Da die Geisteswissenschaften nun mal an Universitäten angesiedelt sind, wo Fächer unterrichtet werden, bei denen die intersubjektive Nachvollziehbarkeit bzw. das Spannungsfeld zwischen Subjekt und Objekt schlicht gar keine Rolle spielt, Fächer bei denen es also allein um das Erkennen sachlogischer Zusammenhänge geht, wo eine Aussage also entweder falsch oder richtig ist, sind sie der Meinung, dass sie ewig gültige Wahrheiten entdecken müssen, was wohl teilweise erklärt, dass man sich auf Bereiche konzentriert, bei denen das Subjekt keine Rolle mehr spielt, bzw. nur noch als Strukturelement auftritt.
Ein Beispiel hierfür wäre die „Forschung“ im Bereich semantische Felder, der ganze Strukturalismus und Poststrukturalismus Hokuspokus, die Einführung von nicht verstandenen Begrifflichkeiten aus den Wirtschaftswissenschaften bei Bourdieu, der hat so richtig nicht verstanden, was mit Kapital eigentlich gemeint ist, das ganze Noveau Roman blabla in der Romanistik. Ohne Subjekt, bzw. wenn das Subjekt nur noch als Strukturelement besteht, haben wir finstersten Marxismus. Wenn das Sein, also das Objekt, das Bewußtsein, also das Subjekt bestimmt, dann haben wir ein wissenschaftliches Paradigma, das der ursprünglichen Intention der Geisteswissenschaften, nämlich der Erfassung des Individuellen, diametral entgegengesetzt ist. Abgesehen davon ist der Ansatz Blödsinn. Was im Tierreich stimmt, Tiere, also das Subjekt, passen sich an ihre Umwelt, also das Objekt, an, stimmt bei Menschen eben nicht. Der Mensch hätte sich nicht an die Lebensbedingungen auf den Galapagos Inseln angepasst. Stünden diese nicht unter Naturschutz, hätte der Mensch die Galapagos Inseln an seine Bedürfnisse angepasst. Schon die Lateiner mit ihrem tempora mutantur et nos mutamor in illis, die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit den Zeiten liegen da falsch. Wesentlich öfter ändern sich die Menschen und damit die Zeiten.
Der Wissenschaftsbetrieb, also wenn man Professorchen werden will und verbeamtet selig in die Pensionierung hinüberdämmern will, braucht ein Selektionskriterium, also das Kriterium absolute Wahrheit. Zumindest muss suggeriert werden, dass es sowas gibt, denn andernfalls müsste man konzedieren, dass Verbeamtung lediglich eine subjektive Sympathiebekundung der Kollegen ist. Versteht man unter Geist das Spannungsfeld zwischen Subjekt und Objekt, dann gibt es keine absolute Wahrheit mehr, dann gibt es in Abhängigkeit von der individuellen Entwicklung sehr viele Wahrheiten und vor allem gibt es dann ein Kriterium, dass bei den verbeamteten Geistlichen schlicht gar keine Rolle spielt: Relevanz.
In der Welt der sachlogischen Richtigkeit gibt es falsch und richtig, was in dieser Welt höchst vernünftig ist, das heißt im Hinblick auf ein konkretes Ziel ist es z.B. sinnvoll zu wissen, wie viel Energie mach braucht, um einen Liter Wasserstoff zu produzieren, welche Energiedichte dieser Wasserstoff hat im vergleich zu fossilen Bennstoffen und ob man ihn so in Tanks abfüllen kann, dass er, wenn man damit Flugzeuge betankt, nicht mitten in der Luft explodiert, das wäre nämlich schlecht. Das sieht jeder ein. Wir lassen das jetzt mit der Grundlagenforschung weg, bei der ein effizienter Steuerungsmechanismus ja auch fällt, und aktzeptieren erst Mal, dass das Kriterium Relevanz hier eine ganz bedeutende Rolle spielt. (Ist jetzt klar, mRNA Impfstoffe beruhen auf Grundlagenforschung im Bereich Molekularbiologie, die ursprünglich ziemlich sinnfrei war uns aber heute den Arsch rettet. Wir brauchen das aber nicht weiter zu vertiefen. Relevanz spielt in der Welt der sachlogischen Aussagen eine Rolle.)
In den Geisteswisschenschaften jedoch spielt Relevanz keine Rolle. Die beschäftigen sich mit dem Einfluss von irgendwem auf irgendwas und von irgendwas auf irgendwen bzw. dem Einfluss von irgendwem auf irgendwen. Relevanz könnte sich nur ergeben im Hinblick auf die Wirkung auf ein Subjekt, dieses hat man aber, ganz konträr zur ursprünglichen Intention, hinausexpediert.
Wir haben also gleich zwei Probleme. Hält man erstens daran fest, dass „verstehen“ sachlogisch richtige Aussagen addressiert, ist Wahrheit objektiv und ergibt sich nicht aus dem Spannungsfeld zwischen Subjekt und Objekt. Machen die Geisteswissenschaften aber keine Aussagen mehr zum Spannungsfeld zwischen Subjekt und Objekt, bzw. ist das Subjekt nicht mehr vorhanden, dann stellt sich die Frage, für wen die Aussage überhaupt relevant sein soll. Dann ist eben alles relevant. Wenn aber alles relevant ist, ist eben nichts mehr relevant.
Falsch oder richtig als alleiniges Kriterium für den Wahrheitsgehalt einer Aussage springt zu kurz. Eine Wahrheit muss auch relevant sein. Ist der Gegenstand irrelevant, so ist es vollkommen gleichgültig, ob die Aussage falsch oder richtig ist. Irrelevante Wahrheiten interessieren schlicht nicht, aber eine Lüge bzw. eine Sicht der Welt, kann durchaus zielführend sein, wenn sie den Horizont nach vorne verschiebt. Religionen z.B. können durchaus, zumindest mal rein theoretisch, eine positive Entwicklung einleiten, auch wenn deren Aussagen, höflich formuliert, nicht empirisch belastbar sind. Im Vergleich zum griechisch / römischen Götterhimmel, der mit seiner wenig rational gestimmten Personalausstattung ein Spiegelbild des irdischen Jammertals war, war das Christentum ein echter Fortschritt, um mal ein, wenn auch kritisches, Beispiel zu nennen. (Wobei die progressive Lüge natürlich nicht verwechselt werden sollte mit dem schlichten Irrsinn.)