staunen, nicht ärgern

Gadamer und der Schwachsinn mit der Hermeneutik

Ce voyageur ailé, comme il est gauche et veule !
Lui, naguère si beau, qu’il est comique et laid !
L’un agace son bec avec un brûle-gueule,
L’autre mime, en boitant, l’infirme qui volait !

Le Poète est semblable au prince des nuées
Qui hante la tempête et se rit de l’archer ;
Exilé sur le sol au milieu des huées,
Ses ailes de géant l’empêchent de marcher.

(vertont ist das hier mit einer Sprecherin von Radio France: https://www.franzoesisch-lehrbuch.de/literatur/baudelaire/baudelaire_albatros.htm)

Übersetzung des Autors

Oft, nur zum Vergnügen, fangen die Männer
der Mannschaft die Albatrosse, große
Vögel des Meeres die als träge
Kameraden dem Schiff folgen dass durch
die bitteren Abgründe gleitet

Kaum haben sie sie auf die Planken gesetzt lassen
diese Könige des blauen Himmels, ungeschickt
und verschämt wie Ruder seitwärts
ihre großen, weißen Flügel hängen

dieser beflügelte Reisende, wie linkisch
ist er, wie schwach der, gerade noch so
schön, wie komisch jetzt und häßlich
der eine reizt mit einer Pfeife seinen
Schnabel ein anderer ahmt ihn, der einst
flog und nun gebrechlich ist, hinkend nach

der Dichter ähnelt diesem Prinz der Wolken
der dem Sturme trotzt und den Bogenschützen
verlacht ausgesetzt auf dem Boden inmitten
des Spotts hindern ihn seine mächtige Schwingen zu gehen

(die spanische Version haben wir mal musikalisch umsetzen lassen: https://www.spanisch-lehrbuch.de/uebungen/level3_hoerverstaendnis/musik/miroslava_cristina/0008_miroslava_cristina.htm)

Der Albatros ist so lange schön, elegant, segelt solange erhaben durch die Lüfte, wie er in seinem Element ist. Holen ihn die Matrosen vom Himmel, ist er plump und hässlich. Den Albatros vergleicht Baudelaire mit dem Dichter, der außerhalb der Welt steht, ihre Hoffnungen und ihre Leiden nicht teilt und wenig vertraut ist mit Winkelzügen. Allerdings, und das ist jetzt der springende Punkt, ginge das nur dem Dichter so, hätte das Gedicht keinen Adressaten, was ja offensichtlich nicht der Fall ist, denn das Teil ist weltberühmt. Gleiches trifft zu auf jede Art von ästhetischem Empfinden. Wir wissen zwar nicht, was das ist, aber ganz offensichtlich kommt bei den Empfängern ungefähr das an, was der Autor abgeschickt hat, andernfalls gäbe es keine Publikum. Was aber ankommt, muss nicht nur eine Bedeutung haben, Bedeutung ist beliebig, es muss vor allem Bedeutsam sein. Ist etwas bedeutsam, brauchen wir nicht länger in hermeneutischen Zirkeln zirkeln. Zirkeln wir aber endlos in hermeneutischen Zirkeln, ohne dass etwas eine Bedeutung hat, dann drehen wir uns schlicht im Kreis.

8) Was Geisteswissenschaftlern vorschwebt und das ideal ist, ist chatGPT. Der produziert zu jeder x-beliebigen Frage dieser Welt einen Text. Der bedeutet auch was, manchmal ist es sogar inhaltlich richtig, aber für das Teil hat nichts Bedeutsamkeit. Stellen die Geisteswissenschaften auf Bedeutung ab, bleiben also in der Welt von falsch oder richtig, wird chatGPT sie bald arbeitslos machen. Das Teil wird in ein paar Jahren zu jedem x-beliebigen Thema einen Text produzieren. Eine ganz andere Nummer ist es, etwas bedeutsam zu machen. Das kann chatGPT nicht. Für ihn trifft zu, was schon im Faust steht.

wenn du es nicht erfühlst
so wirst du’s nicht erjagen

ChatGPT erfühlt schlicht gar nichts. Der produziert Texte. In der Romanistik wird neuerdings auch gar nicht mehr von Autor gesprochen, sondern von Textproduzenten und von Intertextualität, das heißt der eine ist vom anderen inspiriert und untersucht wird dann, wie Virginia Woolf das nennt im Roman To the lighthouse der Einfluss von x auf y. Kann man ewig machen mit beliebigen Textproduzenten. Bedeutsam ist das aber nicht. Also wenn die Geisteswissenschaften chatGPT als Vorbild haben, macht es ökonomisch Sinn, die abzuschaffen und das Geld in solargetriebene Wasserentsalzungsanlagen zu stecken.

9) Last not least. Mit ein bisschen mehr Offenheit, hätte er auch begreifen können, dass man nicht die Lehrstühle von Professoren mit jüdischem Hintergrund haben, die aufgrund des nationalsozialistischen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufbeamtentums entlassen worden sind. Da wollte wohl jemand mit viel Platon verbeamteter Geistlicher werden.

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