Wie die meritorischen Güter im Bereich schulischer Bildung in die Welt kommen ist weitgehend unklar. Beschrieben werden sie, also welche Inhalte meritorisch und damit Gegenstand schulischer Bildung sind, in den Lehrplänen. Wir können in einer Demokratie zwar davon ausgehen, dass sie nicht Ausdruck einer Ideologie und ein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Vorstellungen sind, allerdings ist unklar, welche Ziele erreicht werden sollen. Das meritorische Gut soll ja zum Zielerreichungsgrad, also zum Erreichen oder zur Annäherung an ein wie immer auch definiertes Ideal etwas beitragen. Das Ziel ist zwar unklar, aber der Benotung können wir entnehmen, dass jemand der 11 Punkte hat in seinem Aufsatz über Goethes Faust sich diesem imaginären Ideal eher angenähert hat, als jemand der nur 9 Punkte hat. Cum grano salis: Wir wissen zwar nicht, was eigentlich gemessen wird, aber wenigstens wissen wir, dass die Messung exakt ist und wer 15 Punkte bei Goethe hat im Abitur, hat eher eine Chance auf einen Studienplatz in Medizin.
Noch skurriler ist die Notengebung beim Übergang von der Grundschule in eine weiterführende Schule. Diese basiert, wenn die Eltern den Übergang in eine bestimmte Schulart nicht anders durchsetzen, auf Noten. Das Problem dabei ist, dass hier aufgrund von Noten Prognosen über Eignung und Interesse in Bereichen gemacht werden, die es in der Grundschule in der Regel gar nicht gibt und die in diesem Alter schlicht auch nicht interessieren. Fremdsprachen z.B. spielen in der Grundschule keine bzw. nur eine geringe Rolle, auf fortführenden Schulen aber eine große. Zwei von vier Hauptfächern sind an „normalen“ Gymnasien Hauptfächer. Die Beherrschung der Schrift erlaubt keine Prognose bzgl. der Fähigkeit, den Homo Faber zu verstehen oder selbigen eben mit pointierten Bemerkungen abzulehnen. War der oder die Neunjährige gut in den Grundrechenarten, heißt das noch lange nicht, dass er oder sie auch in schließender Statistik brillieren wird. Wer Blätter in ein Heft kleben kann und die in unseren Gefilden vorhandenen Baumarten kennt, wird nicht notwendigerweise ein brillianter Molekularbiologe. Das Problem ist ähnlich wie oben. Es wird zwar irgendwas mit einer vermeintlichen Präzision gemessen, schleierhaft ist nur, wieso diese Messung prognostischen Wert haben soll.
Was würde passieren, wenn man auf Noten gänzlich verzichtet? Höchstwahrscheinlich gar nichts, denn im Grunde hätten wir die gleiche Situation wie jetzt. Auch bei geringem Interesse an Naturwissenschaften kann man z.B. Informatik und Physik studieren, das sind keine NC Fächer. Aber wer wird schon z.B. Physik oder Chemie studieren, wenn er dafür kein Köpfchen hat bzw. ihn das nicht interessiert? Ob er dieses Desinteresse bzw. die mangelnd Begabung nun amtlich bescheinigt bekommen hat oder nicht, ist eigentlich weitgehend egal. Die Entscheidung für oder gegen ein Physik, Chemie, Biologie etc. ist die gleiche. Mit oder ohne amtliche Benotung.
Da wo die Benotung eine Zugangsbeschränkung bewirkt, stellt sich die Frage, ob Noten ein geeignetes Auswahlkriterium sind. Unter Umständen wären andere Zugangsbeschränkungen sinnvoller. Trifft der viel beklagte Ärztemangel auf dem Land zu, was der Autor dieser Zeilen ja nicht so richtig sieht, wäre es z.B. sinnvoller, die Bereitschaft zu einer Tätigkeit als Landarzt in die Auswahlkriterien mit einzubeziehen. Um die Problematik mal anhand eines Beispiels zu erläutern.
Noten sollen des weiteren gewährleisten, dass sich bei den weiterführenden Schulen homogene Gruppen bilden, also der Leistungsstand ungefähr gleich ist. Wer diese Problematik sieht, also dass in inhomogenen Gruppen, bei denen auf leistungsschwache Schüler Rücksicht genommen wird, das Niveau sinkt, der müsste konsequenterweise dieses Problem auch in der Grundschule sehen, wobei aber davon ausgegangen wird, dass eine Binnendifferenzierung in der Grundschule gelingt. Dann stellt sich natürlich die Frage, wieso dies bei weiterführenden Schulen auf einmal nicht mehr gelingen soll. Last not least macht das Kriterium Homogenität nur Sinn im Hinblick auf bestimmte Fächer. Dass die Homogenität einer bestimmten Schülerkohorte im Hinblich auf alle Fächer gegeben ist, widerspricht jeder Alltagserfahrung und würde im übrigen das System der Leistungskurse obsolet werden lassen. Warum soll mann Leistungskurse anbieten, wo je nach individuellen Interessen eine Auswahl vorgenommen werden kann, wenn die Gruppen homogen sind?
Last not least. Der Autor bezweifelt schlicht, dass die Realschule einfacher ist als das Gymnasium. Zumindest in den 80er Jahren in Baden-Württemberg war dies nicht der Fall. Der Autor hatte zahlreiche Realschüler als Freunde und die waren gerade in den MINT Fächern teilweise weiter. Die Vorsortierung über Schulnoten macht da überhaupt keinen Sinn.