Man muss den geldtheoretischen Überlegungen Milton Friedmans, dafür hat er ja den Nobelpreis bekommen, nicht zustimmen, bzw. es ist eigentlich ziemlich offensichtlich, dass sie falsch sind, siehe https://economics-reloaded.de/9_Monetarismus/Milton_Friedman/9_1_Milton_Friedman.htm, es kann einem auch einem Menge Kritisches zu seiner zum Anarcho-Kapitalismus tendierenden Staatsauffassung einfallen, aber eine Sache sieht er, und noch mehr Sohnemann, also David Friedman, irgendwie richtig, bzw. unter der richtigen Perspektive. Staaten müssen vor allen Dingen mal effizient sein, der ganze Tralala drum herum ist eigentlich blanker Unsinn.
Es ist naheliegend, dass eine Organisationseinheit zur Lösung bestimmter Probleme eine gewissen Größe haben muss, um von einer Fixkostendegression zu profitieren. Ein Dorf mit 1000 Einwohnern, kann für potentiell 10 Patienten im Jahr keine Intensivstation für ein paar Millionen Euro vorhalten, für 50 Stundenen keine komplette Universität, für 5 km Straße, die im Verlaufe der Jahrzehnte gebaut werden müssen, keine schweren Baumaschinen, für einen komplizierten Kriminalfall alle fünf Jahre keine gut ausgestatte Kriminalpolizei etc. etc. etc.. Was jetzt die optimale Betriebsgröße für einen Staat ist, ist jetzt schwer zu sagen, es gibt da ja bekanntlich eine sehr weite Bandbreite, die unter anderem davon abhängt, wie mit anderen Staaten kooperiert wird. Wo es sich anbietet, etwa im Bereich Forschung und Entwicklung, kooperieren Staaten ja bekanntlich. Auf der anderen Seite besteht die Tendenz, bei großer Betriebsgröße, den Betrieb dann in kleinere Einheiten, etwas Bundesländer, mit in bestimmten Bereichen eigener Kompetenz, aufzuspalten. Das ist aber soweit trivial und nicht der interessante Punkt.
Der interessante Punkt ist, dass solche Gebilde Identitäten schaffen, bzw. irgendwas, mit dem die Leute sich „identifizieren“, was immer man jetzt konkret unter Identifikation versteht. Das ist selbst dann der Fall, wenn Landesgrenzen dieser Staaten völlig willkürlich gezogen worden sind. Die Ausgangsbedingungen aller südamerikanischen Staaten z.B. war weitgehend gleich. Die Herausbildung einzelner Staaten, Kolumbien, Venezuela, Peru, Chile, Pero etc. beruhte nicht auf kulturellen Unterschieden, Unterschiede in der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung ergaben sich erst später. Trotzdem identifizieren sich die Leute mit ihrer Patria. Die Schulkids in Bolivien intonieren zu allen möglichen Anlässen „Viva mi patria Bolivia / que es una gran nación / para ella doy mi vida / también mi corazón.“ Also die sind auch bereit für Volk und Vaterland zu sterben, das kennen wir ja schon. Man kann finden, dass es bzgl. der Identifikation hier Ähnlichkeiten gibt mit Fussballmannschaften. Obwohl im Grunde jedem klar ist, dass Fussballvereine Unternehmen sind, die mit austauschbaren Mitarbeitern operieren und eigentlich nichts Spezifisches haben, für das man schwärmen könnte, bzw. das einen individuell ansprechen könnte, finden wir allsonntäglich eine „Identifikation“ mit Fussballmannschaften. (Man könnte finden, dass sich die Fans in den berliner Verkehrsbetrieben auch ohne Fußballmannschaft besaufen könnten, aber offensichtlich macht das mehr Spaß, wenn man Fan ist eines Fussballvereins, warum auch immer.)
Die Liebe zum Vaterland ist also eine andere Nummer als die Liebe zu einer Person. In der Regel, Ausnahmen sind möglich, muss die Person, in die man sich verliebt, irgendetwas Spezifisches haben, etwas, was man attraktiv, anziehend oder was auch immer findet. Ein Land hat aber in der Regel gar nichts Spezifisches, bzw. nur ein Teil davon hat etwas spezifisches, das man anziehend finden kann. Wer auf verwinkelte Gassen steht, der mag Granada, und wer gerne segelt, kann Fan von Auckland sein. Wer gerne Berge hochkraxelt, kann die Schweiz attraktiv finden und wer sich gerne einen Joint reinzieht, kann Amsterdam cool finden. Also irgendetwas Spezifisches, kann man attraktiv finden, aber ein ganzes Land hat nichts Spezifisches, wenn man mal, unter Umständen, von der Sprache absieht. Ganze Nationen sind ziemlich unspezifisch und ein chilenischer Winzer hat viel gemeinsam mit einem Deutschen Winzer, die hätten sich vermutlich eine Menge zu sagen, aber sehr viel weniger mit einem chilenischen Onkologen oder einem Professor für moderne Literatur. (Wobei letztere sich wahrscheinlich nett mit ihren Französischen Kollegen unterhalten könnten.)
Wir haben also das merkwürdige Phänomen, dass Organisationen, deren Sinnhaftigkeit sich eigentlich nur ökonomisch rational begründen lässt, zu einer „Identifikation“ führen, das heißt in Bereiche ausgreift, die sich rational überhaupt nicht mehr erklären lässt. Fußballfans sind zutiefst erschüttert, wenn „die Mannschaft“ es nicht mal ins Viertelfinale schafft und drehen durch vor Freude, wenn eben selbige Weltmeinster wird. Und das bei vollem Bewusstsein, dass auch „die Manschaft“ letztlich ein Unternehmen ist. Irgendein Verein muss die Spieler einkaufen, das ist ein BWL Problem, also eine Frage, wie gut der betreffende Verein wirtschaftet, wie viel er also bezahlen kann. Ist der Spieler dann da, kriegt er einen deutschen Pass und gut ist. „Die Manschaft“ ist so unspezifisch wie die gesamte Republik.