Das gleiche trifft im übrigen zu, wenn Kinder zweisprachig aufwachsen. Das geht tatsächlich, aber nur deshalb, weil sich dann sehr viele Leute als ehrenamtliche Lehrer betätigen. Der Autor dieser Zeilen kennt tatsächlich viele Kinder, die zweisprachig aufwachsen, aber mühelos ist da ziemlich relativ. Oft gibt es noch die Konstellation, dass die Eltern in einer dritten Sprache kommunizieren, z.B. Englisch, Papa und Mama sich aber mit den Kids in der jeweiligen Muttersprache unterhalten. Eine andere Konstellation ist, dass die Eltern eine gemeinsame Muttersprache haben, die Kids aber in einem Umfeld mit einer anderen Sprache aufwachsen. (Was dann im übrigen oft dazu führt, dass die Kids die Sprache der Eltern nicht für voll nehmen, mit dem Ergebnis, dass man sich auf die Sprache des Umfeldes einigt. Dann gibt es noch die Möglichkeit der Mikromillieus, dann gibt es Probleme mit der Standardsprache. Also mühelos ist da gar nix.)
Das Hauptproblem ist aber ein anderes. Gamification ist ein buzzword ohne Inhalt, denn die gamification läuft meistens darauf hinaus, dass man irgendwelche Lücken ausfüllt und irgendwas virtuell geschenkt bekommt, z.B. bei Busuu ein Bäumchen oder ein aufpoppender Smiley, bzw. man erfährt, wie performant andere waren beim Kästchen ausfüllen. Wer das spaßig findet, an dem ist das tobende Leben irgendwie vorbei gegangen. Wenn das spaßig ist, dann ist auch der Käfig von Skinner spassig. Die Ratte will an den Käse und durch das unmittelbare Feedback, Ratte drückt Hebel und kommt an den Käse, lernt die Ratte dann was. Wir sehen ein, dass das die einzige Möglichkeit ist, der Ratte was beizubringen, denn der Horizont des tobende Leben ist für die Ratte eben der Käse. Wenn diese Programme also vorgeben, dass die Strategie „wissenschaftlich“ begründet ist, dann stimmt das sogar, allerdings ist das der wissenschaftliche Stand der fünfziger Jahre. Näheres hier: https://courses.lumenlearning.com/atd-hostos-childdevelopment/chapter/human-language-development/
Die wissenschaftliche Debatte läuft etwas anders. Bei der wissenschaftlichen Debatte geht es eher um die mögliche Transferleistung, das wollen wir hier aber nicht ausführen und belassen es bei einer Bemerkung. Beim Erwerb der Muttersprache müssen nicht nur die Wörter gelernt werden, sondern aus deren Bedeutung. Ein Kind weiß noch gar nicht, was „nervös“ bedeutet, es lernt also auch allmählich durch trial and error auch die Bedeutung. Beim Erwerb der Fremdsprache ist die Bedeutung bereits bekannt. „Nervös“ ist aus Spanisch „nervioso“. Es muss also lediglich übersetzt werden. Schon das macht klar, Erwerb einer Fremdsprache ist etwas TOTAL ANDERES als der Erwerb der Muttersprache. Bei Erwerb einer Fremdsprache haben wir ausnahmlos und immer eine Transferleistung, deshalb lernt man eine Fremdsprache auch schneller als die Muttersprache.
Wer jetzt im Detail wissen will, wie die wissenschaftliche Debatte im Jahre 2021 aussieht, kann sich durch eines unserer Sprachportale durcharbeiten. Da wird das dann anhand von praktischen Beispielen illustriert, indem versucht wird, das inhärente Wissen des Muttersprachlers zu aktivieren.