Komlexer wird es dann hier. Die Aussage, dass allein die ordinale Nutzenmessung wertfrei ist, deckt sich nicht ganz mit den empirischen Daten. Die Studie von Richard Wilkinson beruht teilweise auf medizinischen Erhebungen. Den Aussagen von Pareto kann eigentlich nur zustimmen, wer ein in sich geschlossenes, faschistoides Weltbild hat, wobe das Pareto Optimum noch die Variante light ist. Wer Pareto live and colour haben will, kann sich das hier anschauen: https://economics-reloaded.de/2_Neoklassik/2_4_Vilfredo_Pareto/2_4_1_Soziologie.htm
Das ist ein Vortrag von Richard Wilkinson, der ist Professor an allen möglichen amerikanischen Unis. Details siehe Wikipedia. Der bringt, mittels einer statistischen Materialschlacht, ein weiteres Argument, warum eine sehr ungleiche Verteilung letztlich die Fundamente der Marktwirtschaft und der Demokratie aushöhlt. Das andere Argument wäre, dass bei einer sehr hohen Ungleichverteilung die Allokation der Resourcen ineffizient wird, also das zentrale Moment marktwirtschaftlicher Ordnungen untergraben wird, siehe https://theatrum-mundi.de/vermoegensverteilung-und-effizienz/.
Richard Wilkinson stellt auf einen anderen Zusammenhang ab. Ob die Werte stimmen, sei jetzt erstmal dahingestellt, die These ist aber auch intuitiv, insbesondere in Bezug auf manche Parameter, einleuchtend. Die These ist, was er mit zahlreichen Statistiken beweißt, dass bestimmte Werte, Lebenserwartung, Bildung, Kindersterblichkeit, Selbstmordrate, Verurteilungen zu Gefängnisstrafen, Geburtenrate, psychische Probleme, Übergewicht, Drogenkonsum, soziale Mobilität mit dem Grad an Ungleichheit korrelieren. Die Probleme korrelieren also nicht mit dem absoluten Einkommen, sondern mit dem Grad der Einkommensungleichheit und hier gilt nun mal die Generalregel, so dass auch ohne statistische Materialschlacht, die These plausibel erscheint. Marktwirtschaftliche Ordnungen tendieren nun mal dazu, sich in die Gesellschaft immer tiefer hineinzufressen und in einer solchen Ordnung, wird nun mal alles in Geld gemessen. Denkbar wäre natürlich auch, dass andere Werte gelten, soziales Engagement, Bildung, Witz, Aussehen, Problemlösungskompetenz, Empathie oder was auch immer. Auf den Punkt bringt das Hayek: Geld ist zwar nicht der Endzweck, wobei das nicht mal so sicher ist, da kann Hayek durchaus irren, aber mit Geld lässt sich nun mal jedes Zahl einfacher realisieren. Geld ist also der absolute Wertmaßstab und das wird eben nun mal in der marktwirtschaftlichen Ordnung in einer Konkurrenzsituation erworben, da gibt es also Verlierer und Gewinner und für irgendwelche höheren Werte bleibt da wenig Platz. Wir haben eine race to the bottom oder, wie Ökonomen das humorvoll ausdrücken, es gewinnt die Grenzmoral. Kooperation gibt es nur, solange sie konkrete monetäre Vorteile bringt, ansonsten herrscht Misstrauen. Unter diesen Auspizien hat für Adorno selbst noch der Adel einen gewissen Charme (beschreibt er irgendwo in der Minima Moralia). Der Adel ist traditionell nicht auf das Erwerbsleben ausgerichtet, der hat sein Vermögen ja geerbt, betrachtet von daher seine Umwelt nicht nach Nützlichkeit. Da er jetzt aber in eine durch und durch vom Gewinnstreben beherrschte Welt geraten ist, ist er etwas hilflos. Lieb und der Kunst zugetan, aber etwas hilflos. Die Martwirtschaft affiziert auch den Geist. Wer jetzt meint, dass die Geisteswissenschaften hier ein Gegenpol bilden, der irrt. Werben diese für sich, dann geht es um die Relevanz im business. Die Konrad Adenauer bringt es auf den Punkt. (Wobei das noch die Variante light ist.)
„Ob es sich hier um Sinologie oder Indologie handelt, um die Islamwissenschaften oder um Afrikanistik: Diese Fächer sind wichtig im und für den internationalen Dialog, wichtig für eine Verständigung der Völker und Kulturen. Ohne diese Dialogkompetenzen wird es keine Geschäfte und keine politische Verständigung geben. Es ist also geradezu absurd, die Frage nach der Nützlichkeit der Geisteswissenschaften zu stellen, es sei denn, man legt einen völlig falschen Begriff von Nützlichkeit an.“
https://www.kas.de/de/einzeltitel/-/content/sinn-und-nutzen-der-geisteswissenschaften
Also der Geist macht auch Geschäfte, bzw. bahnt solche an. Wir akzeptieren also erstmal, dass in einer marktwirtschaftlichen Ordnung eine gewissen Ungleichheit vorhanden ist. Das Gegenteil wäre ja im übrigen extrem ungerecht. Da würde sich dann manche Leute den Arsch aufreisen und hätten genau so viel wie die anderen. Wir können aber auch akzeptieren, dass die Ungleichheit ein Maß annehmen kann, dass auch marktwirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist, nämlich dann, wenn diese zu einer suboptimalen Allokation der Resourcen führt: https://theatrum-mundi.de/vermoegensverteilung-und-effizienz/.
Will man einen Hebel finden, wie man das System der Ungleichheit aus den Angeln heben kann, bzw. prognostizieren, wie sich ein System, das extreme Ungleichheit generiert langfristig entwickeln wird, dann muss man Tendenzen in der Realität finden, die in diese Richtung gehen.