staunen, nicht ärgern

Auf welchem Niveau funktioniert Demokratie?

Deutsche staatliche und halbstaatliche Institutionen, Friedrich Naumann Stiftung, Friedrich Ebert Stiftung, Heinrich Böll Stiftung und was da sonst noch alles gibt, tragen nun die großen Ideale der Menschheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit etc. hinaus in die weite Welt und beglücken damit auch noch junge Demokratien, die ganz andere Sorgen haben.

Der Onkel hier z.B. https://www.youtube.com/watch?v=CquaHzHyOuU  hat es mit der Freiheit, die nur in der Demokratie verwirklicht wird und erläutert in epischer Breite, Länge, Tiefe was der Liberalismus ist. Damit gibt es gleich zwei Probleme. Bei gutgläubigen und naiven Zeitgenossen in Afghanistan, Algerien, Kuba, Nigeria und wo diese gedankenschweren, staatlich alimentieren Philosophen ihre Ansichten sonst hintragen, wecken sie Erwartungen, die die Demokratie nicht einlösen kann. Bei den weniger philosophisch interessieren Zeitgenossen in den jeweiligen Ländern stoßen sie schlicht auf Unverständnis. Freiheit bedeutet bei den wenig philosophisch interessierten Zeitgenossen in Schwellenländern mit jungen Demokratien, dass die grundlegenden Bedürfnisse befriedigt werden und wenn das ein autoritärer Salomon erstmal schneller erreichen kann, bzw. glaubhaft vermitteln kann, dass er das schneller erreichen kann, dann sind die für den weisen Salomon. Mit der viel schlichteren Idee würde man durchdringen. Auf den weisen Salomon folgt irgendwann ein Galigula, von daher ist nur die Demokratie wirklich stabil und wenn man nur oft genug wählt, kommt irgendwann auch mal ein Salomon ans Ruder, den kann man ja dann ein paar Mal wählen und ihn wieder abwählen, wenn er zum Galigula mutiert.

Diese Minimalversion von Demokratie ist charmant, weil sie keinerlei Ansprüche stellt an die moralischen Integrität der Akteure, im Grunde sind Parteien in diesem Modell Unternehmer, die über Stimmenmaximierung versuchen an die Macht zu kommen, noch an die fachliche Kompetenz der politischen Akteure und der Wähler, noch an die Massenmedien und deren Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge darzustellen und relevante Informationen zu liefern. Hier wird nur der Missbrauch von Macht verhindert und das Volk hat alle paar Jahre ein Ventil für seinen Unmut.

Wer an die Demokratie nur diesen Anspruch stellt, wird auch nicht enttäuscht sein, wenn Lobbyisten einen immer stärkeren Einfluss auf die Poltik nehmen, wenn Abgeordnete geschmiert werden, die Massenmedien keine entscheidungsrelevanten Informationen mehr liefern, manche Institutionen gar nicht mehr demokratisch legitimiert sind, die Wahlbeteiligung gering ist, die Qualität des Regierungshandelns zu wünschen übrig lässt, das Informationsfreiheitsgesetz in Leere läuft, die Wähler anfällig sind für Populisten etc. etc.. Er erwartet nur, dass alle paar Jahre gewählt wird und die nachfolgende Regierung bzw. die Opposition alle Fehler der Vorgängerregierung genüsslich ausschlachtet und darauf kann man sich verlassen. Wer also lediglich die Kontrolle der Macht erwartet, kann nicht enttäuscht werden. Die anspruchsvollere Variante, siehe unten, weckt Erwartungen, die enttäuscht werden und an der Demokratie an sich zweifeln lassen. Verbinden die Afghanen mit Wahlen eine konkrete Verbesserung ihrer, vor allem wirtschaftlichen, Situation, vor allem innerhalb von vier Jahren, dann ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Verbinden sie mit Wahlen vor allem mal die Verhinderung von Machtmissbrauch, haben sie eine realistische Einschätzung. Sie werden dann eher sehen, dass ein autoriäter Salomon, von dem man ja vorher nicht mal weiß, ob er ein wahrer Salomon ist, siehe Chomeini, eine eher ungünstige Option ist. Da nimmt man besser den, der nicht das Paradies verspricht bzw. an dessen Visionen man nicht glaubt, der aber wenigstens bereit ist, sich nach vier Jahren wieder friedlich vom Acker zu machen.

Die Poppersche Idee von der Demokratie als offene Gesellschaft ist nun wesentlich anspruchsvoller. Die Demokratie ist bezüglich des Telos unbestimmt, soll heißen, es gibt keine Möglichkeit, die ideale Gesellschaft auf dem Reißbrett zu skizzieren und dann zu implementieren. (Wäre dies möglich, wäre die Demokratie natürlich ein ganz schlechtes Modell. Über X Wahlperioden und viel trial and error die optimale Wirtschaft- und Sozialordnung zu ermitteln ist natürlich keine gute Idee, wenn man schon von Anfang an wissen könnte, wie selbige aussieht.) Strömungen, die dies versuchen, etwa der Marxismus, unterstellt Popper einen Geschichtdeterminismus und seine Anhänger, z.B. der schon oben genannte Mario Vargas Llosa, https://www.youtube.com/watch?v=iJ_ZY2leXfk kalauern dann natürlich auch vom Weg in die Hölle, der mit lauter guten Vorsätzen gepflastert ist, was natürlich Blödsinn ist. Bei den Protagonisten autoritärer oder soager totalitärer Systeme haben wir keine guten Vorsätze und wer glaubt, dass Erich Mielke, und der Honecker, Erich die drei fetten Bände von Carlos Murks gelesen hat und davon inspieriert den Sozialismus auf deutschem Boden verwirklichen wollte, der hatte die blauen Bände nie in der Hand gehabt. (Mal ganz abgesehen davon, dass bei Carlos Murks kein einzige Zeile zu finden ist, die beschreibt, wie die Wirtschaft denn organisiert werden soll, wenn die Expropriateure mal expropriiert sind.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert