Je mehr man so vergeht, desto kritischer wird es. Fakten sind also richtig bequem. Unterschied sich der Ingenieur, der im dritten Reich Panzer baute, was er ohne Gefahr auch hätte lassen können, wesentlich vom Ingenieur, der heute so Teile baut? Die bloßen Fakten behaupten natürlich das Gegenteil. Der eine produziert für den Angriffskrieg, der andere nur für die Verteidiung. Die Frage ist nur, ob ihn das interessiert. Ist der heutige Beamte, der sich im Wesentlichen als Staatsdiener sieht, völlig anders, als der Beamte, der schon dem Dritten Reich diente? Würde man die Frage stellen, wäre die Empörung groß, weil der eine ja gebunden ist an die freiheitlich demokratische Grundordnung während der andere einem Unrechtsregime diente. Soweit die Fakten. Die Frage ist die gleiche. Was motiviert den Beamten? Die Festanstellung mit Pensionsberechtigung oder der Einsatz für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Das Spiel kann man jetzt ewig treiben. Fakten sind eine bequeme Angelegenheit, die stellen keine weiteren Fragen.
Wir kommen also sehr nah an die Gegenwart: Menschen reagieren auf Anreizsysteme und wenn die Anreize falsch gesetzt sind, dann werden nur wenige wiederstehen, bzw. nur die, die dem Anreizsystem des Regimes etwas entgegensetzen können. Es wäre Aufgabe des Bildungssystems, gegen das blinde Reagieren auf Anreizsysteme zu immunisieren. Zu dem Thema äußert sich Adorno in dem kleinen Büchlein „Erziehung zur Mündigkeit“. Menschen neigen dazu, sich in Spiele einzulassen, die sie nicht verstehen. Ob es hierfür schon reicht, Wehrpflichtige zur Bürgern in Uniform umzudeklarieren, ist fraglich. Die Marktwirtschaft ist ein sehr sinnvolles System, da es eine objektive Kontrolle ausübt, ohne dass es jemanden braucht, der kontrolliert. Es ist aber nicht gerade ein System, in dem man lernt, auf Anreize nicht zu reagieren. Das könnte man diskutieren.
Das wäre auf jeden Fall erhellender, als über die Fakten zu debatieren. Die interessante Frage ist nicht, wann, wie, wieso Bismarck die Emser Depesche verfälschte. Die Frage ist, warum er ein Fan war von Preussens Gloria. Hinter der Emser Depesche verbirgt sich kein Zusammenhang, der verallgemeinert werden könnte, aber den Wunsch, irgendeine Nation zu vergrößern, auch wenn dabei meist nicht das rauskommt, was man sich erhoffte, haben wir öfters. Was diese Bestrebungen antreibt, wäre interessant zu wissen.