staunen, nicht ärgern

Was ist eigentlich konkret falsch an dem Geblubbere von Sarrazin, Maaßen, Chupralla, Weidel etc..

Die ganzen Organisationen, die sich jetzt um die Rettung von Flüchtlingen auf offener See und im Hinterland bemühen, sind da komplexer aufgestellt. Was Sarrazin und Co weiß, wissen die alle auch. Sie können die Probleme alleine auch nicht lösen. Sie können nichts dagegen tun, wenn riesige Migrationsbewegungen durch den Klimawandel, durch Bürgerkriege, durch Überfischung der Meere vor Somalia und Senegal durch europäische Finschfangflotten den Menschen ihre Lebensgrundlagen rauben, wenn durch absurde Zölle, z.B. steuerfreier Import von Kaffee und Kakao Bohnen, aber prohibitiv Zoll auf höheren Verarbeitungsstufen verhindert wird, dass die Wertschöpfung in den Anbaugebieten stattfindet, wenn der Jemen mit Waffen europäischer und amerikanischer Produktion in Schutt und Asche gelegt wird, sie können nicht dagegen tun, dass in Afghanistan alle Fehler gemacht wurden, die man nur machen kann und das obwohl zu Afghanistan, in Khost war in den siebziger Jahren das größte deutsche Entwicklungsprojekt, ausreichend Daten vorhanden waren um effektiv zu arbeiten etc. etc.. Sie könne aber einen Beitrag dazu leisten, dass das Problem vor die Haustür gestellt wird und damit sichtbar wird. Ein Problem in seiner ganzen Pracht darzustellen ist erstmal der intellektuell forderndere Ansatz.

Migrationsbewegungen sind eine äußerst komplexe Angelegenheit. Jede Geschichte ist irgendwie anders. Da gibt es syrische Familien, die zuerst nach Ägypten geflohen sind, nachdem in ihrer Wohnung in Homs das Dach weggeschossen worden ist, in Ägypten dann aber auch nicht mehr bleiben konnten, seit Abd al-Fattah as-Sisi dort am Ruder ist, da gibt es Kurden, aus dem Sindschar Gebirge, die vor Al Quaida geflüchtet sind, da gibt es unbegleitete Jugendliche aus Gambia, die es irgendwie in Badelatschen bis zum Lageso in Berlin geschafft haben, da gibt es die persische Karatekämpferin aus der Nationalmannschaft, die kein Kopftuch mehr tragen wollte, den palästinenschen Lehrer für Englisch und den syrischen Doktoranden der Mathematik, die Äthioperien, bei der die Äthiopier meinten, sie sei eigentlich keine Amharin sondern eine Tigray und in einer Nacht und Nebel Aktion an die Grenze verfrachtet wurde, den persischen Angestellten bei Khodro, der sich gewerkschaftlich organisiert hat und mit den Pasdaran in Clinch geriet etc. etc.. Beschäftigt man sich damit, wird das enorm kompliziert. Hinter einer Million Flüchtlingen stecken eine Million Einzelschicksale. Um zu verstehen, was da jeweils ablief, muss man tatsächlich den gesamten Hintergrund aufrollen. Sarrazin und Co behandeln das ziemlich undercomplex: Afghane ist mit Axt auf Fahrgäste im Zug losgegangen, „arabische“ Jugendliche machen Randale vor dem Kölner Dom, Syrer geht mit Messer auf Passanten los. Alles richtig, alles schrecklich, aber nur ein Quadratzentimeter eines zehn Quadratmeter großen Bildes.

Sarrazin und Co haben es dann ganz allgemein mit den „Arabern“ oder den „Moslems“, die der deutschen Kultur immer und auf ewig völlig fremd gegenüberstehen. Die „Araber“ und die „Moslems“ gibt es aber gar nicht. Den Persern geht der ganze Islam völlig am Arsch vorbei. Eine homogene Gruppe „Araber“ gibt es nicht. Die Syrer sind völlig westlich und haben einen hohen Bildungsstandard, die Tunesier sind mehr Franzosen als Araber, was immer man auch mit Araber verdindet. Selbst zwischen arabischen Staaten, die stärker von Islam geprägt sind, gibt es enorme Unterschiede. Marokko und Saudi Arabien sind völlig unterschiedlich, wobei sich die unterschiedlichen Verhältnisse eher aus der politischen Verhältnissen ergeben.

Das Problem mit Sarrazin und Co ist, dass durch den mediale Präsenz eine lösungsorientierte Diskussion nicht mehr stattfindet und man sich nur noch über die vermeintliche Umvolkung durch den Ansturm arabischer Massen unterhält. Zielführender wäre eine Diskussion über die schnellere Anerkennung ausländischer Zeugnisse und beruflichen Qualifikationen, zielführende Weiterbildungen, Optimierung des Angebots für Deutsch als Fremdsprache (insbesondere Lehrmittel, die dem state of the art entsprechen und nicht didaktisch aufgebaut sind wie Lehrbücher aus den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, Abschaffung des Goethe Zertifikats etc.), Anerkennung der jeweiligen Muttesprache als zweite Fremdsprache an Gymnasien, Einbindung von muttersprachlichen Lehrern aus dem jeweiligen Kulturkreis, die abschätzen, können, welchen Hintergrund die Kinder haben etc.. Sarrazin und Co haben Recht, das wissen allerdings alle, dass ein Großteil der Migrationsbewegungen wirtschaftliche Gründe hat. Dann wären aber ein Technologietransfer in diese Länder wesentlich zielführender als der Aufbau irgendwelcher Zentren in Tunesien oder Libyen, wo der Asylantrag geprüft wird, wesentlich sinnvoller. Machen die Europäer das nicht, machen das die Chinesen. Es soll sich dann in 10 Jahren niemand über den Einfluss von China in z.B. Afrika beschweren. Eigentlich müsste der Technologietransfer für Europa einfacher sein, als für Chinesen, da Englisch und Französische in Afrika weit verbreitet ist und teilweise auch enge Beziehungen bestehen. Dieser Technologietransfer braucht einen konkreten Fokus, der auf die Bedingungen der jeweiligen Länder abgestimmt ist. Kleinteilige Geräte zur Aufbereitung von Wasser, Entsalzung von Grundwasser, Aufbereitung von Brauchwasser, Entsalzung von Meerwasser, https://www.spektrum.de/wissen/nachhaltige-loesungen-gegen-wasserknappheit-und-hunger-in-afrika/1691144, kleinteilige Anlagen zur Stromerzeugung, Abschaffung aller Zölle beim Import nach Europa, ein Land wie Deutschland, mit einem enormen Leistungsbilanzüberschuss braucht keine Zölle. Es macht auch wenig Sinn, in Äthiopien mit deutschen Steuergeldern eine Universität hinzustellen, wenn dann die Dozenten fehlen. Dass man Post-Docs aus diesen Ländern die Möglichkeiten gibt, in Deutschland wissenschaftlich zu arbeiten macht Sinn. Allerdings nur dann, wenn die Ergebnisse dieser Forschung in den Ländern auch genutzt werden kann, also z.B. im Bereich Informatik. Auf dem Gebieter der Molekularbiologie ist das weniger sinnvoll, weil die Herkunftsländer aufgrund der enormen Kosten dieser Forschung nie zu irgendwelchen relevanten Erkenntnissen kommen werden.

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