staunen, nicht ärgern

Urteil des Bundesverfassungsgericht zur Überführung der Kreditermächtigung über 60 Milliarden als Reaktion auf die Corona Pandemie in ein Sondervermögen über 60 Milliarden für Investitionen in den Klimaschutz stellt auf Argumente ab, die ökonomisch völlig irrelevant sind

Das Urteil des Bundesverfassungsgericht kann man hier nachlesen: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/bvg23-101.html

Über die Frage, wie hoch die Staatsverschuldung sein darf, kann man jetzt natürlich streiten und die Frage ist auch unter Ökonomen strittig. Die meisten Argumente sind nicht besonders stichhaltig. Die Argumentation z.B. dass eine hohe Verschuldung zukünftige Generationen belaste, ist so pauschal erstmal völliger Blödsinn. Es kommt darauf an, was mit der Knete gemacht wurde. Wurde das Geld rein konsumtiv verwendet, etwa für Sozialausgaben dann erben die zukünftigen Generationen lediglich Schulden, aber kein Vermögen. Wurde es in Infrastruktur investiert, Brücken, Bahngleise, Krankenäuser, Universitäten etc. etc. etc. dann erben die zukünftigen Generationen eben nicht nur Schulden, sondern auch Vermögen und wurde ein Teil der Schulden abgetragen, erben sie sogar mehr Vermögen als Schulden. Es gibt niemanden, der ein Erbe über 1 Million ablehnen würde wenn es mit 1/2 Million Schulden belastet ist.

Investive Staatsausgaben hätten nebenbei den Vorteil, dass man, so das Bildungssystem ausreichen flexibel ist und eine Anpassung an die Anforderungen des Marktes rasch gelingt, sich konsumtive Staatsausgaben, also z.B. Sozialausgaben, sich verringern, weil die Leute einen Job haben.

Im übrigen ist kann man bestenfalls davon sprechen, dass ein TEIL der zukünftigen Generation belastetet wird. In letzter Konsequenz verschuldet sich der Staat bei Leuten, die ihr Geld in Bundesanleihen, Bundeschatzbriefe oder was auch immer anlegen konnte. Dieser Teilt erbt erst mal diese Wertpapiere und ein anderer Teil zahlt die hierauf entfallende Dividende. Unter Verteilungsaspekten kann man das Thema diskutieren, die sich aber durch eine entsprechende Steuerpolitik nivellieren lassen.

Ein bisschen pfiffiger, aber auch nicht wirklich überzeugend, ist der sogenannte crowding out Effekt. Bei einer hohen Staatsverschuldung und einer unabhängigen Zentralbank, steigen tendenziell die Zinsen, wodurch private Investitionen rausgekickt werden, da die Zentralbanken unter Umständen, wenn sie eine Überhitzung der Wirtschaft befürchten, also eine Situation, bei der die Produktivität der Volkwirtschaft überfordert wird, Inflation fürchtet und folglich qua Zins einen Teil der Nachfrage unterdrücken. Bei einer durchschnittlichen Auslastung der Industrie von 80 Prozent ist das aber kein besonders realistisches Szenario. Selbst eine historisch wirklich einmalige Ausdehnung der Nachfrage quasi „über Nacht“ wie die nach dem Mauerfall 1989 führt nur ganz kurzfristig zu einer negativen Leistungsbilanz und zu einer leichten Inflation. Danach ging es weiter wie gehabt. Die Republik war wieder Exportweltmeister und die EZB versuchte verzweifelt über eine Null Zins Politik eine Inflation von 2 Prozent herbeizuzaubern. Dass sie jetzt auf einen externen Schock, mit einer Zinserhöhung reagiert mit dem pauschal alle Bereiche der Wirtschaft abrasiert werden, ist ein ganz anderes Thema und hat mit der Staatsverschuldung nichts zu tun.

Allerdings hätte man die 60 Milliarden die in den Klima und Transformationsfond hätten fließen sollen gut dafür verwenden können, eben jenen externen Schock, also die drastische Verteuerung der Energiekosten durch den Angriff Russlands auf die Ukraine, abfedern können, indem man die Wirtschaft durch e-Mobilität, Ausbau erneuerbarer Energien, energetische Häusersanierung, etc. gefördert hätte. Wenn private Anleger mit der Komplexität der Märkte überfordert sind, siehe https://theatrum-mundi.de/geraet-die-marktwirtschaftliche-ordnung-an-ihre-grenzen/, dann bleibt letztlich nur noch der Staat, der den nötigen Paradigmenwechsel in Gang setzen kann. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass Länder wie China, die qua ordine mufti die Resourcen in strategisch entscheidende Bereiche lenken, überlegen sind.

Aus rein ökonomischer Sicht, und die ökonomische Sicht ist die einzige die letztlich interessiert und gesamtwirtschaftlich relevant ist, ist diese: Sind die Investitionen in erneuerbare Energien, Wind / Solar / Wasser / Wasserstoff, in e-Mobilität, in energetische Häusersanierung, Verlegung von Stromtrassen nachhaltig oder nicht, was wiederum die Frage nach den technischen, organisatorischen Voraussetzungen und der Verfügbarkeit von Fachkräften und der politischen Umsetzbarkeit aufwirft. Alles Faktoren, die sich im Zeitablauf nochmal dramatisch ändern können. Zu Deutsch: Man bräuchte einen konkreten Kostenvergleich zweier Szenarien für einen Zeitraum von zum Beispiel 20 Jahren. Einmal ohne diese Investitionen und einmal mit diesen Investionen. Aber selbst wenn dieser Vergleich gegen die Zuweisung der 60 Milliarden in den Energie- und Klimafonds spricht, ist das Ergebnis noch nicht eindeutig, weil a) die Verpflichtigungen aus dem Klimaabkommen einzuhalten sind, auch wenn das nicht profitabel ist, b) spill over effects in der technologischen Entwicklung und in der Spezialisierung von Fachkräften in strategisch relevanten Bereichen vernachlässigt werden, c) die Gefahr besteht, dass Personal, das über die nötige Qualifikation verfügt um diese strategisch relevanten Ziele zu erreichen diese verliert und d) weil die Abhängigkeit Deutschlands von fossilen Brennstoffen den politischen Handlungsspielraum einengen.

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