Bzgl. der wissenschaftlichen Abhandlung über erneuerbare Energien geht es nicht um subjektive Haltung des Subjekts zum Objekt, die Wahrheit liegt allein beim Objekt. Da geht es dann um die Frage, ob über Speicher Differenzen in der Produktion ausgleichen und so das Stromnetz stabil halten kann. Da geht um die Frage, ob nicht besser bereits zubetonierte Flächen, z.B. Autobahnen, mit Solarmodellen überdacht anstatt Grünflächen zuzupflastern, da geht es um die Frage, was eine Kilowattstunde dann kostet und ob es billiger ist als Atomkraft, da geht um die Frage, wie die Rotorblätter sein müssen etc. etc. etc.. Da zirkelt allerdings auch nix und vor allem nicht unendlich. Da gibt es dann Aussagen, die ganz definitiv falsch oder richtig sind. Gadamer meint dann, dass Sokrates da ewig weiterfragt auf der Suche nach dem ewigen Wahrheit, aber wenn eine Aussage schlicht falsch ist, dann ist sie eben falsch.
Gadamer benutzt, von jeder Reflexion über Sprache unbeleckt, das Verb verstehen. Offensichtlich ist ihm nicht klar, dass verstehen zwei völlig unterschiedliche Bedeutungen hat. Wenn wir verstehen, warum jemand so handelt, wie er handelt, dann können wir „nachfühlen“, warum er so handelt, wie er handelt, weil wir ähnliche Erfahrungen schon selbst gemacht haben. Hierbei geht es aber nicht darum, dass wir irgendwelche empirisch belastbaren Kausalketten verstehen. Wie der Strom aus erneuerbaren Energien gespeichert werden kann allerdings, müssen wir tatsächlich verstehen, das sind physikalische Eigenschaften. Aussagen diesbezüglich können falsch oder richtig sein. Der „hermeneutische Zirkel“ endet, wenn bewiesen wird, dass die Vorschläge physikalisch nicht funktionieren, bzw. bewiesen wird, dass es physikalisch und kaufmännisch machbar ist.
Wir können jetzt davon ausgehen, dass Gadamer von Physik in etwa soviel Ahnung hat, wie der Autor dieser Zeilen, also gar keine, und sich seine Ausführungen auf die Produkte beziehen, die üblicherweise in den Geisteswissenschaften abgehandelt werden. Hier wäre ihm aber mit mehr Goethe und weniger Platon eher geholfen.
Und so lang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.
Bei „Geisteswissenschaftlern“ ist das manchmal schwierig. Die kommen unter Umständen auf die Idee, dass man stirbt und dann ins Paradies kommt, wo man dann wird. Wir machen jetzt ein bisschen hermeneutischer Zirkel, extra für Gadamer und Co. Die Strophe geht weiter, da wird man Gast auf der ERDE. Der hermeneutische Zirkel hat uns also, da wir spontan den Sinn nicht erfasst haben, gelehrt, dass man schon auf der Erde mal sterben muss, um was zu werden. Wie jetzt Gadamer allerdings den hermeneutischen Zirkel in Gang setzt und was diesen anschubst, ist schleierhaft. Wir sind da eher auf unsere Welterfahrung angewiesen und haben wir diese ausgeschöpft, hat es sich auch ausgezirkelt.
Gemeint ist mit der Strophe, dass wir von der Welterfahrung ausgehen und nicht, wie Gadamer sich das vorstellt, von der Sprache. Sterben ist, da geht Gadamer wohl noch mit, ein ziemlich elementarer Vorgang, aber sterben im physischen Sinne kann nicht gemeint sein, denn nach dem sterben kann er ja noch auf der Erde verweilen. Wir müssen das sterben also deuten. Sterben kann auch bedeuten, dass etwas abstirbt, z.B. Überzeugungen, Gefühle, Glaube etc.. Nach schweren Schicksalschlägen fühlen sich manche Leute z.B. wie ausgestorben. Allgemein: Sterben wird hier offensichtlich verstanden, als ein Prozess, der alle Gewissheiten in Frage stellt. Ganz elementar. Aus diesem Verlust an Gewissheiten ergibt sich dann das werden. Es ist also die konkrete Welterfahrung, die den Schleier der Oberflächlichkeit zerreisst und nicht die Wahrheitssuche mit den Mitteln der Sprache.
Im windes-weben
Im windes-weben
War meine frage
Nur träumerei.
Nur lächeln war
Was du gegeben.
Aus nasser nacht
Ein glanz entfacht –
Nun drängt der mai
Nun muss ich gar
Um dein aug und haar
Alle tage
In sehnen leben
Das war bei Stefan George zwar wohl eher ein Mann, den er da in Windesweben gesehen hat und keine Frau, aber offensichtlich hat die kurze Begegnung eingeschlagen wie eine Bombe. So was kann passieren. Allerdings zirkelt da ohne die konkrete Welterfahrung gar nichts. Unter Umständen findet man für die Welterfahrung einen sprachlichen Ausdruck, unter Umständen kann die Sprache eine Welterfahrung festhalten bevor sie im Orkus des Vergessens versinkt, aber die Sprache kann nichts finden, wenn nichts da ist.
Bei Gadamer finden wir etwas, was diese Gedicht von Rilke addressiert. (Und auch immer wieder in Goethes Faust thematisiert wird: https://theatrum-mundi.de/sprachkritik-in-goethes-faust/)
Wir sind nur Mund. Wer singt das ferne Herz,
das heil inmitten aller Dinge weilt?
Sein großer Schlag ist in uns eingeteilt
in kleine Schläge. Und sein großer Schmerz
ist, wie sein großer Jubel, uns zu groß.
So reißen wir uns immer wieder los
und sind nur Mund. Aber auf einmal bricht
der große Herzschlag heimlich in uns ein,
so daß wir schrein, —
und sind dann Wesen, Wandlung und Gesicht.