staunen, nicht ärgern

Bemerkung zur menschlichen Sprachverarbeitung

Heidegger, siehe link zu youtube oben, palavert dann noch der Alltagssprache, die nur der Information dient, und für gewöhnlich Zwecke ausreicht. Diese vergleicht er dann mit der Sprache, und bezieht sich dabei auf Goethe, die tiefere Verhältnisse ausdrücken. (Hinsichtlich Goethe kann das sagen, allerdings geht der Trick anders rum. Das Thema hatten wir schon öfter, z.B. hier: https://theatrum-mundi.de/sprachkritik-in-goethes-faust/ und andere. Goethe ist der Meister der Intuition, siehe https://theatrum-mundi.de/mein-busen-fuehlt-sich-jugendlich-erschuettert-vom-zauberhauch-der-euren-zug-umwittert-wer-garantiert-bei-intuition-eigentlich-die-authentizitaet/, versucht mit sprachlichen Mitteln, das zu erfassen, was sich an der Grenze der Welterfahrung bewegt. Das nennt sich dann Dichtung. In der Dichtung steckt der Sinn in den Lücken der Sprache.

Aber fangen wir mal mit der von Heidegger, dem großen Schwurbler, als gewöhnlich und trivial betrachteten Alltagssprache an, bei der nur Informationen übermittelt werden sollen. Letztlich meint er eine Kommunikation, die sich auf Zusammenhänge bezieht, bei der die subjektive Haltung des Subjekts gegenüber dem Objekt keine Rolle spielen.

Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn wir jemanden erklären wollen, wie man das Tretlager bei einem Fahrrad auswechselt. Die Sache wird natürlich vollkommen hoffnungslos, wenn jemand noch nie ein Fahrrad gesehen hat. Besser wird es, wenn er weiß, was ein Kugellager ist und man darauf achten muss, wie es eingebaut wird, andernfalls werden die Kugeln nämlich zermalmt. Dann müsste er noch wissen, dass auch die Schale, in der das Kugellager drin ist, raus muss, wenn die Kugeln Spuren in der Schale hinterlassen haben. Wie kompliziert sich die Informationsvermittlung jetzt darstellt, hängt also von der Vorerfahrung desjenigen ab, dem man das erklären will. Allerdings ist die reine Informationsvermittlung öfter mal alles andere als gewöhnlich und trivial, im Bereich Schule z.B. ist das sogar ein ganz heftiges Problem und auch in der „gewöhnlichen“ Sprache kann man sich so verquast äußern, dass kein Mensch mehr irgendwas versteht. Wer jemals ein deutsches Handbuch zu JavaScript in der Hand hatte und eine amerikanisches Buch zum selben Thema, der weiß, wovon der Autor redet. Deutsche Handbücher zu diesem Thema haben Heidegger Niveau, die fangen an bei Assembler, erklären was ein Compiler ist, erklären einem Objekte bei XML und landen irgendwann auf höchstem Abstraktionsniveau ohne jedes konkrete Beispiel irgendwann auch mal bei JavaScript. Amerikanisch Lehrbücher haben dann dieses Schema: Problem, discussion, solution.

Bei Heidegger hat seine unendliche Sehnsucht nach philosophischen Abgründen ihn etwas haben vergessen lassen, dass Alltagssprache überhaupt nicht gewöhnlich ist. Seine unbedingte Sehnsucht nach tiefster Ergriffenheit hat ihn wohl auch auf die Idee gebracht, dass der Nationalsozialismus ganz besonders ergreifend ist und die vor allem die DEUTSCHE Universtität besonders ergreifen muss.

Die gewöhnlich Sprache ist also alles andere als trivial. Ganz im Gegenteil. Die ist ein ganz heftiges DIDAKTISCHES Problem. Komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen, ist ein ganz hohe Kunst, die nur wenige beherrschen. Je weiter die Vorerfahrung des Senders entfernt ist von der Vorerfahrung des Empfängers, desto schwieriger wird es, wesewegen die allseits so beliebten Lernvideos aller Art oder ein mündlicher Vortrag ziemlich schlechte didaktische Hilfsmittel sind. Je höher das Informationsgefäller, desto länger braucht der Empfänger zur Verarbeitung der Informationen und bei mündlichen Vorträgen aller Art ist die Zeit eben begrenzt. Was zur vermitteln ist, steckt aber allein im OBJEKT, des zu erklärenden Sachverhaltes. Tretlager, um in dem Beispiel zu bleiben, können sich unterscheiden, ein Tretlager von Campagnolo ist eine andere Nummer als ein Tretlager eines Fahrrads für 350 Euro und man kann da Präferenzen haben. Aber ganz objektiv gibt es klare Regeln, wie die einzubauen sind. In bezug auf die Frage, wie die Dinger eingebaut werden, gibt es keine subjektive Haltung. Man baut die entweder falsch oder richtig ein.

Dichtung ist da eine ganz andere Nummer. Die Welterfahrung schiebt die Sprache vor sich her. Das gilt grundsätzlich. Erst wenn ein Computer da ist, wird es auch ein Wort dafür geben. Es gibt keine Wörter für eine Welterfahrung die nicht existiert oder noch nie existiert hat, aber es gibt eine Welterfahrung, für die es keine Wörter gibt. Hier z.B. wird eine Sehnsucht beschrieben, die das Subjekt letztlich umbringt. (Ein Thema, dass im übrigen im Roman O cortiço breit debattiert wird. Die Vollidioten wie João Romão kommen durch, der eigentlich menschlichere, liebenswertere, Jerônimo, scheitert: https://www.portugiesisch-lehrbuch.de/content/literatur/Azevedo/index.htm)

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein Märchen aus alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kühl und es dunkelt,
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

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