staunen, nicht ärgern

Die offene Gesellschaft und ihre Romantik

Die Wahrheit ist, dass eine Regierung, die damit rechnen muss, nach vier oder fünf Jahren abgewählt zu werden, immer gut daran tut, sich zivilisiert zu benehmen, denn die nächste Regierung, kann sie für ihre Untaten zur Rechenschaft ziehen. Das erklärt, warum die Putins, Lukaschenkos, Gaddhafis, Kim Jon Uns etc. an ihrem Stuhl kleben und mit einem friedlichen Übergang nicht zu rechnen ist, wenn man nicht, wie im Falle von Pinochet, Straffreiheit zusichert. Was Demokratien in der Spur hält, ist weniger der Glaube an das Gute im Menschen, mehr ist das Brimborium mit der offenen Gesellschaft ja nicht, als der ziemlich eindeutige Wink mit dem Zaunpfahl. Diese Reduktion der Komplexität hat den Vorteil, dass sie leicht verständlich ist. Die Bevölkerung in jungen Demokratien davon zu überzeugen, dass der Gang der Geschichte unbekannt ist und man folglich für neues offen sein muss, dürfte ziemlich schwierig sein, noch schwieriger, wenn diese Gesellschaften stark religiös geprägt sind. Bei Religionen ist der Gang der Dinge nämlich derart fest in Stein gemeiselt, dagegen ist Carlos Murks geradezu der Denker der Freiheit, der noch die letzten sich vage und schimmernd am Horizont sich abzeichnenden Utopien in den Blick nimmt. Das Prinzip Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser kapieren aber alle.

Die These, dass eine offene Gesellschaft einen lernende Gesellschaft ist, darauf läuft es ja letztlich hinaus klingt erstmal sympathisch und ist teilweise sogar richtig. Dass sich z.B. eine Wirtschaft zentral steuern lässt und durch diese zentrale Steuerung aus x-Alternativen die beste gefunden wird, glaubt heute niemand mehr. Es ist weitgehend Konsens, von dem Spezialfall China sehen wir jetzt einfach mal ab, dass die Marktwirtschaft mehr Alternativen hervorbringt und sich im Wettbewerb zeigt, welches die beste ist. Die Details lassen wir jetzt weg. Wer sich dafür interessiert, sei auf die www.economics-reloaded.de verwiesen.

Das Problem dabei ist, die Idee hohe Anforderungen an die Entscheidungsfähigkeit der Wähler stellt. Es wäre z.B. sehr vernünftig, wenn die Leute mal kapieren würden, dass die kapitalgedeckte Rentenversicherung à la Riester nicht funktionieren kann, bzw. nur unter so speziellen Annahmen, dass sie für Praxis irrelevant ist. Den Fehler kann man einmal machen, wie bei der Riesterrente, wenn aber jetzt immer wieder über ähnliche Vorschläge diskutiert wird, dann scheint der Lernprozess nicht stattgefunden zu haben. Wähler müssen bei einer Wahl über einen sehr bunten Strauß an Themen entscheiden, Immigrationspolitik, Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels, Mobilität, Bildungspolitik, Urheberrecht, Justizreform, Wohnungspolitik, Verteidigungspolitik etc. etc. Hinzu kommt noch ein Strauß an Themen, die am Tag der Wahl nicht mal auf der Agenda stehen, über die also niemand abstimmen kann. Bei jedem dieser Themen gibt es Hunderte von alternativen Lösungsmöglichkeiten, mit unterschiedlichen technischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Konsequenzen, mit dem Ergebnis, dass eine rationale Entscheidung, also die bewußte Auswahl einer subjektiv optimalen Option, nicht getroffen werden kann. Wir haben also das Phänomen, dass letztlich nicht mehr objektive Sachzusammenhänge im Vordergrund stehen, sondern die subjektive Einschätzung von Personen. Die öffentlichen rechtlichen Sender informieren uns nicht über objektive Zusammenhänge, sondern darüber, welche Gestalt in der Gunst der Wähler gewonnen oder verloren hat, wobei unklar bleibt, was die Wähler veranlasst hat, einen Kandidaten mit Liebesentzug zu bestrafen bzw. ihm zu huldigen. Spannender als die Frage, was Amin Laschet über Söder sagt und Söder über Amin Laschet wäre z.B. die Frage, was es kostet, in der Wüste Sahara über eine Thermosolaranlage Wasserstoff zu produzieren, bzw. wieviel teurer der so produzierte Wasserstoff im Vergleich zu Benzin wäre. Man kann sich natürlich auch auf allen Kanälen darüber empören, dass Annalena Baerbock ihr Weihnachtsgeld nicht beim Bundestag gemeldet hat, letztlich ist das aber egal, weil Annalena Baerbock Lobbyarbeit macht für die Grünen, das wissen wir aber. Interessanter wäre es zu wissen, ob die Grünen jetzt die Deutsche Bahn dazu zwingen, die Gleise, die der Steuerzahler bezahlt, an konkurriernde Unternehmen zu vermieten und zu welchem Preis. Die Liste läst sich nur über Tausende von Seiten fortsetzen. Verhandelt werden im öffentlichen Raum in unendlich vielen Talkshows nicht die relevanten Fragen, sondern die Fragen, die im öffentlichen Raum eben diskutiert werden, also die, zu denen jeder irgendwas zu sagen hat. Über die Jahre haben wir so zwar einen Erkenntnisprozess, wir haben z.B. gelernt, dass Wind- und Strom einen ganz erheblichen Beitrag zur Energiegewinnung liefern können, was ja in den achtziger Jahren bestritten wurde, aber der Erkenntnisgewinn ist verdammt langsam. Das ist eher ein vor und zurück mit ganz langsamem Vorwärts.

Wenn man also über die offene Gesellschaft debattiert, dann bringt uns Platon da nicht weiter. Da müssen wir z.B. über eine Umwandlung des Informationsfreiheitsgesetzes in ein Transparenzgesetz nachdenken, denn das Informationsfreiheitsgesetz, das es theoretisch ermöglichen soll, den Staat zu zwingen, interessante Informationen rauszurücken, läuft vollständig ins Leere, zumindest hat es der Autor noch nie geschafft, über diesen Weg die Informationen zu erhalten, dabei ging es immer um Daten mit einem Euro Zeichen, die er haben wollte. Kein Mensch weiß, wieso das Teil https://deutsch.vhs-lernportal.de/ sagenhafte 24 Millionen Euro gekostet hat, der Autor hält das für maximal 80 000 Euro umsetzbar, kein Mensch weiß, warum der Bundesanzeiger and den DuMont & Schauberg verkauft wurde und die Gewinnmarge qua Gesetz gleich mitgeliefert wurde, kein Mensch weiß, was das Goethe Institut mit 240 Millionen Euro Subvention pro Jahr anstellt etc. etc. etc.. Ein Weg in die offene Gesellschaft wäre ein Transparenzgesetz. Nicht der Bürger muss nachfragen, sondern der Staat hat alle Daten online zu stellen. Wenn es aber konkret um Euros geht, dann ist Schluss mit dem Wahren, Schönen und Guten. Zumindest diesbezüglich herrscht Einigkeit bei allen Parteien.

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