staunen, nicht ärgern

Was ist makroökonomisch bedeutsamer, Intelligenz oder moralische Integrität?

Machen wir uns das mal an ein paar Beispiel klar. Es ist weitgehend unstrittig, dass digitale Lernmedien den Unterricht bereichern können. Das akzeptiert auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und investiert gewaltige 630 Millionen Euro in eine digitale Bildungsplattform, die natürlich völlig sinnlos ist, siehe https://www.nationale-bildungsplattform.de. (Der lauffähige Prototyp sollte ursprünglich Anfang 2023 starten, inzwischen wird irgendwas prognostiziert von Ende 2025. Zu Deutsch, wie vom Autor prognostiziert, das Projekt ist gescheitert, die Steuergelder sind futsch und man hofft, dass das Scheitern keinem auffällt, wenn man nur lange genug darüber schweigt.) Der Einsatz digitaler Bildungsmedien in den Schulen / Universitäten erfordert nun aber, dass sich das zuständige Personal, also die Lehrer, damit beschäftigen und da fängt das Problem an. Es gibt nichts, was die dazu zwingen könnte, die zu tun. Dem Staata bleibt nur übrig, gut zuzureden, aber wenn die Jungs und Mädels nicht wollen, dann wollen die nicht und sie wollen ganz entschieden nicht. Die können Lehrbuch von Klett, Cornelsen, Westermann und da wollen die auch bleiben auch wenn Schüler bei Problemen gar nicht mehr auf die Schulbücher zurückgreifen, sondern auf videos, podcasts, Websites, Apps etc. die sie in Hülle und Fülle im Internet finden.

Wir können uns auch die Zulassung von Medizinern zum Studium nehmen. Der Numerus Clausus ist ja offensichtlich ein willkürlich gewähltes Zulassungskriterium. Es gibt wohl sehr viele Leute, die auch mit einem Abitur von 2,3 das Medizinstudium geschafft haben. Der Nachweis, dass die Abitursnote eine prognostische Kraft bzgl. des erfolgreichen Abschlusses des Medizinstudiums ist fehlt völlig. Fehlen aber Ärzte auf dem Land, könnte man andere Kriterien für die Zulassung wählen, z.B. die Zusicherung, dass man nach dem Studium für eine gewissen Zeit auf dem Lande tätig wird.

Mangels Markt lässt sich die öffentliche Verwaltung nicht über den Markt steuern. Der Autor dieser Zeilen war mal als Dozent an der Einführung eines Steuerungssystem in der öffentlichen Verwaltung beteiligt. Letztlich ging es darum, so eine Pseudo-Markt einzuführen. In Berlin bestimmten also alle Bezirke erstmal die Kosten der Erstellung eines Produktes, also Gewerbeschein, Erlaubnis Tische auf dem Bürgersteig aufzustellen, Ausstellen eines Reisepasses, Ausstellen eines Wohnberechtigungsscheines, Eheschließung etc. etc.. Die Idee war dann, dass nur der Median „abgerechnet“ werden konnte. Soll heißen, wenn 50 Prozent der Bezirke einen Gwerbeschein für 12,30 Euro und weniger erstellen können, dann ist 12,80 Euro zuviel und offensichtlich bedingt durch eine effiziente Leistungserstellung. Der Aufwand für Schulung, softwareseitige Implementierung und Unterhaltung war, abgesehen davon, dass sich das KPMG, Arthur de Little und Price Waterhouse ausgedacht haben, die ordentlich verdienten, enorm. Allerdings wussten die Amtsleiter schon von vornherein, wo die Frühstückspausen exzessiv waren, man hätte das System gar nicht gebraucht um die Schwachstellen zu ermitteln. (Letztlich ist das ganze Ding auch gescheitert.)

Man das jetzt auch abstrakter formulieren. Mikro- und Makro setzen auf eine extrinsische Motivation. Bei Mikro droht bei Ineffizienz die Vernichtung, bei Makro reagieren die Leute auf Anreizsysteme. Die extrinsische Motivation ist aber nicht nur ein ökonomisches Problem, sie durchseucht die ganze Gesellschaft, siehe https://theatrum-mundi.de/ist-extrinsische-motivation-affirmativ/.

Grundsätzlich hätte also der Staat, bzw. die Gesellschaft allgemein, die Möglichkeit, zumindest dann, wenn der prognostische Wert gering ist, andere als rein kognitive Fähigkeiten bei der Vergabe von Positionen stärker zu berücksichtigen. Rein kognitive Fähigkeiten verhindern keine organisierte Verantwortungslosigkeit. Ein Physiklehrer an einem Gymnasium kann fachlich brilliant sein und das auch den Ausschlag für die Anstellung gegeben haben, der gesellschaftliche Mehrwert ergibt sich aber aus dessen Fähigkeit den Schulstoff didaktisch geschickt zu vermitteln und die Schüler für das Fach zu begeistern. Die Tatsache, dass ein Mediziner ein Abitur von 1,0 hatte heißt noch lange nicht, dass er als Arzt dann auch verantwortungsvoll handelt und sich zu den verschiedenen Therapieoptionen ab und an die entsprechenden Studien durchliest, bzw. nicht zielführende, aber wirtschaftlich interessante Therapien unterlässt. Ob ein Professor für Romanistik dreißig Jahre lang denselben Quark erzählt oder sich der gesellschaftlichen Kritik am Fach stellt, hat wenig mit kognitiven Fähigkeiten zu tun, aber viel mit Verantwortungsgefühl. Wir können auch nachvollziehen, dass X staatlich geförderte „Think Tanks“ Tausende von staatliche finanzierten Studien produzieren, die dann kein Mensch liest, sinnvoller wäre es, die dort Beschäftigten würden sich eine richtige Arbeit suchen.

Man kann das auch sehr überspitzt formulieren, dann wird die Problematik deutlich. Der Nationalsozialismus war makroökonomisch gesehen der Supergau. Am Schluss war schlicht gar keine Wirtschaft mehr da. Es wäre günstiger gewesen, die Tausende von kleinen Rädchen mit zweifelsohne besonderen kognitiven Fähigkeiten, die die ganze Vernichtungsmaschinerie technisch ermöglicht haben, hätte auf die Anreize des Systems nicht reagiert und sich moralisch integer verhalten.

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