staunen, nicht ärgern

Zirkelt der hermeneutische Zirkel?

Gibt man hermeneutischer Zirkel bei google ein, in Anführungstrichen, erhält man 12500 Treffer, ohne Anführungsstrichen kommt man auf 23 500 Treffer, gibt man nur noch Hermeneutik ein, landet man bei über 3 Millionen Treffer und gibt man den Quark auf Englisch ein, hermeneutics, ist man schon bei 12 Millionen Treffern. Da werden wir dann auf Millionen von Websites darüber informiert, was das sein soll, wobei sich aber niemand die Frage stellt, ob es sowas überhaupt gibt. Also selbst bei der zahlreich vorhandenen Definitionen des hermeneutischen Zirkel wird nicht viel gezirkelt. Es ist eher die Geburt des Blabla aus dem Geiste der Abstraktion. Der Anker der Philosophie ist die Welterfahrung, fehlt diese, dann dreht Sprache im Leerlauf.

Der Begriff an sich, also Hermeneutik, ist steinalt und hatte einen relaunch beim philosophischen Oberlaberer Gadamer. Der hatte das unglaubliche Talent, mit todernstem Gesicht, das hat er von seinem Idol Heidegger gelernt, Binsen zu erzählen, wobei die Binsen bei näherer Betrachtung reiner Schwachsinn sind. Das Malheur startet schon damit, dass das aus dem griechischen stammende Wort Hermeneutik sich auf TEXTE, also auf Sprache, bezieht und von Texten als Zugang zur Welt konnte sich Gadamer nie lösen. Das ist schon sein erster Fehler. Irrigerweise geht er davona aus, dass die Welt mittels der Sprache begriffen wird, was wiederum bedeuten würde, dass Welterfahrung der Sprache nachläufig ist. Das ist weder phylogenetisch noch ontogenetisch richtig. Vom Australopithecus bis zum Homo Sapiens passte sich die Sprache an die Welterfahrung an. Zeigen lässt sich das z.B. an den Präpositionen. Die bezogen sich ursprünglich auf räumliche Verhältnisse, weil unsere tierischen Vorfahren erstmal nur das ausdrücken konnten, was sie direkt vor Augen hatten. Diese räumlichen Präpositionen, viele dieser Präpositionen, die ursprünglich RÄUMLICHE Verhältnisse beschreiben, wurden dann, als die Viecher zu einem höheren Abstraktionsgrad in der Lage waren, auf ZEITLICHE Verhältnisse übertragen oder METHAPHORISCH verwendet. Er steht vor der Tür <=> Er kommt vor dem Sonnenuntergang, Nach der Kreuzung biegst du links ab <=> Nach acht Uhr werden die Bürgersteine hochgeklappt, Der Schaukel hängt zwischen den Bäumen <=> Er kommt zwischen fünf und sechs, Die Lampe hängt über dem Tisch <=> Er schwebt über den Dingen etc. etc.. Zeitliche Verhältnisse zu durchdenken erfordert mehr Grips und Abstraktion. Die Sprache hat sich also an die WELTERFAHRUNG angepasst. Betreten wir die Welt, dann ist die Sprache schon da, wir müssen aber lernen, unsere individuelle Welterfahrung mit dieser bereits vorhanden Sprache auszudrücken. Meistens, zumindest bei trivialen Verhältnissen, gelingt das, weil unsere Welterfahrung dieselbe ist, wie die unserer Vorgänger, es gibt also bereits eine Sprache, die die Welterfahrung ausdrücken kann. Bei weniger trivialen Dingen, gelingt das weniger, weil wir der Sprache nach Maßgabe unserer individuellen Welterfahrung Bedeutungen beimessen. Die Wörter Liebe, Hoffnung, Trauer etc. kennt jeder. Würde man allerdings 10 Leute befragen, was sie mit diesen Begriffen konkret verbinden, erhielte man, in Abhängigkeit von der Welterfahrung, 10 verschiedene Beschreibungen, die sich aber wiederum im Zeitablauf ändern würden. Phylogenetisch und Ontogenetisch schiebt die Welterfahrung die Sprache nach vorne, wobei es ontogenitisch auch zur Regression kommen kann. Das ist dann der Fall, wenn die durch Sprache ausgedrückte Welterfahrung schrumpft bzw. gar nicht mehr vorhanden ist. Dann hängt ein Wort in der Luft und bedeutet gar nichts mehr. Das passiert z.B. dann, wenn ein Begriff zum Wort schrumpft. Der Begriff Marktwirtschaft z.B. beschreibt ein bestimmtes Wirschaftssystem, allerdings ist es absolut nicht identisch mit Kapitalismus, sondern etwas total anderes. Wenn die Begriffe Marktwirtschaft und Kapitalismus als Synonyme verwendet werden, dann haben diese zwei Wörter ihre Bedeutung verloren.

