Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Der Autor würde sagen, da drückt sich Faust im bekannten Drama Goethes etwas unklar aus, bzw. was er sagen will, ergibt sich nur auch dem Kontext. Aus dem Kontext ergibt sich nämlich eindeutig
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei and Medizin,
Und leider auch Theologie
dass er eine Menge weiß. Er weiß auch mehr als die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen, was ja nur Sinn macht, wenn auf eine quantitaive Größe abgestellt wird. Es handelt sich also nicht um ein erkenntnistheoretisches Problem, also irgendetwas aus der Liga des kantschen „Ding an sich“. Der letzte Vers
Dass ich erkenne, was die Welt
im Innersten zusammenhält
verweist dann zwar auf ein Erkenntnisproblem, aber die Unmöglichkeit bzw. Schwierigkeit etwas zu erkennen, ist in der Gesamtschau nicht sein Problem. Sein Problem ist, dass sein Wissen nicht bedeutsam ist. Was er weiß, BEDEUTET zwar irgendwas, aber es ist subjektiv nicht für ihn BEDEUTSAM. Um was es geht, wird beim zweiten Auftreten von Mephistopheles im Studierzimmer deutlich. Ein erkenntnistheoretisches Problem wird nur an dieser einen Stelle, also im oben genannten Schlussvers des berühmten Monologs addressiert. Um was es eigentlich geht, kann man dem Dialog mit Mephistopheles im Studierzimmer entnehmen und das ist dann das Programm für den Rest des Dramas.
In jedem Kleide werd‘ ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Dass es um Bedeutsamkeit geht und nicht um Erkenntnis, lässt sich noch anhand x-anderer Stellen belegen z.B.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Im Laufe des Dramas durchläuft Faust zwar einen „Erkenntnisprozess“, aber durch diesen offenbart sich ihm nicht Wahrheit, sondern Bedeutsamkeit. Rein praktisch gesehen ist eine bedeutsame Lüge weit spannender, als eine bedeutungslose Wahrheit. Wobei bei der bedeutsamen Lüge eben ein ethisches Spannungsfeld aufgemacht wird, das im Drama adressiert wird und letzlich dadurch aufgelöst wird, dass Faust nach einer langen Reihe an Pleiten, Pech und Pannen zu der „Erkenntnis“, besser Erfahrung, gelangt, dass Bedeutsamkeit nur durch die Entwicklung der Menschheit in ihrer Gesamtheit möglich ist.
Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
(Diese Frau liegt also vollkommen falsch. https://www.deutschlandfunkkultur.de/kant-reloaded-was-kann-ich-wissen-100.html?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE. Als Gegenentwurf zur gewollten Ignoranz eignet sich Faust weniger. Sucht man einen Gegenentwurf für bedeutunglosen Bildungsmüll, dann passt Goethes Faust schon eher. Den ganzen Rest an an den Haaren herbeigezogenen Interpretationen sparen wir uns jetzt. Nein, das Gespräch zwischen Gott und Mephistopheles im Prolog des Himmels rekurriert nicht auf Hiob. Bei Hiob geht es darum, dass er an seinem Glauben an Gott trotz aller Widrigkeiten FESTHÄLT. Faust ist der Knecht Gottes, weil er NICHT glaubt. Gott will, dass er NICHT glaubt. Wer das nicht versteht, versteht den ganzen Ansatz im Faust nicht.)
Die Probleme, die die Fans von Blinklist haben, kann der Autor dieser Zeilen im übrigen lösen.
„Das Wirtschaftsmagazin BRAND EINS kürte sie zum “Hidden Champion der deutschen Start-up-Szene”, für ZEIT ONLINE ist sie “die perfekte Lösung für die Generation der gestressten Smartphone-Großstädter” und laut der Computerzeitschrift T3N hat sie “das Lesen von Sachbüchern in das digitale Zeitalter überführt.” Die App Blinkist bringt die Kernaussagen tausender Sachbücher auf das Smartphone. In nur 15 Minuten kann man sich so das Wissen eines dicken Sachbuchs aneignen. Ein Konzept, das überzeugt: Letzten Monat hat Blinkist die 17-Millionen-Nutzer-Marke geknackt. Kurzum: Blinkist ist in aller Munde. Aber was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Hype um die neue Trend-App und wer sind die Nutzer? “
Wenn die Smartphone-Großstäder gestresst sind, dann ist es sicher nicht zielführend, sich auch noch irgendwelchen Quark in die Birne zu tun und sich noch mehr zu stressen. Einfach gemütlich ausschlafen, dann relaxed Capuccino und Croissant frühstücken, unter Umständen noch eine Schrippe für die Möwen, Krähen, Spatzen kaufen und sich am Ufer der Spree, auf einem Berg, in einem Park gut gehen lassen. Problem gelöst.
Es geht beim Faust nicht um Sokrates à la Popper, also dass alles nur vorläufig wahr ist bis zur Falsifizierung. Wenn überhaupt, dann ist es Sokrates à la Kierkegaard: Denken muss vom Subjekt her gedacht werden, soll wohl heißen bedeutsam sein.
Im Grunde ist das aber einfach. Ist die Welt unbedeutsam, dann sollte man sich auf den Weg machen, also frei nach Goethe: Dem Tüchtigen, ist diese Welt nicht stumm. Wer ein Erkenntnisproblem hat, also z.B. mit der App Programmierung hadert, der muss halt Wissenslücken füllen.