Gamification ist das ultimative Buzzword im Bereich e-learning / digitale Lernmedien. Gibt man bei Onkel google gamification und e-learning ein, bekommt man sagenhafte 9 Millionen Treffer. Da erklären einem dann Tausende von Leuten, dass gamification der letzte Schrei ist. Bleibt nur eine Frage: Was ist eigentlich gamification?
Schaut man sich die Programme an, die mit total lustiger gamification den ultimativen Motivationsschub liefern, findet man das leicht heraus. Die Grundprinzipien sind die gleichen, die man halt von Spielen, angefangen bei Mensch-ärgere-dich-nicht über Schach bis zu Fussball halt so kennt: Der Mensch will gewinnen oder zumindest en positives Erfolgserlebnis haben. Letzteres bekommt er, wenn das Programm freundlich auf die Schulter klopft und HURRA schreit, sich ein Fortschrittsbalken nach vorne schiebt oder sonst irgendwie das Ego streichelt und ersteres, wenn die eigene Leistung mit der Leistung von anderen verglichen wird. Am schönsten ist es natürlich, wenn die Belohnung in Cash erfolgt, das geht aber nur beim Günther, denn die Millionen, die das ausgezahlt werden, müssen ja irgendwo herkommen. Gamification beruht also auf recht einfachen Prinzipien, man könnte auch sagen, es ist ein behaviouristiscer Ansatz. Auf jede Aktion, gibt es eine unmittelbare Belohnung. Dieser Ansatz allerdings, ist überhaupt nicht neu, sondern älter als die grünen Hügel Afrikas. Der Ansatz stammt von Skinner. Der stellte fest, dass eine Ratte desto schneller lernt, auf einen Hebel zu drücken, je dicker der Käse ist, den sie dafür erhält. (Wir fassen das jetzt mal zusammen und kürzen ein bisschen ab.) Gamification oder Behaviourismus beruht also auf äußerst simplen Mechanismen, man könnte, wenn man bösartig ist auch sagen, die Mechanismen sind in der elemtaren Triebstruktur des Menschen verankert.
Was ist jetzt, sagen wir mal, merkwürdig an diesem Ansatz? Merkwürdig an dem Ansatz ist zum einen, dass von Inhalten völlig abstrahiert wird. Die Mechanismen, auf dene gamification beruht, sind immer die gleichen, egal was eigentlich vermittelt werden soll. Das hat Auswirkungen auf die Inhalten, da die Inhalte so aufbereitet werden müssen, dass sie gamification fähig sind.
Was will uns der Dichter mit seinem Werk sagen? Machen wir uns das an einem Beispiel klar. Fragt Günther in der berühmten Quiz Show „Wer hat am meisten Müll im Hirn“ nach dem Geburtsjahr von Johann Wolfgang Goethe, dann ist die Antwort eindeutig und der Kandidat kommt, so die Antwort 1749 lautet, eine Rund weiter. Auf eine Frage dieser Art, die ja eigentlich die relevante Frage ist, ist die Antwort nicht mehr eindeutig. Fragen z.B. könnte mann auch sowas, das wäre dann ein hübsches Thema für einen Abituraufsatz. Faust sagt zu Mephistopheles, im Studierzimmer, „Hörst du mich zum Augenblicke sagen / Verweile doch du bist so schön / Dann magst du mich in Ketten schlagen / Dann will ich gern zugrunde gehen“. Im Prolog im Himmel bezeichnet Gott Faust als seinen Knecht. Welcher Zusammenhang besteht zwischen diesen beiden Szenen?
Auf diese Frage gibt es dann keine eindeutige Antwort mehr, insbesondere keine, die Günther noch verstehen würde, aber das wäre eine relevante Frage. Hat Goethes Wolfgang nur wirres Zeug geschrieben, ist es eigentlich egal, wann er geboren wurde. Wirres Zeug schreiben viele. Der Geburtstag von Maier, Müller, Schulze, Schmidt wäre dann so relevant oder irrlevant wie der von Goethe. Eine gewissen Relevanz hat das Datum seines Geburtstages nur, weil er Bedenkenswertes wortmächtig niedergeschrieben hat.
Der Gamification Ansatz ist völlig indifferent, was die Inhalte angeht und folgerichtig gibt es auch Quizschows in x beliebigen Variationen, die alle nach dem gleichen Schema funktionieren, auch wenn die Themen, die Gegenstand der Quizshow sind, unterschiedlich sind. Im Grunde macht es auch keinen Unterschied, ob man sich in einer Quizshow was merken muss, wie bei Rudi Carrell, auf einer Stange balanciert, die Geschwindigkeit, mit der geantwortet wird bedeutsam ist, ob mehrere Parteien gegeneinander antreten, ob Gegenstand der Quizschow Skurrilitäten sind oder noch weitgehende der Allgemeinbidung zugerechnet werden können, ob ein Ball durch ein Loch muss oder was auch immer. Die Grundstruktur ist immer dieselbe. Die Inhalte sind völlig beliebig und das ganze ist eben so spaßig wie Monopoly, Mensch-ärgere-dich-nicht, Memory und was es sonst noch alles gibt, denn die Mechanismen dahinter sind immer dieselben.
Damit ähnelt der unglaublich spaßige Gamification Ansatz dem, was wir aus der Schule kennen. In der Schule gibt es Anreize, negative und positive, wobei die Inhalte etwas in den Hintergrund rücken. Ob Trigonometrie, Dreißigjähriger Krieg, Avogadro Konstante, present perfect continuous oder Aktionspotential, das didaktische Prinzip ist immer das gleiche. Bei richtigen Antworten wird das Ego qua Notengebung gestreichelt und bei falschen Antworten eben nicht. Das hat Auswirkungen auf die Bemühungen die Dinge didaktisch aufzubereiten, da sich der Lehrer ja nicht mehr viel Mühe geben muss. Er muss nur die Dinge so verpacken, dass sie gamification fähig sind. Anders formuliert. Er muss die Dinge so verpacken, dass man sie gut abfragen kann. Da im Schulbetrieb die Kundschaft qua Gesetz und institutionell verankert angeliefert wird, brauch man sich um Didaktik keinen Kopf mehr zu machen.