staunen, nicht ärgern

Makroökonomie / Mikroökonomie und die Demokratie

Die Details sind jetzt aber gar nicht unser Thema. Unser Thema ist die Kernaussage der Mikroökonomie: Einzelnutzen und gesamtwirtschaftlicher Nutzen sind deckungsgleich und das stimmt eben so nicht wirklich. Sparen z.B. macht einzelwirtschaftlich Sinn. Wer spart und jeden Euro, den er irgendwie entbehren kann, zur Seite legt, hat nach dreißig Jahren ganz definitiv mehr Knete auf dem Konto, also der Halodri, der es sich gut gehen lässt. Sparen aber alle, dann haben die Geizkragen am Schluss gar kein Einkommen mehr, von dem sie einen Teil ansparen können. Die Reisebüros machen zu, die Konditoreien machen zu, die Kneipen sowieso und in den Innenstädten ist tote Hose, dafür braucht man nicht mal Amazon. Und selbst wenn die Geizkragen nach dreißig Jahren richtig Schotter haben, ist nicht mal gesagt, dass wir in der heilen Welt der klassischen Nationalökonomie landen, denn ob die das Geld sinnvoll in Realinvestitionen anlegen können, steht in den Sternen, siehe https://theatrum-mundi.de/geraet-die-marktwirtschaftliche-ordnung-an-ihre-grenzen/. (Da geht es zwar um die Superreichen, aber die Problematik ist die gleiche.)

Das Problem ist, in Kürze das: Zur Maximierung des Gesamtnutzens müsste also der einzelne konkret verzichten, ohne dass er als Individuum von der Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Situation irgendwas hat. Der Geizhals müsste sich also überwinden und seine Knete ausgeben. Das wäre zwar gesamtwirtschaftlich sinnvoll, nur entspricht dies überhaupt nicht seinen Zielen. Die Leute, die sinnfrei Goldbarren einkaufen in der Hoffnung, dass andere Leute das gleichermaßen sinnfrei auch tun, dann funktioniert das Spiel eine zeitlang und den letzten beißen die Hunde, haben keine Alternative. Für sinnvolle Realinvestitionen fehlt ihnen das Wissen. In diesem Fall schlägt nicht nur Mikro Makro, sondern Makro ist gar nicht möglich.

Weiten wir jetzt die Problematik aus auf andere Politikfelder, stoßen wir immer wieder auf die gleiche Problematik. Abstrakt sind alle Leute für das Wahre, Schöne und Gute. Wenn es allerdings konkret wird, sind die Leute eher mikroökonomisch drauf. Abstrakt ist Lula da Silva für die Erhaltung der Regenwälder des Amazonas. Wird es aber konkret, etwa bei den Verhandlungen über ein Abkommen zwischen Mercosur und der EU, dann verbittet er sich jeden Zusatz, der Brasilien zur Erhaltung des Amazonas verpflichtet, ist also gar nicht so weit entfernt von der Politik des viel gescholtenen Bolsonaro. Lula da Silva kann jetzt natürlich Robin Hood spielen und den Regenwald schützen, was die Möglichkeiten der brasilianischen Soya Anbauer und Rinderzüchter deutlich einschränken würde, zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde und seine Chancen wiedergewählt zu werden eher verringert, denn auch dem brasialianischen Volk ist es reichlich egal, ob Kalifornien wegen dem Klimawandel abgefackelt wird, in Brandenburg der Grundwasserpiegel sinkt und ein Drittel von Pakistan aufgrund des Klimawandels geflutet wird. Mikro ist immer sehr konkret und Makro immer ziemlich abstrakt und zwar so abstrakt, dass die Zusammenhänge oftmals nicht mal verstanden werden. Die Immobilienpreise explodierten in den letzten Jahren, weil die EZB den Markt mit Geld geflutet hat. In dieser Situation ist es schlicht unmöglich, den Leuten, die sich an dem Spiel beteiligen, zu erklären, dass der Kauf => Verkauf => Kauf => Verkauf von BESTANDSIMMOBILIEN gesamtwirtschaftlich völlig sinnlos ist. Denn mikroökonomisch macht das erstmal Sinn. Gleichermaßen sinnlos ist die Spekulation mit Gold, Rohstoffen, Aktien und Wertpapieren aller Art. Einen realen Impact hat der Kauf von Aktien nur beim IPO, initial point of offfering, dann fließt dem emittierenden Unternehmen tatsächlich Geld zu, danach werden lediglich Papierberge umgewälzt. Langfristig allerdings schlägt Makro immer Mikro. Dass die Immobilienplase platzt ist nicht sicher, aber das Spiel wird riskanter. Zwar schmelzen die Bankschulden der Häuslekäufer, was was ganz anderes ist wie Häuslebauer, mit der Inflation dahin wie Butter in der Sonne, ziehen aber die Löhne nicht mit, wird es trotzdem schwieriger, sie zu bedienen und ist der Zins nicht über die gesamte Laufzeit des Kredites gesichert, dann kann es zu bösen Überraschungen kommen. Und selbst wenn die Häuslebauer aus der Geschichte wohlbehalten rauskommen, wird es schwierig für die Banken, denn die haben dann nicht mehr harte Euros in den Büchern stehen, sondern Papier. Die Immobilienblase hat also, egal wie man es dreht und wendet, nur das Risiko vergrößert, der gesamtwirtschaftliche Nutzen war Null, bzw. negativ, weil es zusätzlich noch zu einer Erhöhung der Mieten kam, die die Leute in einer Rezession nicht mehr werden bezahlen können. Schick wäre es gewesen, die Niedrigzinspolitik für Realinvestitionen zu nutzen.

Mikro schlägt kurzfristig auch Makro bei der Leistungsbilanz. Da allerdingns, weil die Leute nicht eins und eins zusammenzählen können. Alljährich wird der Leistungsbilanzüberschuss gefeiert auf allen Kanälen. Die Exportweltmeister freuen sich, wenn ein Teil des Kuchens, den sie produzieren, von anderen Leuten verfrühstückt wird. Dem Leistungsbilanzüberschuss steht ein Kapitalimport entgegen, der landet aber nicht bei Edeka, Tui und Volkswagen, sondern an der Börse und obendrein wird die Republik immer abhängiger von Staaten wie China, die man nicht mögen muss. Kommt es zu einem Konflikt zwischen den USA und China, wird die USA auf Sanktionen pochen und dann haben wir ein massives strukturelles Problem. Anstatt wunderhübsche High Tech Hochhäuser, die man BAUT, wo die Leute ordentlich und zu erträglichen Mieten wohnen können, haben wir Industrieanlagen in China, die dann aber dicht gemacht werden müssen. Mikro ist manchmal eine richtig riskante Angelegenheit, was allerdings erstmal keine Sau interessiert. Kracht es dann, hat nur noch die AFD den ultimativen Erlärungsansatz. Die Immigration aus dem arabischen, türkischen Raum ist Schuld. An allem.

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