Mittels TEXTEN, eigentlich bezieht sich das ganze hermeneutische Rumgeeiere bei Gadamer auf TEXTE, also auf Sprache, sollen uns nun helfen, die Wahrheit zu finden in einem zyklischen Prozess. Soll heißen: Wenn wir einen Text lesen, haben wir bereits ein Vorverständnis von dessen Bedeutung, die wir dann korrigieren und zu einem erweiterten Verständnis gelangen. Allerdings teilt uns Gadamer nicht mit, WAS er eigentlich konkret verstehen will und was er eigentlich unter verstehen versteht. Sein hermeneutischer Zirkel soll irgendwie eine universale Methode sein, die anwendbar ist auf ein z.B. Gedicht von Rilke und auf eine wissenschaftliche Abhandlung über z.B. erneuerbare Energien. Leider zirkelt aber in beiden Fällen der hermeneutische Zirkel überhaupt nicht und wir haben es mit zwei völlig unterschiedlichen Typen von verstehen zu tun. Im Falle eines Gedichtes, eine Bildes, eine Werkes der Musik, einer Ballettaufführung oder was auch immer haben wir eine Subjekt <=> Objekt Beziehung, das heißt, ein Subjekt drückt seine Haltung gegenüber einem Objekt aus. Was man „verstehen“ kann, genauer gesagt „nachempfinden“, ist diese Haltung. „Wahrheit“, wenn man denn in diesem Zusammenhang von „Wahrheit“ sprechen will, wäre das „Nachempfinden“ dieser Haltung, weil die Welterfahrung dieselbe ist. Allerdings geht es gar nicht um Wahrheit, sondern um subjektive Bedeutsamkeit, was etwas völlig anderes ist, wie die Bedeutung, die jemand einem z.B. Gedicht beimisst. Sätze haben immer irgendeine Bedeutung, sie können falsch, richtig oder sinnlos sein. Es kann 10 Interpretationen zu einem Gedicht geben, also zehn Sprachkonstrukte, die irgendwas bedeuten, wobei aber alle zehn ohne Bedeutsamkeit sein können. Ist die Welterfahrung des Emittenten, Dichter, Maler, Musiker, Tänzer oder was auch immer eine völlig andere als die des Rezipienten, dann zirkelt da gar nichts. Damit es zirkelt, muss irgendwas da sein, was zirkeln lässt, leider erzählt uns Gadamer nicht, was die Zirkelei treiben soll. Vermutlich denkt er da an die Suche nach der „Wahrheit“, die aber in diesem Zusammenhang überhaupt nicht interessiert. Die zwei z.B. kann man sich stundenlang anschauen. Die drücken auch eine ganze Menge Emotionen aus, allerdings keine, die wir mit den Mitteln der Sprach beschreiben könnten und es ist auch völlig unklar, warum wir uns jetzt auf die Suche nach der Wahrheit begeben sollen. Es gibt da gar kein falsch oder richtig. Es gibt nur bedeutsam oder eben nicht bedeutsam.

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