staunen, nicht ärgern

Nochmal Wicksell

Die meisten Leute finden es weit spannender, darüber zu diskutieren, ob Söder, Anna Baerbock, Olaf Scholz etc. sympatischer sind als Friedrich Merz, Robert Habeck oder Gauland. De facto sind Personalien weitgehend egal. Entscheidend ist die Frage, ob eine Aussage sachlich richtig ist oder falsch. Wer diese Aussage macht, ist egal. Auf Deutsch: Die Frage, ob z.B. die Zinstheorie von Knut Wicksell richtig ist oder nicht, ist weit relevanter als die Frage, ob Armin Laschet bei den Wählern jetzt sympathisch rüberkommt oder nicht. Die Fokusierung auf Personen ist präfaschistisch, zeugt von Überforderung der Wähler. Die Leute blicken nicht mehr durch und warten auf den Messias, der alle Probleme löst. Das läuft meistens darauf hinaus, dass irgendein Honk für die Probleme dieser Welt eine einfache Antwort hat.

Wenn eine Zentralbank die Zinstheorie von Wicksell für richtig hält, was die meisten Zentralbanken ja nicht tun, dann wird sie eine entsprechende Zinspolititk betreiben. Das hätte fatale Wirkungen. Beurteilen sie selbige als falsch, was sie überwiegend tun, sieht es deutlich besser aus.

Problem: Viele Leute verstehen das nicht.

Fangen wir mal von vorne an: Knut Wicksell war ein schwedischer Wirtschaftswissenschaftler, Biographisches findet sich hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Knut_Wicksell. Von ihm stammt die Idee, dass der natürliche Zins, also der Zins der Klassik, mit dem Leitzins, der von der Zentralbank aufgrund der Einschätzung der makroökonomischen Situation festgelegt wird, abweichen kann.

Klären wir also mal die zwei Begriffe: natürlicher Zins und Marktzins (von der Zentralbank festgelegt).

Der natürliche Zins entspricht den Vorstellungen der klassischen Nationalökonomie, also Adam Smith, David Ricardo etc.. Zu dieser Kategorie gehört im übrigen auch Karl Marx. Karl Marx ist näher bei Friedrich Hayek, also einem Marktradikalen, als bei Keynes. Sowohl Karl Marx als auch Friedrich Hayek begehen denselben fundamentalen Denkfehler.

Der natürliche Zins ist der Zins, in der klassisch / neoklassischen Theorie, bei der sparen und investieren im Einklang sind. Soll heißen: Die einen stellen dem Kapitalmarkt soviel Kapital zur Verfügung, wie die anderen auch tatsächlich investieren wollen. Was heißt das konkret: Stellen die Unternehmen fest, dass die Nachfrage das Angebor übersteigt, werden sie die Preise für ihre Produkte erhöhen. Das wiederum heißt, dass sie für einen Kredit mehr Zinsen bezahlen können, ihr Gewinn steigt ja, um damit Erweiterungsinvestitionen zu tätigen, wodurch das Angebot steigt und die Nachfrage befriedigt werden kann. Das heißt aber auch, dass zu einem höheren Zins auch mehr Leute sparen werden, das heißt auf Konsum verzichten werden und so das Kapital auch tatsächlich zur Verfügung gestellt wird. Umgekehrt, umgekehrt. Übersteigt das Angebot die Nachfrage, werden die Preise sinken, die Unternehmen verdienen weniger, es besteht kein Bedarf an Kapital für Erweiterungsinvestitionen, die Zinsen werden fallen, sparen ist weniger attrarktiv, es wird mehr konsumiert. Der Zins bringt also sparen und investieren zum Ausgleich. Gleichzeitig werden alle Resourcen, also der Einsatz von Roh-, Hilfs- und Betriebstoffen, die Qualifikationen der Arbeit, die Nutzung des Bodens über diesen Mechanismus gelenkt. Bei einem Mangel an Wohnungen, werden die Mieten steigen, es wird attraktiver, Wohnungen zu bauen, mit dem Ergebnis, dass die Bauunternehmen eher an Kredite kommen, folglich höhere Löhne zahlen können und folglich Arbeitskräfte aus der z.B. Automobilindustrie abziehen können.

So weit so gut, fragt sich nur noch, ob die Theorie, auch unter den Prämissen der klassischen Nationaökonomie, überhaupt stimmt. Sich das mal zu überlegen macht Sinn, weil die meisten Leute davon ausgehen, dass die Prämissen stimmen, was wiederum daran liegt, dass diese Prämissen vor dem Hintergrund der Alltagserfahrung äußerst plausibel erscheinen, wobei die Alltagserfahrung allerdings täuschen kann. Stimmen die Prämissen nicht, kann riestern nie funktionieren, was es ja tatsächlich auch nicht tut, stimmen die Prämissen nicht, ist ein hoher Zins vor allem mal ein Investitionshemmnis, stimmen sie nicht, sollten die Zentralbanken nicht versuchen, über die Zinsen Einfluss zu nehmen auf die Leistungsbilanzen. Um mal ein paar Beispiele zu nennen. Andere Beispiele hier: https://theatrum-mundi.de/null-euro-zinsen-unendliche-laufzeit-was-wuerde-passieren/. Stimmen sie nicht, hatte Yanis Varoufakis recht, auch wenn Günther Jauch in der damaligen Diskussion zum Starökonomen mutiert ist.

 

Was ist die Prämisse? Die erste Prämisse ist, dass Kapital, worunter in der Klassik de facto Geld verstanden wird, nur als Kredit vergeben werden kann, wenn andere es vorher angespart, also nicht konsumiert, haben. Einigermaßen plausibel ist die Theorie in der vollbeschäftigten Wirtschaft, wobei die Klassik eben immer von Vollbeschäftigung ausgeht. Bei Unterbeschäftigung sinken die Löhne solange, bis wieder Vollbeschäftigung herrscht. Bei Vollbeschäftigung gibt es tatsächlich einen trade off zwischen Konsum und investieren, der dann über den Zins ausgeglichen werden könnte. Bei Vollbeschäftigung kann man nicht gleichzeitig mehr Autos (Konsum) und mehr Roboter (Investition) bauen. Das eine geht zu Lasten des anderen. Der natürliche Zins bringt also Investion und Sparen in Übereinstimmung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert