass sich der Gemütszustand verändern.
ad 3)
Womit wir dann versuchen können, Aussagen darüber zu machen, ob Sprache einen bestimmten „Geist“ ausdrückt. Dazu meint Wilhelm von Humboldt.
So wie eine einzelne Sprache das Gepräge der Eigentümlichkeit der Nation an sich trägt; so ist es höchst wahrscheinlich, dass sich in dem Inbegriff aller Sprachen die Sprachfähigkeit, und insofern derselbe davon abhängt, der Geist des Menschengeschlechts ausspricht.
Das steht einfach so da in dem Werk über Sprache. Taucht einfach so auf, ohne weitere Erläuterung. Auffallend ist erstmal, dass alle Sprachen zusammen zwar den Geist des Menschengeschlechts aussprechen, aber jede Sprache das Gepräge der Eigentümlichkeit der Nation an sich trägt. Inhaltlich ist das natürlich Quatsch, aber ein interessanter Punkt ist enthalten, davon gleich. Quatsch ist es, weil es in jeder Sprache, mal abgesehen von den Dialekten und Akzenten, enorme diastratische (Abhängigkeit von der sozialen Schicht) und diaphasische (Abhängikeit von der Gesprächsituation) Unterschiede gibt. Ein einheitliches Gepräge der Eigentümlichkeit gibt es also gar nicht. Ein Schriftsatz für ein Gericht und ein Liebesbrief haben ser unterschiedliche Gepräge der Eigentümlichkeit. Er stellt aber fest, wobei er das gleiche Problem hat wie der Autor, dass Sprachen ein Kolorit haben. Das beweist er aber objektiv so wenig, wie der Autor das für Dialekte bewiesen hat, weil es sich so richtig nicht beweisen lässt. Hinsichtlich Sprachen ist das aber noch schwieriger. Um festzustellen, dass die verschiedenen Sprachen ein unterschiedliches Kolorit haben, müsste man diese auf Muttersprache Niveau beherrschen. Während viele Deutsche zustimmen würden, dass der Trick mit dem Hamburgerisch bei Werner auf Hochdeutsch oder Bayrisch nicht funktionieren würde, bzw. die Ausführungen von Harald Schmidt sich ganz spezifisch auf die Eigentümlichkeiten des Schwäbischen beziehen, wäre dies beim Sprachenvergleich zwischen zwei Sprachen schwierig. Bei Dialekten funktioniert das, weil z.B. der Deutsch Muttersprachler mit der Standardsprache vertraut ist. Vermutlich trägt eine Sprache das Gepräge der Eigentümlichkeit an sich, aber nachvollziehbar ist das maximal bei Dialekten. Will man sich also eine Vorstellung machne, was Wilhelm von Humboldt meint, dann muss man sich an Dialekte halten.
Der zweite Schritt, den er macht, ist dann schon problematischer. Verquirlt sind da zwei Aussagen. Erstens soll der Geist von Sprachfähigkeit abhängen und zweitens soll dann die spezifische Sprache eine bestimmte Weltsicht ausdrücken. Da schießt er gleich zweimal deutlich über das Ziel hinaus.
Über das Thema inwiefern der Geist von der Sprache abhängt hat sich der Autor mal ganz ausführlich ausgelassen: www.theatrum-mundi.de. Kann man 150 Seiten drüber schreiben, aber man kann das auch abkürzen. Die Sprache passt sich an das Fassungsvermögen des Geistes an. Je komplexer die Welt, je mehr Elemente in das Gesichtsfeld des Geistes geraten, desto komplexer wird die Sprache. Die Sprache ist die abhängige Variable, nicht der Geist. Der Geist ist ziemlich unsprachlich, schafft sich aber ein Instrument, in dem er sich anderen mitteilen kann. Zweitens soll die Sprache den Geist des Menschengeschlechts aussprechen oder genau genommen, da jede Sprache nur einen Teilaspekt desselben ausdrückt, alle zusammen den ganzen Geist des Menschengeschlechts. Wir haben also einen ziemliche Hopser in der Argumentation. Während er im ersten Teil lediglich vom Gepräge der Eigentümlichkeit einer Nation spricht, das wäre sowas ähnliches wie Stil, spricht er im zweiten Teil von Geist. Was er konkret unter Geist versteht definiert er zwar nicht, und soweit der Autor das sieht, wird das nirgends definiert, aber vage ausgedrückt ist der Geist ein Spannungsfeld zwischen Subjekt und Objekt, in dem sich dessen Identität, Zukunftsvorstellungen, ethische / moralische Werte etc. spiegeln. In den verschiedenen Sprachen sollen hier also spezifische Unterschiede zum Ausdruck kommen. Das dürfte allerdings kompletter Unsinn sein, da die Unterschiede innerhalb einer Nation oder Sprachgemeinschaft (mit der impliziten Gleichsetzung von Nation und Sprachgemeinschaft liegt er auch völlig falsch, denn das ist überhaupt nicht deckungsgleich) weit größer sind, also die zwischen Nationen und Sprachgemeinschaften. Ein auf Solarenergie spezialisierter deutscher Ingenieur dürft mit einem auf demselben Gebiet arbeitenden peruanischen Ingenieur mehr Gemeinsamkeinten haben, als ein deutscher Philologie im öffentlichen Dienst mit eineim freiberuflichen Informatiker. Wilhelm von Humboldt schwurbelt da also mächtig. Von der Tatsache, dass Teile der Linguistik den Theorien von Chomsky folgen, also von der Strukturgleichheit aller Sprachen ausgehen, mal ganz abgesehen.