Gibt man „Existiert Gott“ bei google ein, erhält man 22100 Treffer. (Anführungszeichen nicht vergessen, andernfalls erhält man alle Seiten, wo der Begriff irgendwo auftaucht.) Die Frage, ob Gott überhaupt existiert, hat sogar einen Beitrag in Wikipedia. (Der referiert dann ein Buch Hans Küng.) „Braucht man Gott“ bringt es nur auf 11700 Treffer. Das ist jetzt natürlich nicht besonders respräsentativ, weil man die Fragen ja mit X Kombinationen an Wörter stellen könnte, z.B. „Gibt es Gott“(258000 Treffer). Im Großen und Ganzen ist das Ergebnis aber ziemlich eindeutig. Die Frage nach der Existenz Gottes scheint weit mehr zu interessieren, als die Frage, ob man ihn braucht.
(Wobei das natürlich auch nicht besonders aussagekräftig ist, denn die meisten Leute stellen sich weder die eine noch die andere Frage.)
Das ist eigentlich merkwürdig, denn die Tatsache, dass etwas existiert, heißt noch lange nicht, dass man es braucht. Es gibt ja unendliche viele Dinge, die zwar existieren, aber zu nichts zu gebrauchen sind. Problematischer ist im übrigen der umgekehrte Fall. Es gibt sehr viele Dinge, die man brauchen könnte, die aber nicht existieren. Philosophisch betrachtet ist es also das Brauchen, das den Möglichkeitsraum eröffnet und nicht das Existieren. Wird etwas gebraucht, was nicht existiert, dann besteht ein Kraft, die es unter Umständen existieren lässt.
Die Dominanz der Frage nach der Existenz Gottes lässt sich eigentlich nur so erklären, dass die Leute ein Vorverständnis von Gott haben. Also irgendeinen dubiosen Kuddelmuddel im Hirn haben. Irgendwie wird unbewusst hypostasiert, dass das Leben einen Sinn ergäbe, wenn Gott existierte, die Menschen dann besser wären, die Bösen irgendwann bestraft werden etc. etc… Geht man hiervon aus, macht die Frage nach der Existenz Gottes Sinn. Ist er nicht da, macht, unter diesen Auspizien, das Leben keinen Sinn, die Bösen werden nicht bestraft, nach dem Tod ist Feierabend etc..
Der bayrische Papst meinte ja auch, dass sich die Würde des Menschen nur über den Umweg über Gott begründen lasse. Die würde des Menschen gründe sich in der Tatsache, dass er von Gott erschaffen wurde. Diese These ist allerdings nicht so richtig empirisch belastbar und insbesondere bei der katholischen Kirche scheint die Würde der Kinder Gottes antastbar zu sein. Die Psychologie sieht das ja bekanntlich anders. Wenn der Herr Ratzinger nur über den Umweg über Gott Empathie für seine Mitmenschen hegt, letztlich heißt der Satz „die Würde des Menschen ist unantastbar“, Artikel I Grundgesetz, dass man Menschen, die bedroht sind, aus welchen Gründen auch immer, schützt und verteidigt, was ja nichts anderes ist als Empathie, dann würde die Psychologie von einem Krankheitsbild sprechen. Die Psychologie liefert für den Mangel an Empathie bzw. die komplette Unfähigkeit zur Empathie eine Menge Erklärungen, allerdings ist die Abwesenheit Gottes nicht unter den möglichen Symptomen gelistet.
Zur Relevanz der Frage nach der Existenz Gottes wird an prominenter Stelle diskutiert, denn Johann Wolfgang von Goethe höchstselbst beschäftigt sich damit in seinem Opus Magnus, also dem Faust, allerdings ist die Kernaussage konträr zu den Vorstellungen der immer mal wieder gepriesenen abendländischen Kultur, auch wenn die message bei vielen Deutschlehrern und zahlreichen Interpretationhilfen von allen möglichen Schulbuchverlagen nicht angekommen ist.
In Kürze dargestellt ist das so. Im Faust erscheint Gott leibhaftig auf der Bühne, im Prolog im Himmel, verneint wird seine Existenz also nicht. Allerdings endet der Tragödie zweiter Teil mit den Worten
Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Alle drei, das Vergängliche, das Unzulängliche und das Unbeschreibliche beziehen sich auf das Dieseits. Das Vergängliche zielt, naheliegenderweise, auf das Diesseits, also das Leben, denn wenn dieses endet, beginnt das Jenseits und das Leben ist nun mal höchst vergänglich. (Woraus wir folgern können, dass es Steine nie ins Jenseits schaffen, denn die sind unvergänglich.) Diese Leben also ist ein Gleichnis. Fragt sich nur noch für was? Das bleibt allerdings unklar. Das Leben soll uns aber ermöglichen, einen Wesenskern zu erfahren, was aber durch das Gewusel der menschlichen Aktivitäten nur unzulänglich erkennbar ist, auch wenn man durch intensives Betrachten desselben erahnen kann, dass sowas vorhanden ist.
Betrachtet man jedoch das ganze Werk, also den Anfang, dann liegt die Vermutung nahe, dass Gott diesen Wesenkern auch nicht kennt. Der Tragödie erster Teil beginnt nämlich mit dem Prolog im Himmel.
Nachdem die Engel die Rahmenbedingungen des irdischen Gewühles beschrieben haben, „die Sonne tönt in alter Weise / in Brudersphären Wettgesang / und ihre vorgeschriebene Reise vollendet sie mit Donnergang….“ tritt Mephistopheles, ein im übrigen und insgesamt mit viel Mutterwitz ausgestatter sympathischer Geselle auf den Plan.
Der Herr:
Kennst du den Faust?