staunen, nicht ärgern

Nomothetische und idiographische Wissenschaften: die Geburt des Schwachsinns aus dem Geiste des Blabla

Auch die Definition der sogenannten idiographischen Wissenschaften stellt auf die Methodik der Forschung ab. Das Problem ist hier das Wort Analyse. Analyse hat eine gewisse Bandbreite von schlichter Beschreibung bis zur Aufdeckung von Zusammenhängen, wobei in beiden Fällen das Kriterium falsch oder richtig eine Rolle spielt. Eine reine Beschreibung kann falsch oder richtig sein und die aus die in der Analyse gefundenen Zusammenhänge schlicht nicht existieren, also auch hier finden wir uns in der Welt des falsch oder richtig. Wir interessieren uns aber im Kontext der Geisteswissenschaften gar nicht für falsch oder richtig, wir interessieren uns für Bedeutsamkeit, wobei das bei den Geisteswissenschaften besonders gravierend ist, weil jeder x-beliebige irrelevante Sachverhalt dann Gegenstand der „Forschung“ werden kann und tatsächlich Gegenstand der Forschung wird, wir erhalten dann Dissertationen zu solchen Themen: Die linguistische Situation in Neapel aus der Sicht der Sprecher, Mehrsprachigkeit im Spiegel des Buchdrucks: das spanische Italien, Mythos als Modus. Das mythische Denken als Paradigma der Avantgarde-Lyrik in Frankreich und Italien, Fallbasierte Reflexionskompetenz von Französisch- und Spanisch- Lehramtsstudierenden in der ersten Ausbildungsphase usw.. Stellt man allein auf Analyse ab, fehlt jeder Steuerungsmechanismus. Analysieren könnte man auch Variatitäten der Aussprache im Französischen, Spanischen und Italienischen bei verschnupften Sprechern, Kaffekultur als Ausdruck nationaler Identität bis zu Stadtplanung für die Welt? Die performative Konstruktion internationalen Expertenwissens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Selbst wenn die Beschreibungen dann korrekt sind und die behaupteten Zusammenhänge existieren, landet das trotzdem im Papierkorb bzw. verstaubt in irgendwelchen Archiven, weil es zwar etwas bedeutet, aber nicht bedeutsam ist. Analysieren die Geisteswissenschaften schlicht jeden Blödsinn, wird sich die Gesellschaft irgendwann darüber Gedanken machen müssen, ob es nicht sinnvoller wäre, den Quark schlicht abzuschaffen. Da dies kein Mensch merken würde und die Welt an Bedeutsamkeit nicht verlieren würde, könnte man das problemlos tun und eine Menge Steuergelder sparen. In der öffentlichen Debatte wird das Desinteresse an den Geisteswissenschaften mit dem Desinteresse an geisteswissenschaftlichen Fragen verwechselt, was wiederum manche Leute veranlasst, breite Debatten über ein nicht existierendes Problem zu führen. Nach Bedeutsamkeit sehnen sich alle Menschen.

Die berühmte Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine Suche nach Bedeutsamkeit. Die berühmteste aller philosophischen Fragen, der nach dem Sinn des Lebens, ist also schon falsch gestellt. Sinn hat, zumindest im Deutschen und zahlreichen anderen Sprachen, im Englischen wird da unterschieden zwischen sense und meaning, mehrere Bedeutungen, aber alle sind für diese philosophische Fundemantalfrage irrelevant oder anders formuliert, die Frage, die da gestellt wird, ist nicht die relevante Frage. Das Wort Sinn kann auf sachlogische Beziehungen abstellen. Ist eine Aktion sinnlos, dann ist sie nicht geeignet, das intendierte Ziel zu erreichen. Darauf beschränkt sich das Englische: That doesn’t make sense. Sinn bezieht sich noch auf die fünf Sinne, was in diesem Kontext ebenfalls irrelevant ist. Gestreift wird das Thema, wenn etwas seinen Sinn verloren hat. Es ist dann nicht mehr bedeutsam. Der Sinn des Lebens ergibt sich aber nicht aus sachlogischen Zusammenhängen bzw. aus der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten zielführend ist. Die sachlogischen Zusammenänge können durchaus richtig sein, aber nicht bedeutsam. Bedeutsamkeit ist eine emotionale Einstellung. Wenn jemand in einer Tätigkeit, einer Lebensweise vollkommen aufgeht, dann ist das für ihn bedeutsam, ob er damit ein Ziel erreicht, ist weitgehend egal. Anders formuliert. Alles was Bedeutsamkeit besitzt, hat auch Sinn, aber nicht alles was Sinn hat, ist auch bedeutsam.

Anders formuliert: Auch die Geisteswissenschaften sind auf der Suche nach der Wahrheit, die interessiert aber nicht. Eine Wahrheit ohne Bedeutsamkeit ist sinnlos. Und was noch schlimmer ist: Es gibt unendliche viele zu erforschende Wahrheiten, für die sich aber niemand interessiert, wenn sie nicht bedeutsam sind. Das Argument wird naheliegenderweise die verbeamteten Geistlichen nicht überzeugen, weil die Beliebigkeit eine äußerst effiziente Arbeitsbeschaffungsmaßnahme ist, spielt Bedeutsamkeit keine Rolle, gibt es noch Arbeit für die nächsten 10 000 Jahre. Zumindest wenn der Steuerzahler dafür Geld austütet. Das Problem dabei ist nur, dass nach den Produkten der Geisteswissenschaften auch eine Nachfrage bestehen muss und eine Nachfrage besteht eben nur nach Bedeutsamkeit, aber nicht nach Wahrheiten ohne Bedeutsamkeit und im Moment bietet die außerakademische Welt hier mehr, also das Geschwurbel der Geisteswissenschaftler.

Wer wohlmeinend wird den Geisteswissenschaften zugestehen, dass ihr Thema schwierig ist und der Pfad der Tugend, also der rationalen Durchdringung und der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit verlassen werden muss, was der Autor allerdings bezweifelt. Die Jungs und Mädels sind da ganz bei Wagner. Letzterer frisst sich durch die Bibliothek und durch jedes x-beliebige Thema.

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