staunen, nicht ärgern

Was heißt Gamification?

Die, bzgl. des Romans von Robert Musil relevantere Frage wäre z.B. wieso, dies die Überschrift eines Kapitels, ein Mann ohne Eigenschaften aus Eigenschaften ohne Mann besteht. Wäre dieser Roman Schullektüre, wäre zu ermitteln, ob der Roman a) überhaupt eine Wirkung erzielt hat, andernfalls wäre es vergeudete Steuergelder, und b) welche. Diese Frage lässt sich aber nicht mit einer Quizfrage mit anschließender statistischer Auswertung ermittlen, weil sich der Geist, als Subjekt <=> Objekt Beziehung, nun mal nicht so einfach greifen lässt.

Näheres hierzu und ausführlich unter https://www.die-geisteswisschenschaften.de. Mal einfacher formuliert: Ob die message des Satzes von Phythagoras angekommen ist, lässt sich testen. Man könnte über geeignete Szenarian sogar Erkenntnisse gewinnen über den Erfolg verschiedener didaktischer Ansätze. Wir haben keine Subjekt <=> Objekt Beziehung. Die Wahrheit liegt allein auf der Seite des Objektes. Das Szenario ist relativ einfach und man braucht nicht viel Phantasie um sich alle möglichen gamification Strategien auszudenken und viele lustige Spiele. Die rein extrinsische Motivation, letztlich bauen Spiele  hierauf  auf, vereinfacht also die Belohnung oder ein Erfolgserlebnis, reicht hier auch.

Anders sieht das  bei Bildungsinhalten aus, bei denen ein Ergebnis gar nicht gemessen werden kann. Das Lernziel kann dann auch erreicht werden, wenn die Vermittlung zur radikalen Ablehnung geführt hat, diese Ablehnung aber von einem subjektiven Standpunkt zu einem gegebenen Moment irgendwie nachvollziehbar vorgetragen wird. Es kann auch ein Bildungsziel sein, das trifft für Schulen wohl zu, einen Inhalt lediglich im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu halten, in der Hoffnung, dass die message irgendwann mal doch ankommt. In diesem Falle müsste im Idealfall ein Konsens in der Öffentlichkeit bestehen, welche Inhalte zukunftsweisend sind.

Gamification, mit einem überwiegend extrinsischen Ansatz, bei dem eine Gratifikation unmittelbar erfolgt, nivelliert die Inhalte, siehe auch https://theatrum-mundi.de/ahrheiten-ohne-relevanz-wo-wissenschaft-und-guenther-jauch-sich-treffen/.

Wenn man es vereinfachen will: Die AUSBILDUNG ist extrinsisch, dabei geht es meist um das Erlernen präzis bestimmter Fähigkeiten und das Lernziel ist operational definiert. Wenn man das mit gamification lustiger gestalten kann, ist das natürlich günstig, allerdings sollte es dann auch wirklich lustig sein. Das Ausfüllen irgendwelcher Kästchen ist jetzt nicht lustig. Bei der BILDUNG kann die Motivation von der Sache her nur intrinsisch sein, auch wenn Lehrpläne etwas anderes suggerieren und darauf abstellen, dass es beim Untertan von Heinrich Mann einen klar definierten Erwartungshorizont gibt, anhand dessen das Erreichen des Lernzieles mittels einer Klausur ermittelt werden kann. Richtig daran ist nur, dass der extrinsische Ansatz weniger didaktischen Geschick braucht als der intrinsische Ansatz. Beim ersten Ansatz kann man befehlen, beim zweiten muss man überzeugen, was ja naheliegenderweise immer komplizierter ist.

Man kann jetzt natürlich den ganzen Roman irgendwie gamifizieren, z.B. ihn umwandeln in ein Rollenspiel, möglicherweise wird der Kontakt mit dem Roman dann intensiver, was aber nichts an der Tatsache ändert, dass der gamification Ansatz Grenzen hat.

Merkwürdig ist auch, dass gamification, marketingtechnisch ist eigentlich mühelos gemeint, www.babbel.com z.B. macht hier gewaltige Verrenkungen, uns vor allem bei Programmen zum Fremdsprachenerwerb begegnet. Diese sollen über total unterhaltsame Programme komplett mühelos, in 15 Minuten am Tag und natürlich völlig ohne Grammatik, erlernt werden können. Da mühelos aber noch nicht genug marketingeffekt verspricht, sollen die durch diese Programme vermittelten Fremdsprachenkenntnisse auch eine unmittelbare Wirkung auf das Bankkonto haben. Manche Programmen veranschlagen dann 400 Euro mehr im Monat durch eine Fremdsprache. (Huh! Dann wäre der Autor dieser Zeilen schon bei 3200 Euro ohne auch nur einen Finger krumm zu machen.) Offensichtlich gehen die Ersteller dieser Programne davon aus, dass das Argument mühelos zum gut bezahlten Job eine zugkräftige Werbekampagne darstellt. Der Autor bezweifelt das. Wenn allerdings pro Jahr 60 Millionen Euro für Banner investiert werden, das ist so das Werbebudget von Babbel, dann gibt es auch ein paar Leute, die da drauf clicken, unabhängig davon, welcher Schwachsinn auf den Bannern steht. (Witzig ist, dass niemand an den Schwachsinn glaubt, aber trotzdem auf den Banner geklickt wird.)

Merkwürdig daran ist, dass uns die Gamification als Marketingargument nicht begegnet im Bereich Programmierung, Rechnungswesen, Mathematik, Molekularbiologie etc… Denkbar wäre, dass uns das im Bereich Musik begegnet, allerdings gibt es kein Programm, dass damit wirbt, mühelos zum Konzertpianisten zu führen.

Ob das Versprechen der Mühelosigkeit marketingtechnisch bedeutsam ist oder nicht, wissen wir nicht, wenn es wirksam ist, hängt das mit dem tief verwurzelten Irrglauben zusammen, dass die Muttersprache mühelos erlernt wurde, das ist ja auch der Kalauer unter den Marketing Slogans in diesem Bereich: Lernen Sie Französisch / Spanisch / Russisch etc. wie Ihre Muttersprache. Dabei wird vergesssen, dass das Erlernen der Muttersprache etwa 20 000 Stunden in Anspruch nimmt, also äußerst INEFFEKTIV ist und vor allem überhaupt nicht mühelos. Papa, Mama, Tante, Oma etc. investieren da eine Menge Arbeit. Ein guter Rat ist also, eine Fremdsprache nicht so zu lernen, wie eine Muttersprache, denn das dauert dann ewig und ist die Lehrtätigkeit nicht mehr ehrenamtlich, wird es wahnsinnig teuer. Vier Jahre lang, 14 Stunden am Tag einen Privatlehrer macht bei bescheidenen 15 Euro über 300 000 Euronen.

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