staunen, nicht ärgern

Reinheit der Sprache ?

Teilweise hat der Verein auch die Tendenz zum kalauern und findet sich nur schwer damit ab, dass die Menschheit nicht so spricht, wie sie sich das vorstellen. Es ist richtig, dass jemand der nur scheinbar etwas tut, es eigentlich nicht tut, während bei demjenigen, der anscheinend etwas getan hat, eine gewissen Wahrscheinlichkeit besteht, dass er es tatsächlich getan hat. Das Problem ist nur, dass niemand scheinbar verwendet, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass jemand nur so tut, als ober es macht. Man sagt dann schlicht: Er tut so, als ob er es macht. Das zum Gipfel sprachlicher Verrohung hochstilisierte Phänomen gibt es also in der Praxis gar nicht. Der Kalauer mit dem Sinn, der nicht bzw. gemacht wird, wird ebenfalls dem imperialistisch sich ausbreitenden Englisch zugeschrieben. Das mag zwar stimmen, aber die Portugiesen finden „Isso nao faz sentido“, das macht keinen Sinn, wunderhübsch. Im Spanischen hat etwas keinen Sinn, no tiene sentido. Sollten die Vereinsmeier hier tatsächlich ein ernstes Problem haben, sollten sie sich einfach merken. Das macht keinen Sinn. = Es ist sinnlos. Dann ist das Problem gelöst.

Näher kommen wir der Antwort, was die tief beunruhigte Brust der mannhaft im Kampf für die deutsche Sprache stehenden Helden schmerzt, wenn wir diesen Satz betrachten: Da werden selbst die nach Sprecherzahlen großen Sprachen, darunter besonders Deutsch als weitest verbreitete Muttersprache der EU, an den Rand gedrängt; hier tritt auch ein Demokratie-Defizit zutage, das die europäische Einigung langfristig zu gefährden droht.

Das ist so ein immer wiederkehrender Topoi. Die Bedeutung einer Sprache ergibt sich aus der Anzahl der Sprecher bzw. der wirtschaftlichen Bedeutung. Unklar ist allerdings, worin jetzt die Bedrohung besteht. Wenn es ohnehin viele Sprecher gibt und viele Leute die Sprache zum Zwecke der Förderung der Karriere lernen, dann fragt man sich, wo die Bedrohung ist. Nachvollziehen könnte man, wenn die EU was tut für Tschechisch, Ungarisch, Polnisch etc.. tut. Wieso man jetzt noch mehr Steuergelder ausgeben soll, um jeden Fetzen Papier auch noch ins Deutsche zu übersetzen, erschließt sich erstmal nicht. Da wäre der Autor eher für Reduktion. Alles auf Englisch. Das können alle. Cum grano salis, oder with a grain of salt, besteht die Bedrohung auch eher für die anderen. Die etwas sperrige deutsche Sprache schützt z.B. Ärzte nachhaltig vor ausländischer Konkurrenz und wenn deutsche Unternehmen Englisch können aber englische Unternehmen kein Deutsch, dann steht das schon Mal 1 zu 0 für die deutsche Elf. Rein wirtschaftlich hat die deutsche Republik kein Interesse an der Verbreitung des Deutschen. Das ist so ein Art Geschäftsgeheimnis, das sollte man niemandem verraten. Der Ökonom würde von einem nicht tarifären Handelshemmnis sprechen. Der Autor erstellt zwar kostenlos Sprachportale für Deutsch als Fremdsprache, www.curso-de-aleman.de, www.german-grammar.de etc.. aber dafür bekommt er Geld von ausländischen Mächten. (Die Mafia tut alles, um die den deutschen Markt zu erobern.)

Die fühlen sich also beleidigt, weil Deutsch nicht Amtsprache der EU ist, konstatieren da ein Demokratie Defizit. Die haben den Trick ganz prinzipiell nicht verstanden. Würde man alle Entscheidungen der EU nach Proporz fällen, würden kleine Länder sofort austreten, die würden nämlich immer untergebuttert. Kein Gremium der EU trifft Entscheidungen nach Proporz.

Der Rest der vorgetragenen Argumente ist dann endgültig Quark. In internationalen Arbeitsgruppen, in Wissenschaft, Industrie, staatlichen Behörden, setzt sich die Sprache durch, die alle beherrschen. Hierbei hat Englisch eben den unbestechlichen Vorteil, dass man mit relativ geringen Kenntnissen schon einigermaßen klar kommt und ist man über diesen Punkt hinweg, geht es relativ schnell weiter. Weiter hat Englisch den Vorteil, dass es eine breite Schnittstelle hat zum Vokabular der romanischen Sprachen. Es kommt tatsächlich vor, dass im wissenschaftlichen Umfeld selbst dann Englisch gesprochen wird, wenn alle Beteiligten Deutsch als Muttersprache haben. Sieht man das aber entspannt und macht kein Theater draus, dann kann man da üben, wie man Vorträge vor einem gemischten Publikum auf Englisch hält. Konzediert sei, dass manche amerikanische Unternehmen übertreiben. Wenn sie den Mitarbeiter einer Niederlassung in Costa Rica, Amazon tut das, vorschreiben, innerhalb des Geländes nur Englisch zu sprechen, dann ist das in der Tat eine Unverschämtheit.

Was die Jungs gegen Anglizismen haben, erschließt sich einem nicht und niemand, außer eben dem Verein für Deutsche Sprache, erkennt hier ein Problem. Das Eindringen von Anglizismen folgt derselben Logik, die schon ein paar Tausend Jahre gilt. Neue Wörter entstehen, wenn ein Bedarf danach besteht. „Deutsche“ Entsprechungen für Social Distancing, Lockdown, Home Office zu finden ist gar nicht so einfach. Soziale Distanzierung würde suggerieren, dass es um die Abgrenzung einer Gruppe aufgrund sozio- ökonomischer Merkmale geht. Lockdown anstatt Kontaktbeschränkung wäre ebenfalls schwierig, da würde man eher an Gefängnisinsassen denken, die keine Briefe mehr schreiben und keine Telefonate mehr führen dürfen. Heimarbeit anstatt Home Office suggeriert was anderes. Beim Home Office denkt man eher an qualifizierte Bürotätigkeiten, bei Heimarbeit eher an handwerkliche Tätigkeiten, die von zu Hause aus ausgeführt werden. Shoppen ist nicht das gleiche wie einkaufen. Shoppen hat eher die Idee, dass der Einkauf eine Freizeitbeschäftigung ist. Das deutsche Pendant kursiert eben schon eine ganze Weile und assoziiert einen Kontext, der nicht zutrifft bzw. die Sache nicht trifft. Wo das Deutsche die besseren Möglichkeiten anbietet, z.B. beim Wort verimpfen, siehe https://theatrum-mundi.de/wortschoepfungen-in-zeiten-von-corona-verimpfen-und-eintrag/, setzt sich auch spontan das neue Wort durch.

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