Will ein Bundespräsident, also derzeit uns Steinmeier, etwas besonders Tiefsinniges sagen, also z.B. in einer Rede, bei der sich das Goethe Institut als „größtes deutsche Kulturinstitut“ selber feiert, dann kalauert er à la Wittgenstein: Die Grenzen meiner Sprache, bedeuten die Grenzen meiner Welt. Irrtümlich geht er davon davon aus, dass Wittgenstein damit Einzelsprachen meint, also z.B. Französisch, Arabisch, Persisch oder was auch immer. Das wäre also so ein Wilhelm Humboldt Ding. Sprachen sind Ausdruck eines spezifischen „Geistes“ und prägen damit die Sichtweise auf die Welt. Das Thema lassen wir jetzt, die Wahrheit ist schlichter. Sprachen gehören, ähnlich wie Dialekte, in die Liga Stil. Es geht also um die Frage, WIE etwas gesagt wird, nicht aber WAS gesagt wird. Das WIE kann das WAS hierbei unterstützen, an der Perspektive auf die Welt ändert das aber wenig, mal abgesehen davon, dass es die Sprache, also als Einzelsprache, gar nicht gibt, von daher alle Sprachen eine weite Bandbreite an Stilen abdecken. Wittgenstein geht es aber gar nicht um die Einzelsprachen, es geht ihm um Sprache „an sich“. Die Sprache ist also nach Wittgenstein ein Gefängnis, das dem Denken Grenzen setzt. Was sich nicht verbal darstellen lässt, kann auch nicht gedacht werden. Gleiche Liga: Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.
[Vermutlich bezieht sich der Spruch auf einen spezifischeren Kontext und ist eher im Bereich Erkenntnistheorie / Metaphysik angesiedelt. Vermutlich dachte Wittgenstein an solche Zusammenhänge. Richtiger wäre der Satz also so: Die Grenzen meiner Erfahrungsfähigkeit, sind die Grenzen meiner Welt. Bezogen auf die Metaphysik fällt dann Erfahrungsfähigkeit und Sprache zusammen. Wir können z.B. nur den Ontologischen Begriff Sein denken. Nicht-Sein können wir nicht denken. Wo wir aber noch erfahrungsfähig sind, können wir die Sprache erweitern.]
Wie kann man auf so einen Unsinn kommen? Der Unsinn kommt dadurch zustande, dass Denken, und auch jede Art von Bewußtseinszustand, erst dann als Objekt vorliegt, wenn es sinnlich erfahrbar ist. Erst der ausgesprochene, bzw. niedergeschriebene Gedanke ist bewussst. Denken ist also sozusagen immer unbewusst. Bewusst wahrnehmbar wird Denken erst, wenn es objektiv vorliegt, sich also in irgendeiner konkret wahrnehmbaren Handlung äußert, z.B. wenn der Gedanke ausgesprochen wird. Ähnlich verhält es sich mit Bildern und Musik. Bilder und Musik objektivieren einen Bewußtseinszustand, in Bildern und Musik wird ein Bewußtseinzustand objektiviert, bzw. sinnlich wahrnehmbar, aber deshalb wird niemand auf die Idee kommen, zu behaupten, dass in Bildern und Musik „gefühlt“ wird. Wie die Sprache verweisen Bilder und Musik auf etwas, was schon vorher da war. Auf etwas, was nicht da ist, kann man nicht verweisen.
Die Sprache an und für sich macht rein gar nichts. Sie liegt zwar objektiv vor, tut aber von alleine nichts. Die Sprache kann auf dem Schreibtisch liegen und auch abstrakt analysiert werden. Hat man z.B. Wahrigs Deutsches Wörterbuch auf dem Schreibtisch liegen, mit beeindruckenden 150 000 Wörtern und eine wissenschaftliche Grammatik, dann ist die deutsche Sprache umfassend beschrieben. Allerdings werden die zwei Bücher nichts denken und auch wenn man einen Computer damit füttern würden, würden sie nichts denken. Man könnte dann eine unendliche Fülle an Sätzen bilden bzw. von einem Computer generieren lassen, die sowohl semantisch wie auch grammatikalisch korrekt sind, aber durch die vollkommene Abwesenheit von Denken charakterisiert sind. Dieser Satz z.B. ist absolut perfekt, ist aber die maximale Entgrenzung. Was entgrenzteres als die Sprache ist kaum denkbar. Sprache ist sozusagen die maximale Abwesenheit von Denken.
Der essende Fluss schlang sich fromm um die lachenden Bäume und riss in seiner Demut die darin schwimmenden Vögel mit sich gen Himmel.
Der Satz ist grammatikalisch und semantisch vollkommen korrekt allerdings sehen wir, wenn wir nachdenken, sofort ein, dass sich kein realer Kontext DENKEN lässt, der der hier beschiebenen Sitution entspricht. Es ist das Denken, das die Grenze setzt und nicht die Sprache. Wir brauchen auch keine Sprache, um dies zu erkennen. Wir müssen uns nicht klar machen, dass Flüsse nicht essen, sich nicht um Bäume schlängeln und nicht demütig sind. Wir wissen das unmittelbar. Die Sprache als Objekt, also wenn sie auf dem Schreibtischt liegt, hat auch gar keinen Anlass zu denken. Sie tut alleine schlicht gar nichts. Cum grano salis kann man sagen, es ist genau umgekehrt, wie Wittgenstein sich das vorstellt. Das Denken ist die Grenze der Sprache. Überschreitet die Sprache den Raum, der durch das Denken gegeben ist, wird Sprache zum freien phantasieren, wo alles möglich ist. Ohne Denken ist die Sprache sinnfrei.
Die Sinnfreiheit kann im übrigen so groß sein, dass ein Satz agrammatikalisch klingt, obwohl er streng genommen grammatikalisch richtig ist. Der Satz
„Er gab dem Buch den Mann“
ist streng genommen grammatikalisch richtig. In diesem Fall ist der Empfänger das Buch und der Mann wird übergeben. Grammatikalisch ist der Satz richtig, nur gibt es keinen Kontext, wo dieser Satz eine reale Situation beschreibt, was wir übrigens sofort feststellen, wir müssen hierfür nicht das Denken, das uns klar macht, dass der Satz unsinnig ist, objektivieren, das heißt die Feststellung in Worte fassen.