staunen, nicht ärgern

Liegt der Deklination eine andere Wahrnehmung zugrunde als die Bestimmung der Funktion eines Objektes mihilft von Präpositionen?

Was allerdings dann stattgefunden hat, ist kurios. Die räumlichen Verhältnisse wurden auf andere Verhältnisse, z.B. zeitliche und metaphorische, übertragen, obwohl zwischen räumlichen und metaphorischen Verhältnissen rein logisch gesehen überhaupt keine Verbindung besteht. Die Übertragung von räumlichen Verhältnissen auf zeitliche und metaphorische Verhältnisse ist aber für das menschliche Gehirn derart suggestiv, dass man sich erstmal klar machen muss, dass keine Beziehung besteht.

räumlich: Er steht vor der Tür.
zeilich: Er kommt vor neun Uhr.
metaphorisch: Hochmut kommt vor dem Fall.

(Das grundsätzliche Schema ist in allen Sprachen dasselbe, also räumliche Verhältnisse werden auf zeitliche und methophorische Verhältnisse übertragen. Von Fall zu Fall kann es Abweichungen geben. Manchmal ist die zeitliche Präposition von der räumlichen nur abgeleitet, vor z.B. im Spanischen delante / antes, im Französischen devant / avant.)

Zwischen einer räumlichen Beziehung und einer zeitlichen Beziehung besteht überhaupt kein Zusammenhang und noch weniger besteht ein Zusammenhang zwischen einer räumlichen Beziehung und einer hierarchischen Beziehung.

Das Buch liegt unter dem Tisch.
Unter seiner Herrschaft blühten die Künste.

Zwar blühten in wohl allen Sprachen dieser Welt die Künste unter seiner Herrschaft, was aber mit Sicherheit nicht damit zusammenhängt, dass die Untertanen im Keller wohnten.

Ist allerdings eine Bewegung involviert, gibt es eine Verbindung zwischen Raum und Zeit. Nach und hinter beschreiben beide räumliche Beziehungen, allerdings haben wir bei nach eine Bewegung.

Nach (nicht hinter) der Kreuzung muss man rechts abbiegen.
Hinter (nicht nach) dem Haus ist ein Garten.

Zwischen hinter und nach unterscheiden viele Sprachen: Spanisch detrás / depués, Französisch derrière / après, Englisch behind / after etc..

Wenn wir aber in allen Sprachen ähnliche Entwicklungen sehen, jenseits dessen, was sachlogisch notwendig ist, in diesem Fall hätten wir ja eine Situation, bei der es keine Alternativen gibt, dann müssen wir davon ausgehen, dass Sprachen durch die Art, wie das menschliche Gehirn die außersprachliche Wirklichkeit darstellen will, in allen Sprachen die gleiche ist, denn andernfalls ließe sich nicht erklären, wieso alle Sprachen ähnliche Entwicklungen haben. (Woraus wir wiederum schließen können, dass die Annahme Chomskys, dass Grammatik quasi vererbt wird, nicht ganz falsch ist.)

Der Einwand, der gegen diese These gemacht werden kann, ist naheliegend. Die meisten Sprachen, Deutsch, Russisch, Arabisch, Finnisch,etc. klären die Verhältnisse der Objekte zueinander eben nicht über Präpositionen, sondern über eine Flektion. Theoretisch kann man natürlich alle Präpositionen durch eine Flexion ersetzen und in anderen Sprachen gibt es ja auch alles mögliche, Ablativ, Instrumentalis, Lokativ etc… (Genau: Wem das Schicksal Latein beschert hat, der kennt das: a und ab und ex und e, cum und sine pro und prae. Im Finnischen wird das alles noch getoppt. Da gibt es 15 Fälle.)

Anstatt

„Er hat die Suppe mit dem Löffel gegessen“ ginge auch „Er hat die Suppe Löffelam gegessen“. Das Suffix -am ist dann der vom Autor dieser Zeilen gerade eingeführte Instrumentalis. Das ändert aber wenig an dem Grundtatbestand. Auch Deutsche, die nie gelernt haben, die Verhältnisse der Objekte zueinander über eine Präposition zu klären, verstehen diesen Satz.

Das ist die Schwester von mein Mutter zu die ich gestern ein Auto geschenkt habe.

Auffallend ist hier, dass die Präposition zu die naheliegendste ist, wahrscheinlich weil das Moment der Bewegung eine Rolle spielt.

„Das ist die Schwester von mein Mutter an die ich gestern ein Auto geschenkt habe“, ist weit weniger suggestiv.

 

Es ist aber nicht so, dass die einen Sprache die Verhältnisse über eine Flexion klären und die anderen über Präpositionen, denn in allen Sprachen werden Personalpronomen, also die, die nichts weiter tun, als etwas zu referenzieren, flektiert: Ich, mich, mir, du, dich, dir etc..

Hinsichtlich der Frage, welche Präpositionen verwendet werden, haben wir ein relativ stabiles Bild. Der Genitiv wird in allen Sprachen, wenn nicht über eine Flexion, mit von (de, di, of etc.) gebildet, der Dativ mit zu (a, à, to etc.) Der Bezug zur räumlichen Darstellung, wohl der ursprüngliche Zweck von Präpositionen ist nur beim Dativ vorhanden. Mit von ist allerdings eine Präposition verwendet, die uns auch in anderen Zusammenhängen begegnet, die mit einem Genitivus Possesivus, Vaters Haus, nicht zu tun haben, z.B. er weiß es von ihm, so dass die ursprüngliche These, mehr oder weniger aufrecht erhalten werden kann.

Präpositionen beschreiben Verhältnisse, z.B. räumliche, und diese Verhältnisse rutschen dann in eine andere Ebene und beschreiben einen ganz anderen Typ von Verhältnissen, wobei, und dass ist dann das Entscheidende, dies in allen Sprachen in der gleichen Art und Weise passiert.

Wobei man konzedieren muss, dass der Trick nicht immer funktioniert. Das über in „Wir wissen nichts über ihn“ wird im Spanischen und Französischen mit sobre, sur übersetzt, also mit über wie bei der Lampe, die über dem Tisch hängt. Im Englischen allerdings mit about. Wenn also die semantische Motivierung beim shift von einem Bezugsverhältnis zum anderen sehr gering ist, dann funktioniert der Trick nicht mehr.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert