staunen, nicht ärgern

Wortschöpfungen in Zeiten von Corona: verimpfen und Eintrag

Allerdings funktioniert das Spiel nicht mit jedem x-beliebigen Wort, „Der Apfel des Virus muss verhindert werden“, geht dann nicht. Es muss also irgendwas an dem Wort Eintrag vorhanden sein, das diese Bedeutungsverschiebung, bzw. die Verwendung in diesem Kontext ermöglicht und vermutlich leuchtet durch den Eintrag noch das Verb eintragen durch, das ja schon ziemlich dicht bei hineintragen liegt. Obwohl der Deutsch Muttersprachler das Wort Eintrag noch nie im Sinne von irgendwas irgendwohin hineintragen gehört hat, assoziiert er das. (Unter Umständen wird auch nur das Verben tragen assoziiert.) Der Begriff semantisches Feld, der in der Linguistik so en vogue ist, also Reihen wie hübsch, schön, attraktiv, gutaussehend etc.. vereinfacht hier dastisch. Das Gehirn hat eher lose Wortwolken, wobei jedes Wort komplexe Assoziationsketten hat, die sich dann teilweise überschneiden. Die Beziehung zwischen Eindringen und Eintrag ist eine ganz andere wie die zwischen z.B. Frucht und Obst. Auf so einen Begriff wie semantisches Feld kommt man, wenn man vom Urheber der Sprache vollständig abstrahiert und lediglich das analysiert, was als konkret Fassbares vorliegt.

Die Tatsache, dass die Bedeutung der Wörter aus dem Kontext quasi mühelos erschlossen wird, verweist auf die Tatsache, dass im Gehirn bereits ein Bild der komplexen Realität sprachlos existiert. Man kann sich schlecht etwas aus dem Kontext erschließen, wenn gar kein Kontext vorhanden ist. Der Spruch von Wittgenstein „Die Grenzen meiner Sprache, sind die Grenzen meiner Welt“ ist also so berühmt wie unsinnig. Die Sprache passt sich der Komplexität des Denkens an, bildet aber nicht dessen Grenze. Gleichermaßen kalauert auch Heidegger:

Er guckt dabei zwar tiefsinnig und ernst, aber es ist purer Nonsense. Richtig ist, dass sich bei der „poetischen“ Sprache die Beziehung zur konkreten Bedeutung etwas aufheben, aber wir haben hier im Grunde das gleiche Phänomen wie bei verimpfen oder Eintrag, allerdings ist bei der poetischen Sprache nicht mehr gewährleistet, dass der Kontext, aus dem heraus sich der Sinn ermitteln lässt, bei allen Adressaten derselbe ist. Suchen komplexe Bewußtseininhalte nach Wörtern, dann kann sich die Bedeutung der Wörter ändern. Wenn das noch nie Dagewesene ausgedrückt werden soll, dann muss naheliegenderweise der gegebene Rahmen der Sprache gesprengt werden.

 

 

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