staunen, nicht ärgern

Ist extrinsische Motivation affirmativ?

5) Inwieweit hat die intrinsische Motivation disruptiven Charakter?

Stellt man sich die extrinsische Motivation idealtypisch vor, so als Gedankenspiel, dann ist sie auf jeden Fall affirmativ. Wer sich das klar machen will, der denke an autoritäre bzw. totalitäre Staaten. Die ändern sich erst, wenn sie aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen in Schutt und Asche gelegt werden oder ökonomisch implodieren. Tatsächlich haben wir aber solche Gesellschaften, sieht man von autoritären oder totalitären Gesellschaften ab, diese Verhältnisse nicht. Gesellschaften ändern sich aus tausenden von Gründen, z.B. wie von Herbert Marcuse beschrieben, weil immer breitere Teile der Gesellschaft sich innerlich von den dominierenden Wertevorstellungen lösen, weil sie diesen Vorstellungen schlicht nicht entsprechen können. Wer es sich leisten kann, für eine Handtasche mit Punkten 2500 Euro hinzulegen, siehe https://theatrum-mundi.de/monopol-magazin-oder-die-verpunktung-des-hirns/2/, um damit in den Ocian Drive in Miami entlang zu stolzieren, wird das tun. Wer weniger Kleingeld übrig hat, wird sich eher davon überzeugen, dass bei denjenigen, die das machen, die Sonne wohl den letzten Rest an vererbter Hirnmasse weggeschmolzen hat und nur noch Bargeld übrig geblieben ist.

In dem Maße, wie der Zwang zur Anpassung sinkt, verliert die extrinsische Motivation an Bedeutung, was natürlich erstmal eine ziemlich triviale Erkenntnis ist. In einem totalitären Regime, werden die Leute nur noch extrinsisch motiviert, denn das totalitäre Regime verlangt auch eine innerliche Unterstützung für das Regime. Die Leute werden letztlich das wollen, was sie sowieso müssen. In einem lediglich autoritären Regime, z.B. die portugiesische Salazar Diktatur, erlaubt einen gewissen Spielraum. Es gab keine Massenorganisationen wie etwa die Hitler-Jugend, die die Leute 24 Stunden am Tag binden. Bezüglich der Möglichkeiten zur Selbstenfaltung in liberalen Demokratien gehen die Meinungen dann auseinander. Es liegt in der Natur der Dinge, dass in marktwirtschaftlichen Ordnungen die Resourcen zur Sortimentserweiterungen in bereits Warengruppen verwendet werden, siehe z.B. https://theatrum-mundi.de/geraet-die-marktwirtschaftliche-ordnung-an-ihre-grenzen/. Der Grenznutzen dieser Sortimentserweiterungen wird immer geringer und sinkt irgendwann gegen Null. Bei sehr vielen Produkten würde es schlicht niemandem auffallen, wenn sie vom Markt verschwänden, mit dem Ergebnis, dass die mit der Produktion, Vertrieb und Vermarktung dieser Produkte Beschäftigten ihre Arbeit zunehmend als komplett sinnlos empfinden. Da die Produkte sich kaum noch unterscheiden, wird der Aufwand, der betrieben werden muss, um der Menschheit zu erklären, dass die identischen Produkte nicht identisch sind, immer größer. Eine Zahl spricht für sich. Die weltweiten Ausgaben für Werbung stiegen von 332 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 761 Milliarden Dollar im Jahre 2022. Jeder fünfte US-Amerikaner ist der Meinung, dass ihr Job komplett sinnlos ist, mit starken Unterschieden je nach Branche, siehe https://today.yougov.com/topics/economy/articles-reports/2021/08/02/working-americans-jobs-fulfilling-meaningful-poll. Naheliegenderweise ist der Anteil der Leute, die ihren Job sinnlos finden, besonders hoch bei Medienunternehmen, Einzel-, und Großhandel. Vermutlich können wir da noch von wishfull thinking ausgehen, de facto dürften objektiv noch mehr Jobs komplett sinnlos sein. Bis hierhin haben wir die Situation, die Adorno / Horkheimer schon 1944 voraussagten, wobei sich allerdings beide völlig irrten, bezüglich der Gründe. Es ist nicht die Logik des „Kapitalismus“, die zu so einer Situation führt, sondern schlicht die Tatsache, dass große Vermögen nicht mehr über die Informationen besitzen, die für eine optimale Resourcenallokation notwendig wären. Die sinnvollen Arbeitsplätze entstehen nicht, dafür beschäftigen sich aber eine Menge Leute mit z.B. mit der Vermarktung von besonders proteinreichem Joghurt, mit Joghurt mit linksdrehender Milchsäure, besonders gesund, oder mit Joghurt mit lebenden Kulturen oder was auch immer, anstatt mit sinnstiftenden Tätigkeiten. Wir haben also immer mehr Leute, die sinnlose Produkte produzieren, die dann wiederum als besonders stylish verkauft werden müssen: I am working jobs, I don’t like, to buy things, I don’t need, to impress people, I don’t like. Die Leute können aus dem System aber auch nicht ausbrechen, wenn die Jobs nun mal aufgrund der Grenzen der marktwirtschaftlichen Ordnung in sinnfreier Erweiterung des Sortiments besteht.

Eine intrinsische Motivation ist nur da möglich, wo die Notwendigkeit zum Tausch nicht mehr besteht. Theoretisch ist dies möglich. Das BIP würde zwar sinken, aber ein BIP, das nur steigt, weil noch mehr sinnfreie Produkte erstellt werden, braucht kein Mensch. Möglich, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die intrinsische Motivation stärken würde, möglich vielleicht, dass dann viele Leute „ihre Bestimmung“ finden würden, also z.B. fünf Jahre faulenzen würden um dann irgendwann ein Studium der Energietechnik aufzunehmen um dann anschließend Windmühlen in Afrika zusammenzuschrauben. Wenn man mal ein ganz utopisches Szenario zeichnen will, wobei das so utopisch gar nicht ist. Der berühmte Ceccini Studie, über die hat der Autor dieser Zeilen seine Diplomarbeit geschrieben, erwartete, 1988, einen Wachstumschub durch die Verwirklichung des europäischen Binnenmarktes durch, Überraschung, zunehmende Konzentration. In der Automobilindustrie z.B. geht der Ceccini Bericht davon aus, dass in Europa fünf Automobilhersteller reichen. Im Nachhinein kann man zwar feststellen, dass ein paar mehr übrig geblieben sind, aber die Tendenz stimmt. Das heißt aber im Umkehrschluss, dass da eine Menge Leute sinnfrei beschäftigt sind, man die Jobs eigentlich sinnreicheren Verwendungen zuführen könnte, was aber wiederum aus den oben erwähnten Gründen schwierig ist. Weiter bleibt die Frage, ob ein Möglichkeitsraum durch intrinsische Motivation überhaupt ausgefüllt werden könnte. Die Leute sind ja begeistert von der Maslow Hierarchie der Bedürfnisse: https://karlhosang.de/wp-content/uploads/2019/05/Maslow-Beduerfnispyramide-2.0-1024×724.png. Da ist Sinn aber lediglich das Sahnehäubchen.

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