In der realen Welt dürften die Verhältnisse komplizierter sein. Den Marktakteuren ist es schlicht egal, ob die Anreize marktkonform sind, also gesamtwirtschafltich sinnvoll, oder marktwirtschaftlich sinnlos bis kontraproduktiv sind. Selbst prominenten Vertreter des Faches wie Vilfredo Pareto begreifen den Unterschied nicht. Die gesamte Wohlfahrtsökonomie, die auf Ideen von Vilfredo Pareto beruht, macht sich zwar ausführlich darüber Gedanken, ob und wie der gesamtwirtschaftliche Nutzen optimiert werden kann, geht hierbei aber von gegebenen Verteilungen aus. Ob diese Verteilung das Ergebnis von Lug und Betrug, nackter Gewalt oder Erpressung ist, ist bei Vilfredo Pareto schlicht egal. Für den durchschnittlichen Akteur am Markt ist nicht entscheidend, ob das Anreizsystem marktkonform ist, über solche Zusammenhänge denkt er nie nach. Für den durchschnittlichen Akteur am Markt sind durch das Strafrecht die Grenzen abgesteckt. Solange der Staat eine Ordnung setzt, die nicht marktkonforme Anreizesystem sanktioniert, ist der homo oeconomicus ein sinnvolles Konstrukt. (Innerhalb der Logik der klassischen / neoklassischen Vorstellungen.) Ist das nicht der Fall, dann kann der homo oeconomicus zur Bestie mutieren. Wie dem auch immer sei, die VWL hat einen systemischen Ansatz. Durch die Vorgabe eines Ordnungsrahmens wird die Gesellschaft gesteuert. Individualität und subjektive Wertvorstellungen spielen in der VWL keine Rolle. Wir haben dieselben Lehrbücher in den USA, Deutschland, in Indien, Peru oder Südafrika. (Meistens eben Übersetzungen von amerikanischen Lehrbüchern, Dornbusch / Fischer, Varien, Krugman / Obstfeld, Mankiev etc. ) Der Tragweite dieses Menschenbildes sind sich die professoralen Ökonomen wohl kaum bewusst. Es findet sich in keinem Lehrbuch der Ökonomie ein Hinweis, dass der homo oeconomicus nur innerhalb der marktwirtschaftlichen Ordnung ein sinnvolles Konstrukt ist. Auf die Tatsache, dass der Unterschied zwischen marktwirtschaftlich sinnvollen Anreizsystemen und marktwirtschaftlich sinnlosen Anreizsystemen nicht gesehen wird, deutet auch die Verwendung des Begriffes Kapitalismus hin. Dem Begriff Kapitalismus fehlt die Grundidee marktwirtschaftlicher Ordnungen vollkommen. Das Anreizsystem hat dann keine ethische Fundierung mehr. Setzt allein das Strafrecht die Grenzen, fehlt etwas der Kompass, denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen kann ein autoritäres bzw. totalitäres System ändern.
In der neoklassischen Nationalökonomie, also z.B. bei Alfred Marshall, wird das Konzept etwas verfeinert. Der Anreiz ist der Zuwachs an Nutzen, wodurch sich die unterschiedlichen Präferenzen erklären lassen. Haben A und B gleichviel Geld, aber der eine kauft sich für sein Geld 1 kg Spaghetti und 1 kg Kartoffeln wohingegen B sich für sein Geld 1,5 kg Kartoffeln kauft und 0,8 kg Spaghetti, dann ist das Ausdruck unterschiedlicher Präferenzen, wobei der Nutzen aber nur gemessen werden kann, wenn er sich konkret in einer Handlung manifestiert. Für die Volkswirtschaftslehre ist es völlig egal, warum jemand handelt, wie er handelt. Entscheidend ist nur, ob sein Verhalten prognostizierbar ist, bzw. auf die Anreizsysteme reagiert wird.
Das radikale Gegenmodell hierzu sind die Geisteswissenschaften. Die Geisteswissenschaften beschäftigen sich mit dem Spannungsfeld zwischen Subjekt und Objekt und damit weitgehend mit dem Bewußtsein, also der Art, wie sich das Subjekt selbst wahrnimmt und welche Haltung es gegenüber dem Objekt einnimmt. Naheliegenderweise ist hierbei die Grundannahme, dass das Spannungsfeld zwischen Subjekt <=> Objekt mehr ist, als das simple reagieren auf ein Anreizsystem, denn andernfalls wäre den Geisteswissenschaften die Geschäftsgrundlage entzogen. Es gäbe schlicht gar nichts mehr, was man untersuchen könnte. Wir hätten eine Subsumption aller Differenzen unter einen abstrakten Nutzenbegriff. Die entscheidende Frage für die Geisteswissenschaften ist also, warum jemand so reagiert, wie er reagiert, bzw. warum er das Objekt so wahrnimmt, wie er es wahrnimmt. Der
Der zweite, naheliegende Unterschied ist der. Die Volkswirtschaftlehre hat ein klar definiertes Ziel: Die optimale Resourcenallokation. Das kann entweder, wie bei Walter Eucken, durch die Gestaltung des Ordnungsrahmens geschehen oder, wie im Keynesianismus, durch eine Globalsteuerung, aber egal was immer auch die wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind, es wird davon ausgegangen, dass über entsprechende Anreizsysteme das System steuern lässt.
Der dritte Unterschied ist, dass das Erkenntnisobjekt der Volkswirtschaftslehre auch einigermaßen klar umrissen ist. Es das menschliche Verhalten, insofern es sich mit monetären Größen beobachten lässt.
Der vierte Unterschied ist dann, dass die Volkswirtschaftlehre, zumindest so, wie sie sich heute darstellt, bei Adam Smith und Alfred Marshall sieht das noch ganz anders aus, methodisch sehr eingeschränkt ist und sie sich klar von affinen Fächern wie Soziologie, Psychologie abgrenzen will.
Das Ziel der Geisteswissenschaften ist unklar. Fragt man zehn Leute nach dem Ziel der Geisteswissenschaften erhält man mindestens 20 Antworten. Gleichermaßen unklar ist das Erkenntnisobjekt. Selbst wenn dieses einigermaßen klar umrissen ist, wie z.B. bei der Linguistik, die beschäftigt sich mit der Sprache als Teilbereich der Semiotik, gibt es sehr viele Perspektiven unter denen die Sprache betrachtet werden kann. Methodologisch ist oft eine Abgrenzung zur Psychologie, Philosophie, Soziologie, etc. nicht erkennbar. Theoretisch wären also die Geisteswissenschaften der ideale Kandidat für eine interdisziplinäre herangehensweise, allerdings gilt das nur rein theoretisch. Rein praktisch gesehen gibt es kaum ein engstirnigeres, unkreativeres, langweiligeres Volk als die Geisteswissenschaftler. Wer sich jemals die Titel der dort erstellten Doktorarbeiten durchgelesen hat, muss zu dem Schluss kommen, dass man den Laden am besten dicht macht. Es geht also im folgenden nicht darum, was die Geisteswissenschaften konkret sind, worin also ihr Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung besteht, der ist derzeit Null, würde man alle geisteswissenschaftlichen Fakultäten schließen, würde das niemandem auffallen, sondern was sie sein könnten.