Marcel Fratzscher ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und einer der wenigen Ökonomen, deren Beiträge zur öffentlichen Debatte man sich durchlesen kann, ohne entsetzt wie ein Schwein ins Uhrwerk in den Rechner zu schauen. Bei seinem Kollegen von der Konkurrenz, also Werner Sinn und Clemens Fuest vom IFO Institut, siehe https://theatrum-mundi.de/boah-hans-werner-sinn-erzaehlt-voelligen-muell-und-586595-leute-schauen-sich-den-quark-innerhalb-von-drei-monaten-an-demographischer-wandel/, kann man schon mal ins Grübeln kommen über Sinn und Unsinn von Volkswirtschaftslehre als akademisches Fach.
Marcel Fratzscher hat sich nun geäußert in der Zeit über die Vermögenserteilung in der Republik: https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-06/vermoegen-milliardaere-steuern-ungleichheit-deutschland/seite-2. Die Zahlen, die er anführt, adressieren ein massives Gerechtigkeitsproblem und des weiteren ein ziemlich massives Effizienz Problem. 1,5 Prozent der Teutonen besitzen ein 1/3 des Gesamtvermögens, was wiederum nicht über eine Marktleistung erzielt wurde, sondern zu 70 Prozent schlicht ererbt wurde. Des weiteren werden JEDES Jahr 400 Milliarden Euro vererbt. Das ist ein 1/10 des BIP der gesamten Republik, also richtig Kohle. Wir gehen jetzt einfach davon aus, dass die Zahlen stimmen. Das DIW hat ja genug Asche, um das eingehend zu studieren. Man kann ja auch einfach „Vermögensverteilung in Deutschland“ eingeben, dann spuckt einem google ähnliche Daten aus.
Was sich dann in der dem Beitrag angehängten Diskussion zeigt, ist ein massives Misstrauen gegenüber dem Staat. Das ist irgendwie so ein zwischen Skylla und
Charybdis Ding. Die Leute haben zwar ihre Zweifel, ob diese extrem ungleiche Verteilung a) gerecht und b) effizient ist, glauen aber auch nicht, dass es gerechter und effizienter wird, wenn der Staat das Geld qua einer höheren Besteuerung der Vermögen einsammelt und es dann ausgibt. Die Befürchtung kann man haben. Verlagert man die Resourcen an den Staat, wird dieser staatsnahe Einrichtung vermehrt fördern, bzw. Einrichtungen, die er schon institutionell fördert und über Sinnhaftigkeit bzw. Effizienz macht sich dann keiner Gedanken mehr. Ein hübsches Beispiel hier: www.nationale-bildungsplattform.net.
Wenn aber so ganz grundlegend das Vertrauen in den Gestaltungswillen und die Gestaltungsfähigkeit des Staates verloren geht, dann wird die Demokratie ganz grundsätzlich in Frage gestellt, was ja ganz offensichtlich der Fall ist. Dem Staat mehr Resourcen zu überlassen, würde bedeuten, dass durch Transparenz eine Kontrolle über die Resourcenverwendung hergestellt wird, was theoretisch über eine Verschärfung des Informationsfreiheitsgesetzes mögliche wäre. Man könnte z.B. Gerichtsverfahren auf Herausgabe von Informationen grundsätzlich von den Gerichtskosten befreien und die Vergütung für die Rechtsanwälte des Staates könnten auch im Falle des Unterliegens vom Staat zu tragen sein. Das wäre ein Kompromiss. Unsinnige Gerichtsverfahren würden nicht angestrengt, weil man ja noch den eigenen Rechtsanwalt bezahlen muss, auf der anderen Seite wäre aber auch ein Risiko bei der beklagten Institution vorhanden. Derzeit besteht seitens der beklagten Institution gar kein Risiko.
Gibt es überhaupt keine Kontrolle über die Verwendung der Mittel, dann haben wir Halodri total wie das Beispiel www.nationale-bildungsplattform.net schlagend illustriert. Bei der Variante macht es keinen Unterschied, ob die Superreichen das Geld zum Fenster rauswerfen oder der Staat.
Haben die Leute den Eindruck, dass der Staat sich um das Allgemeinwohl nicht kümmern kann oder will, dann werden Sie Parteien wählen, die die Klientel, um deren Wohl sich der Staat zu kümmern hat, eindeutig und unmmissverständlich definiert. Das ist dann die Liga Trump mit „America First“, die AFD, der Rassemblement National in Frankreich, die Fratelli d’Italia, UK Independence Party in England, etc. etc..
Der Wurm sitzt aber vermutlich tiefer, als Marcel Fratzscher meint. Weltweit dominiert die klassische / neoklassische Nationalökonomie. Das ist in modernen Lehrbücher zur Mikro- und Makroökonomie zwar etwas verquast dargestellt, aber im Grunde ist es Adam Smith und Alfred Marshall, wobei die Orginalwerke noch facettenreicher sind als moderne Lehrbücher. Allerdings lebten sowohl Adam Smith, gestorben 1790 und Alfred Marshall, gestorben 1924, in einer völlig anderen Welt. Adam Smith ging, und für seine Welt ist das zutreffend, davon aus, dass die (damals kleinen) Unternehmen am besten wissen, in was sie investieren, wobei er REALINVESTIONEN im Blick hatte. Eine Realinvestition die zu einer besseren Versorgung führt, sei es weil Produkte billiger oder qualitativ besser sind, dient dem Allgemeinwohl. Alfred Marshall hätte die Bedeutung von rein spekulativen Investitionen schon erkennen können, aber sie tauchen in seinem Werk Principles of Economics überhaupt nicht auf. In den Fokus geraten rein spekulative Finaninvestionen erst bei Keynes.
Womit wir beim Thema wären. Extreme Ungleichverteilung ist ökonomisch ineffizient. (Was erstmal noch nicht heißt, dass eine Übertragung von Resourcen an den Staat effizienter wäre.) In den letzten 20 Jahren, also bevor die EZB angefangen hat, die Zinsen wieder anzuheben, war der Markt mit Geld geflutet. Das hat aber keineswegs zu einer Zunahme an Investionen geführt. Ganz im Gegenteil, die ist gesunken.