(1) Die Suada geht so. Niedrige Zinsen führen zu einer Ausdehnung der Gelmenge und eine Ausdehnung der Geldmenge, führt zu mehr Nachfrage, die aber durch die Produktivität nicht mehr gedeckt ist, so dass wir Inflation bekommen. Der Mechanismus soll also so sein, wie bei einer Versteigerung. Wollen viele Leute das Ding, das da versteigert wird haben, dann treibt das den Preis hoch.
(2) Weiter wird argumentiert, was oberflächlich betrachtet zutreffend ist, dass niedrige Zinsen Blasen auf dem Immobilienmarkt, den Märkten für Wertpapiere, Gold und ähnliches befeuern. Nicht besonders schwierig nachzuvollziehen die Logik. Zahlt jemand 1 Prozent Zinsen für ein Darlehen, ist er bereit ein wesentlich höheres Darlehen aufzunehmen, also wenn er 5 Prozent Zinsen bezahlt. Kann er z.B. 6000 Euro im Jahr entbehren, kann er sich bei einem Prozentsatz von 1 Prozent ein Darlehen von 600 000 Euro leisten, bei 5 Prozent sind es nur noch 120000 Euro. So weit so simpel.
(3) An niedrigen Zinsen gibt es noch Kritik von den Radikalinskis aus der Hayek Ecke. Nach Hayek sorgen niedrige Zinsen dafür, dass Zoombie Unternehmen am Leben erhalten werden, also Unternehmen, die Konkurs anmelden müssten, wenn die Zinssätze „normal“ wären.
(4) Verbittert und erbost sind dann noch alle die Leute, die Geld auf den Sparkonten haben, aber bei niedrig Zinsen nichts dafür bekommen.
Diesen und anderen Mythen über niedrige Zinsen liegt eine Vorstellung Wirtschaft zugrunde, die intuitiv einleuchtend, aber objektiv kompletter Schwachsinn ist.
Fangen wir mal mit (1) an. Niedrige Zinsen sorgen für eine Ausdehnung der Geldmenge und diese Ausdehnung der Geldmenge sorgt für eine Ausdehnung der Nachfrage. Können die Leute für ein Prozent Geld ausleihen, wird das den keditfinanzierten Konsum steigern. Das führt IN DER LOGIK DER KLASSIK zur Inflation, weil diese zusätzliche Nachfrage nicht befriedigt werden kann. Allerdings leben wir nicht mehr im 18/19 Jahrhundert und die Zeiten des seligen Adam Smith haben wir schon hinter uns gelassen. Wir leben in einer Zeit, mit enormen Produktionskapazitäten, die, entsprechende Intelligenz und Dynamik vorausgesetzt, sich an eine Ausdehnung der Nachfrage sehr schnell anpassen kann. Inflation ist also kein Problem einer Nachfrage, die die Produktivität übersteigt, sondern ein Zeichen mangelnder Dynamik und Flexibilität. Wenn in dieser unserer Republik so allmählich Mangel an allem herrscht, Lehrermangel, Mangel an medizinischem Personal, Mangel an Fachkräften für Gewerke auf dem Bau, Mangel an Brummy Fahrern, Mangel an Informatikern, Mangel an Gas-, Wasser- Heizungsintallateuren, etc. etc. etc.. dann ist kein Problem einer durch die Geldmenge nicht mehr gedeckten Nachfrage, sondern ein Problem, wie man den Laden organisiert. Die Handlungsoptionen sind Legion. Bei Lehrern könnte z.B. auch Leute einstellen, die nur ein Fach studiert haben. 1 Lehrer der 100 Prozent Mathe unterrichtet und ein anderer, der 100 Prozent Physik unterrichtet, unterrichten genau so viel, wie wenn 2 Lehrer 50 Prozent Mathe und 50 Prozent Physik unterrichtet. Medizinisches Personal rückt MASSENHAFT aus der ganzen Welt an. Es klemmt an den Deutschkenntnissen, also an B2. Da muss man halt drei Monate Intensivkurs dranhängen, dann ist der Drops gelutscht. Ein Gas-, Wassser- und Heizungsinstallateur kriegt nach einem Jahr Weiterbildung auch eine Wärmepumpe an den Start. Da muss sich halt die Handwerkskammer mal ein bisschen engagieren. Dass ein Fachkräftemangel auf dem Bau besteht, würde der Autor dieser Zeilen glatt bestreiten. Selbst in der Hochzeit der Bautätigkeit, also nach der Wende, rückten aus allen Ecken Europas Bauunternehmen an, die sich für irgendwelche Gewerke bewarben. Damals hat der Autor auf dem Bau übersetzt. Cum grano salis: Inflation ist NIE ein Zeichen einer die Produktivität überforderten Nachfrage, sondern in modernen Volkswirtschaften ein Zeichen mangelnder Dynamik und geringer Flexibilität.
Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Vor kurzem hatten wir noch die ultimative Schockmeldung: Inflation auf dem Markt für Fahrräder. Richtig ist, dass wenn mehr Fahrräder gekauft werden, aber die Produktion nicht ausgedehnt wird, es zu Preissteigerungen auf diesem Markt kommt. Hier wäre die Lösung der Anhänger von Adam Smith eine Anhebung der Zinsen, so dass der Kauf von Fahrrädern über Ratenzahlung unterbleibt. Der Autor würde sagen, man produziert einfach mehr Fahrräder, was dann auch tatsächlich passiert ist und bei scharfem Wettbewerb auch erwartbar war. Inflation ist immer ein strukturelles Problem. Dann macht es aber mehr Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, wie man mehr Dynamik und Flexibilitätä in das System bringt, anstatt den Zins zu erhöhen. Naheliegenderweise kann man auch in einer komplett inflexiblen Wirtschaft, einer Wirtschaft, die nicht mal genug Güter des täglichen Bedarf produziert, über eine hohen Zins Inflation verhindern. Intelligenter wäre aber der umgekehrte Weg: Qua Weiterbildung und Abbau von bürokratischen Hemmnissen für mehr Dynamik und Flexibilität zu sorgen. Über den Zinssatz lässt sich jede Wirtschaft komplett abwürgen und die Inflation ist dann bombensicher Null. Nur Sinn, macht das leider gar keinen.