Ganz grundsätzlich lässt sich die Verwendung von Wörtern auch nicht auf deren Bedeutung reduzieren. Sprache ist immer auch ein Ausdruck von Stil. Wenn bestimmte Gruppen Hosen mit Löchern tragen und andere Prada schick finden, dann ist das eine Frage von Stil oder Ausdruck der Persönlichkeit. Ob jemand abhängt, chilled oder ausruht, ist eine Stilfrage, wobei niemand weiß, ob vor den hohen Ansprüchen des Vereins der Deutschen Sprache Wörter wie abgefahren (im Sinne von irre), geil (im Sinne von super), voll der Proll (im Sinne von ungehobelt) etc. etc. Gnade finden. Vermutlich verhält sich beim Verein der Deutschen Sprache das mit den Wörtern so wie mit dem Deutschtum. Man muss schon lange hier sein, um dazuzugehören. Meschugge ist ein echter Biodeutscher, ist im 19. Jahrhundert eingewandert, der Discounter schafft es bestenfalls zur Duldung, einen Pass bekommt er erst in vierzig Jahren.
Dubios geht es dann weiter: „Bisher haben sich weder Kulturträger noch Politiker ausreichend für die deutsche Sprache eingesetzt. Deshalb sind die Bürger selbst gefordert, hier zur Gegenwehr zu schreiten. Der VDS will insbesondere die staatlichen und kulturellen Einrichtungen sowie die öffentlich-rechtlichen Medien dazu bewegen, wieder mehr Loyalität zur deutschen Sprache aufzubringen und liebevoller mit ihr umzugehen.“
Dass sich niemand dafür interessiert kann schlicht daran liegen, dass Anglizismen von niemandem als Bedrohung empfunden werden, diese aber aus stilistischen Gründen oder weil die deutsche Entsprechung nicht exakt ist, benutzt werden. Zur Gegenwehr kann jeder schreiten, indem er die Wörter nutzt, die er situativ für geeignet hält. Richtet sich die Gegenwehr allerdings gegen andere, dann wird das ein Problem, insbesondere wird es dann fragwürdig, wenn staatliche Stellen eine Norm vorgeben. Sowas kennt man nur von Diktaturen. Der Iran z.B. verbot eine zeitlang englische Lehnwörter in der Öffentlichkeit. Mehr zentralistische Staaten, wie etwa Frankreich, gaben eine zeitlang Quoten für das Musikrepertoire der Radiosender vor, was sie inzwischen aufgegeben haben, da hier ein Problem gelöst werden sollte, das niemand als Problem empfand.
Andere Forderungen sind dann merkwürdig. Gefordert wird z.B. dass in den Schulen aller Länder der EU zwei Fremdsprachen, darunter eine Nachbarsprache, gelehrt wird. Nachbarsprache ist dann die Sprache, die auf der anderen Seite der Grenze des nationalen Territoriums gesprochen wird. Der Autor würde sagen, dass im Zeitalter des Flugzeug die geographische Nähe erstmal sowieso keine Rolle spielt. Barcelona kann, selbst wenn man in Freiburg im Breisgau wohnt, näher sein als Colmar. Wesentlich naherliegender kann Schwedisch sein, wenn man die entsprechende Bekanntschaft gemacht hat. Hinter der Forderung, dass zwei Fremdsprachen zu vermitteln sind, steckt wohl die Idee, dass dann die Wahrscheinlichkeit wächst, dass eine andere Sprache als Englisch der gemeinsame Nenner ist. Allerdings kann man sich fragen, wieso man zwei Fremdsprachen verbindlich vorschreiben soll? Das würde zum Problem für Leute, die auf diesem Gebiete nicht besonders talentiert sind und auch ganz andere Vorstellungen von ihrer beruflichen Karriere haben. In diesem Fall bietet sich eher eine intensivere Vermittlung des Englischen an. Wer allen Mitgliedstaaten der EU sowas vorschreiben will, bleibt schleierhaft. Last not least: Den offenen Horizont kann man nicht erzwingen. Naheliegender wäre es, vor allem bei Schülerpopulationen mit unterschiedlicher Herkunft, deren Muttersprache als zweite Fremdsprache anzuerkennen. Aber vermutlich passt das dem Verein der deutschen Sprache auch nicht. Schüler mit Migrationshintergrund tauchen bei denen nur als Problemfall auf.