Schafft es eine Erkenntnis Allgemeingut zu werden, dann muss a) die beschriebene Situation oft eintreten, so dass der Spruch immer mal wieder angewendete werden kann und b) muss er dem Publikum spontan einleuchten. Das Bonmot von der Hoffnung, die zuletzt stirbt, erfüllt zweifelsfrei diese zwei Bedingungen und entsprechend ist der Bekanntheitsgrad. Unklar bleibt nur, von welcher Hoffnung hier die Rede ist, denn Hoffnungen gibt es aus systemischer Sicht mindestens drei.
(Wir reden hier nicht von konkreten Hoffnungen, also der Hoffnung im Lotto zu gewinnen, der Hoffnung eine Prüfung zu bestehen, der Hoffnung, dass das Bein nicht gebrochen ist etc. etc.. Es geht hier um die Systematik.)
Das ausgeklügeltetste Hoffnungssystem haben die monotheistischen Religionen. Das wird am Ende abgerechnet, beim jüngsten Gericht und wer immer der Meinung ist, dass er zu den Guten gehört, also jeder, wer ist schon der Meinung, dass er gemein, hinterhältig und bösartig ist, kommt in den Himmel. Da der Zeitpunkt des jüngsten Gerichts aber unbestimmt ist, kann diese Hoffnung nie enttäuscht werden. Des weiteren lassen sich mit dem strafenden Gott alle Pleiten, Pech und Pannen erklären und das Schicksal ist damit steuerbar. Pleiten, Pech und Pannen kommen immer dann zustande, wenn sich das auserwählte Volk mal wieder nicht gottesfürchtig benommen hat, wobei aber keiner weiß, was jetzt gerade mal wieder den Ingrimm Gottes hervorgerufen hat, aber irgendein Fehlverhalten lässt sich immer finden. In der Bibel steht ja auch nicht, was konkret die Bewohner von Sodom und Gomorra angestellt haben, aber irgendwas wird sich schon finden lassen, wenn Sodom und Gomorra durch ein Erdbeben, Meteorit, Blitzschlag oder was auch immer platt gemacht wurde. Würde man aber konzedieren, dass es z.B. ein Erdbeben war, wäre das natürlich schlecht, denn dagegen ist kein Kraut gewachsen. Wenn das Dorf aber platt gemacht wurde, weil die Bewohner Mick Jagger hörten und ihre Möbel zerschlagen haben, dann kann man das ja wieder flicken, indem man in Zukunft brav ist. Solange es also einen Gott gibt, den man besänftigen kann, kann die Hoffnung nicht sterben. Ein zorniger Gott ist da kein Problem. Ein Problem wäre nur kein Gott, aber das ist ex definitione ausgeschlossen.
Eine ähnliche Liga ist der Marxismus. Da ist das jüngste Gericht die Expropriation der Expropriateure, wobei kein Mensch genau sagen kann, wann da passiert. Sicher ist nur, irgendwann werden die kapitalistischen Wichte bestraft. Die Hoffnung stirbt also auch im Marxismus nicht, weil die Probe auf’s Exempel ja nie stattfindet.
Also dieser Typ von Hoffnung kann nie sterben und in diesen ist der zweite Typ eingebettet. Nur auf diesen Typ kann sich das Bonmot von der Hoffnung, die nie stirbt, beziehen. Dieser Typ von Hoffnung ist individuell. Da hofft z.B. ein Unternehmer, dass die Konkurrenz doch jetzt endlich mal Pleite macht, dass man eine Prüfung besteht, dass die Aktien endlich mal steigen, bzw. bei Leerkäufen, dass sie endlich mal fallen, dass mehr Regen fällt, dass die Sonne scheint etc. etc.. Die Hoffnung ist hier condition sine qua non des Handelns, weil ja niemand etwas tun wird, wenn er nicht erwartet, dass sein Handeln auch die erwarteten Ergebnisse zeitigt. Das Bonmot, obwohl es einleuchtend ist, macht hier überhaupt keinen Sinn. Wer z.B. als Unternehmer keine Rückschläge wegstecken kann, also seinen Weg weiter verfolgt, auch wenn es nicht so rund läuft, wie er sich das vorgestellt hat, der sollte besser keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgehen. Das Bonmot von der Hoffnung ist hier auch nichtssagend, weil das Scheitern hier Prozesse in Gang setzen wird, die in der Psychologie mit Coping bezeichnet werden. Das sind Prozesse, die weit komplizierter sind, als es das Bonmot suggeriert. Scheitern kann z.B. auch dazu führen, dass man seine Ziele in Frage stellt. Der gescheiterte Unternehmer, der jetzt keine dicken SUV mehr fahren kann, ist im ersten Moment vielleicht am Boden zerstört, entdeckt dann aber, dass er sich viel besser fühlt, wenn er mehr Fahrrad fährt. Individuelles Scheitern setzt also unter Umständen, also bei komplexeren Persönlichkeiten, die einfacher gestrickten, deren Lebenszweck auf ein Ziel gerichtet war und deren Identität davon abhängt, inwieweit dieses Ziel erreicht wird, erhängen sich vielleicht, einen komplexen Prozess in Gang. Das Handeln folgt hier aber einem behaviouristischen Ansatz, also es gibt Reize, auf die die Individuen reagieren.
Der dritte Typ von Hoffnung ist selten. Dieser zielt auf „große Ankunft“.
Oh greife weiter, weiter Sturm
und nimm auf deine starken Schwingen
den höchsten Stern, den kleinsten Wurm
uns endlich alle Heim zubringen
Hier sucht dann jemand für die komplexen Probleme der Welt eine komplexe Antwort. Das ist anstrengend, weil ein Handeln gefordert wird, für das es nicht mal unmittelbar eine Belohnung geben kann. Der Pessimist, oder gar der Zyniker, ist hier eindeutig in der besseren Position. Der Pessimist geht davon aus, dass die Dinge so oder so ihren Weg gehen und es folglich ausreicht, den Zeitläufen vom Sofa aus zuzuschauen. Der Zyniker geht noch einen Schritt weiter. „Große Ankunft“ ist für ihn gar kein Ziel. Je nach Intelligenz ist aber der zweite Typ Hoffnung in diesen eingebettet. (So der zweite Typ Hoffnung nicht in den ersten Typ Hoffnung eingebettet ist.) Pessimismus und Zynismus muss man sich also leisten können. Destruktiv bzgl. großer Ankunft kann man nur sein, wenn man sich sicher ist, dass man nicht irgendwann vom Totalcrash höchstpersönlich betroffen wird, wovon die meisten Leute, weitgehend zutreffend, ja ausgehen. Der Klimawandel wird ganz überwiegend in weit entfernten Regionen stattfinden.
Diese Hoffnung allerdings kann erst enttäuscht werden, wenn difinitiv feststeht, dass mit den gegebenen Mitteln große Ankunft nicht erreicht werden kann. Wer das jetzt pathetisch ausdrückt, hat mit dem Spott der Zyniker zu rechnen, aber wenn diese Hoffnung stirbt, dann stirbt wohl, zumindest moralisch, auch die Menschheit.