Der Trick mit der Demokratie ist im Grunde ziemlich einfach und würde man den ganzen romantischen, verklärenden Klimbim drum rum weglassen, liese sich Demokratie auch einfacher exportieren. Der Trick besteht schlicht in der Kontrolle und der Tatsache, dass abstrakt Menschen das „Gute“, also das was der Mehrheit nutzt und frommt wollen, auch wenn es im Alltag öfter mal günstiger erscheint, das Wohl der Allgemeinheit hintenan zu stellen. Vereinfacht gesagt: Abstrakt ist der Bankräuber natürlich gegen die Legalisierunge des Bankraubs, das würde seiner beruflichen Tätigkeit ja die Existenzgrundlage entziehen, die Tresore wären ja dann leer. Privat macht er natürlich von den Möglichkeiten, die sich durch das allgemeine Verbot ergibt, Gebrauch. Naheliegenderweise wird auch in einer Demokratie korrumpiert, Vetternwirtschaft betrieben, Lobbyarbeit betrieben, Gesetze phantasievoll umschifft etc. etc.. und selbstredend nehmen auch Parteien hier Handlungsspielräume war. Da werden Posten geschaffen, das Informationsfreiheitsgesetz ausgehebelt, üppige Provisionen kassiert für den Ankauf von FFP2 Masken, Stiftungen gegründet, wo man Personal parken kann, Spesen kassiert, die nie entstanden sind etc. etc.. Alles normal. Der Witz besteht aber darin, dass es immer eine Opposition gibt, für die das Aufdecken solcher nicht wirklich regelkonformen Verhaltensweisen selber wiederum ein business ist. Es gibt einfach nichts Schöneres, als ein Bundeskanzler, der eventuell in die Cum Ex Affäre verstrickt ist oder einen ehemaligen Bundeskanzler, der bester Kumpel eine Massenmörders ist oder ein anderer ehemaliger Kanzler, der schwarze Kassen führt. Wir wissen zwar nicht, was Friedrich Merz bei Black Rock getrieben hat, aber sind natürlich entzückt, wenn sich die CDU empört, was deren Chancen an die Fleischtöpfe Ägyptens zu kommen wiederum erhöht. In einer Demokratie ist es eine ganz schlechte Idee, die Opposition mit unlauteren Mitteln auszuschalten, den kein Mensch weiß, ob die nicht irgendwann den Hut auf haben und sich rächen. Kern der Demokratie ist also Kontrolle. Menschenrechte, Gerechtigkeit, Rechtsstaat und Tralala sind das Ergebnis der Kontrolle.
Last not least. In einer Demokratie schrauben alle Parteien irgendein Programm zusammen, von dem sie hoffen, dass es die Stimmenzahl bei der Wahl maximiert, wobei das Programm allerdings weitgehend zweitrangig ist. Das ist zu kompliziert. Entscheidend sind Personen und alle vierzehn Tage erfahren wir im Politbarometer nach streng wissenschaftlichen Kriterien, wer wieder charmant und sympathisch in die Kamera gelächelt hat bzw. besonders bei einem gegebenen Anlass angemessen betroffen war und so beim Wahlvolk Sympathiewerte gewonnen bzw. verloren hat. So ganz vage stehen aber die Personen für irgendwas und wenn das nicht geliefert wird, was die Person verspricht, dann kommt irgendjemand anderes.
Es macht Sinn das so nüchtern zu sehen, denn das lässt sich gut verkaufen. Verkauft man Demokratie als die Lösung eines Problems, also blühende Landschaften in Syrien, Ägypten, Tunesien, Afghanistan, Bolivien etc. etc. dann ist es so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die Hoffnung, die in die demokratische Verfassung gelegt wird, enttäuscht wird und auf die Demokratie folgt dann wieder die Diktatur, die eben die Brot und Spiele liefert, die die Demokratie nicht geliefert hat, mit dem gewaltigen Nachteil, dass die Handlungsoptionen in der Diktatur dann nicht mehr vorhanden sind. Die Demokratie ist die Suche nach einer Lösung, aber nicht die Lösung.
Hätte man das z.B. in Afghanistan so nüchtern verkauft und den ganzen romantischen Quark weggelassen, hätte man die Afghanen überzeugen können. Man hätte den Afghanen schlicht klar machen können, dass sie in einer Demokratie alle paar Jahre ihren Frust los werden können. Bei viel Frust, der staut sich an, wenn die es wirtschaftlich bergab bzw. gar nicht aufwärts geht, muss man die Wahlperiode eben verkürzen.
Zum romantischen Quark gehört auch der Unsinn von Demokratie als Herrschaft des Volkes. Die Argumentation ist in etwa auf der Höhe „esst Mist, 1000 Fliegen können nicht irren“. Dass das Volk qualifiziertere Entscheidungen trifft als qualifizierte Einzelpersonen kann man glauben oder lassen, das ist aber nicht der Punkt. Das Problem ist, dass nur die Demokratie eine effiziente Kontrolle garantiert, denn kontrollieren ist da ein richtig fettes business. Demokratie ist also Herrschaft der Kontrolle, womit sie eigentlich den gleichen Prinzipien folgt wie die Marktwirtschaft.
Zum romantischen Quark gehört auch die These, dass es eine Bürgerpflicht sei zu wählen, weil für das Recht zu wählen so gekämpft und gelitten wurde und Tralala. Wenn jemand findet, dass alles rund läuft, braucht er auch nicht wählen gehen. Entscheidend ist nur, dass er wieder wählen gehen kann, wenn etwas schief läuft, bzw. er die Möglichkeit hat, seinen Frust abzuladen.
So sehen das wohl auch die Italiener (und die Franzosen), die Wahlbeteiligung hat es ja gerade noch so über die 50 Prozent geschafft. Das liegt schlicht daran, dass die Parteiprogramme so abstrus waren, dass das keinen mehr interessierte, bzw. allgemeines Gewäsch bzgl. Bildung, Renten, Arbeitslosigkeit, Flüchtlingshilfe, Beziehung zur EU, Gesundheitssystem etc. alles schon x Mal da war. Überzeugt hat dann das Programm des rechten Blocks, also Fratelli d’Italia, Lega Nord, Forza Italia. Die wollen Italien wieder groß machen, sind für mehr Schulsport (kein Witz, haben alle drei in ihrem Programm), sind dafür dass man bis zum Abitur perfekt Englisch spricht (die Idee stammt wohl von der Melone, die hat Sprachen studiert, aber offensichtlich nicht Sprachdidaktik), für exzellente Bildung sind sie sowieso alle, das Mare soll wieder di loro sein und eine ordentliche Familie besteht halt aus Mama, Papa Kind. Also nicht wirklich berauschend, aber mit Italien zuerst, haben sie halt gepunktet. Gelöst wird damit natürlich kein einziges Problem und in anderthalb Jahren gibt es Neuwahlen, aber das ist nicht weiter schlimm.