staunen, nicht ärgern

Makroökonomie / Mikroökonomie und die Demokratie

Also die Suada geht so und wird weltweit auch so gelehrt. In der Mikroökonomie herrscht der Homo Oeconomicus. Das ist vordergründig zwar ein Fiesling, nur auf seinen Vorteil bedacht, aber in der Welt der Mikroökonomie macht das nichts, weil Einzelinteresse und gesamtgesellschaftliches Interesse deckungsgleich sind. Der homo oeconicus setzt seine Resourcen da ein, wo sie am meisten Profit abwerfen, bzw. setzt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel optimal ein. Stellt der berühmte Bäcker von Adam Smith z.B. fest, dass er seine Brötchen, Bretzeln und Torten billiger backen kann, wenn er sich einen neuen, energieffizienteren Ofen kauft, dann tut er das. Er kann seine Brötchen dann billiger anbieten, die Konkurrenz in 200 Meter Entfernung geht pleite oder kauft sich auch einen energieffizienteren Ofen. Andere Möglichkeit: Gebäck aller Art wird aus tiefgekühlten Teiglingen, die industriel gefertigt werden, hergestellt und dann vor Ort aufgebacken. So hat dann jeder Späti in Berlin mit Kaffetheke auch Croissants im Angebot. Davon profitieren alle, bis auf die Bäcker eben, die Croissant handwerklich herstellen, was sie aber ohnehin nicht getan haben. So weit so gut. Wir kriegen alle unsere Brötchen billiger und obendrein noch überall Croissants. (Über den Umweg gibt es jetzt sogar Bretzeln in Berlin. Da sind Teiglinge. Das nagt zwar am Stolz der schwäbischen Bäcker, aber das macht nichts. Als der Autor dieser Zeilen zum ersten Mal in Münster war, hat er festgestellt, dass es dort keine Bretzeln gibt. Das war schrecklich. Jetzt gibt es die überall.)

Bei extremer Ungleichheit könnte es, das ist allerdings theoretisch, passieren, dass das gesamte Angebot in Richtung Luxuswaren geht, weil da mehr Cash verdient wird mit dem Ergebnis, dass für die Güter des täglichen Bedarfs keine Produktionsmittel mehr zur Verfügung stehen. Allerdings eine lediglich theoretische Möglichkeit. Tatsächlich sind in der Regel die Kapazitäten so, dass man beides in Hülle und Fülle produzieren kann, also ein trade off zwischen der Produktion von Yachten oder bezahlbaren Wohnungen existiert nicht, das mit dem Fachkräftemangel ist schlicht Quark. Der Autor hat mal auf dem Bau übersetzt, für italienische Firmen, und da kam TÄGLICH irgendeine Firma an, die irgendein Gewerke übernommen wollte. Fachkräftemangel gibt es eigentlich nur, wenn die Fachkraft deutschen oder artverwandten Blutes sein muss bis in die fünfte Generation rückwärts. Aber selbst für den theoretischen Fall hat die Mikroökonomie eine Lösung. Die Wohlfahrtsökonomie beweist uns über sechs Ecken mit viel mathematischem Tohuwabohu, dass der Gesamtnutzen der Gesellschaft genauso hoch ist, wenn ein Milliardär ein schicke Yacht hat für 200 Millionen und 400 Leute unter der Brücke schlafen, als wenn 400 Leute eine Wohnung haben und der Milliardär halt keine Yacht. Streng wissenschaftlich das alles. (Zumindest solange die 400 Obdachlosen den Milliardär nicht am nächsten Baum aufknöpfen, das ist in der Geschichte hin und wieder passiert. Diese ganzen Obdachlosen haben einfach keine Ahnung von Wohlfahrtsökonomie. So was muss man ein Semester lang studieren. Dann weiß man, dass rechts eigentlich links ist und links eigentlich rechts.)

Weiter haben wir in der perfekten Welt der Mikroökonomie eine dezentrale Allokation der Resourcen über den Preis und dieses Argument wiegt schwer. Wird uns z.B. durch Kriege bewusst, dass wir ziemlich abhängig sind von Chaoten und die uns erpressen können, solange wir an deren Öl- bzw. Gashahn hängen, es also keine Garantie gibt, dass uns die Chaoten in der Zukunft den Schnapshahn abdrehen und es extrem teuer werden kann mit Gas- bzw. Öl zu heizen, werden an Tausend Stellen Alternativen gesucht und ganze Sektoren umstrukturiert. In diesem Beispiel initialisiert die Politik die Umstrukturierung, aber ähnliche Prozesse fanden immer schon statt. Das Charmante an der dezentralen Koordination über den Preis ist, dass es niemanden geben muss, der kontrolliert. Das System kontrolliert sich selber. Das ist zwar nicht, wie uns Lindner sich das vorstellt, das Reich der Freiheit, sondern das exakte Gegenteil, siehe https://theatrum-mundi.de/marktwirtschaft-maximale-kontrolle-oder-maximale-freiheit/, aber so verkauft sich das besser. Wer will schon gerne hören, dass wir in einem System leben, wo sich alle nach der Decke strecken müssen? Capitalism and Freedom heißt das Machwerk von Milton Friedmann. Ging weg wie geschnitten Brot das Teil.

Von den Marktwirtschaftlern gibt es dann noch die Hardcore Variante, das ist David Ricardo. Der meint, dass die Arbeiter gerade noch so das Existenzminimum zu bezahlen den gesamtwirtschaftlichen Nutzen maximiert. Dann machen die anderen ordentlich Gewinne, habe Kapital, können die Produktionskapazitäten ausbauen und mehr produzieren. Allerdings nur Louis Vuitton Klamotten, Bentleys, Yachten, Villen, Rolex Uhren und so Krimskrams, den bei den anderen reicht es gerade noch für Brot und ab und an Speck mit Bohnen, damit kann man kein Geld verdienen. Holzpantinen schnitzen die sich nach Feierabend, die Zeit, die sie dafür brauchen, läuft unter der Kategorie „Reproduktion der Arbeitskraft“, wie Marx das nennt. (Der im übrigen so was von Ricardianer war, wie man nur Ricardianer sein kann und hat auch das gleiche Problem wie David Ricardo. Der verwechselt auch Kapital und Geld. Aber egal, interessiert uns gerade nicht.)

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