Das wenige, was sich empirisch belastbar sagen lässt, einfach weil man es dick und fett vor der Nase hat, ist das „heimatliebende“ dazu tendieren, Traditionen, Kleidung, Bräuche zu übernehmen. Das muss nicht mal schlecht sein, solange es gelingt, mit diesen Traditionen an die konkrete Welterfahrung anzuschließen.
Ziemlich dramatisch gelingt das z.B. hier:
Offensichtlich arbeiten die mit Tanzfiguren die im Kaukasus üblich sind und haben die umgebaut um sich so höchst respektvoll selbst zu feiern. Eine ähnliche Nummer ist das:
Die Mädels hauen das Ballett der deutschen Oper in Berlin glatt in die Pfanne, aber gnadenlos. Der Tanz ist alt, aber was die draus machen, ist dann brandneu. Das ist sozusagen die Explosion der Lebensfreude.
Heimat kann man verdichten. Das macht z.B. Heinrich Zille, der Besonderheiten des Berliner Milljöh porträtierte. Einige Shopping Malls in Berlin haben das aufgegriffen und in den Boden alle möglichen Gedichte in berlinerischen Dialekt eingraviert.
Ganz witzig ist auch das:
Bei all diesen Beispielen wird aber Tradition durch eine individuelle Auseinandersetzung verändert und genau das passiert eben typischerweise bei der Übernahme von heimatlichen Traditionen und Brauchtum nicht. Traditionen und Brauchtum werden bei den heimatverliebten zu Ritualen und Kennzeichnung des Rituals ist eben, dass die individualisierte Durchdringung fehlt. Diese Art der Heimatliebe, sie dürfte bei den Apologeten derselben dominieren, behindern die geistige, kulturelle Entwicklung. Da gilt dann, was Schiller schon vor über 200 Jahren auffiel.
In engem Kreis, verengert sich der Sinn
es wächst der Mensch, mit seinen höheren Zwecken
Vermutlich haben die Leute, die zu regionalen Traditionen und Brauchtum einen individuellen Zugang finden auch wenig Probleme, das mit allen Traditionen und Bräuchen zu vermischen. Dazu gibt es dann auch tonnenweise Beispiele:
Rein theoretisch kann man also aus den Traditionen und Bräuchen der Heimat was machen. Die Jungmänner von der Afd, die Mädels können wir in diesem Zusammenhang vernachlässigen, da sie statistisch nicht ins Gewicht fallen, haben aber eine Beziehung zur Heimat die eher „wrong or right my country“ meint, bzw. es ist komplett unklar, was mit „Liebe zur Heimat, zur eigenen Kultur und Traditionen des Vaterlandes“ eigentlich gemeint ist. Ob die Mehrheit der Deutschen ihre Heimat liebt, kann man mit Hannes Wader bezweifeln.
Ich glaube zwischen Kartoffeln und Blumenkohl
fühlt ich mich heute nicht mehr wohl
gleiche Liga Brandenburg
In Brandenburg, in Brandenburg
ist weder jemand gegen einen Baum gegurckt
was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg
aber abgesehen davon ist der Begriff Heimat vollkommen unbestimmt. Sagen lässt sich nur, dass er erstmal nicht nach einer individuellen Durchdringung verlangt. Der Ort, wo man gerade wohnt bzw. aufgewachsen ist, ist erstmal einfach so da und zu dem, was einfach so da ist, soll man dann eine Liebe entwickeln. Einfacher nachvollziehbar ist da eine Liebe zum Kühlschrank, zum Fernsessel oder zum Bett. Schwieriger wird es dann mit dem Begriff Kultur. Kultur ist etwas, was nicht einfach so da ist, sondern Ergebnis einer Entwicklung ist. Kultur ist all das, was man an prägenden Erlebnissen im Verlaufe seines Lebens bewusst oder unbewusst, lediglich passiv rezipierend oder aktiv sich aneignend mitgenommen hat. Wenn aber die Kultur das Resultat eines Prozesses ist, dann stellt sich natürlich die Frage, wie man diese a priori, das heißt noch vor jeder Erfahrung und in völliger Unkenntnis des Ergebnisses, lieben soll? Eine Frau kann man a priori lieben, das heißt ohne sie näher zu kennen, das ist sogar der Normalfall. Aber eine Frau steht dann wenigstens, zumindest normalerweise, leibhaftig, oder zumindest ein Bild, vor einem. Die Kultur allerdings existiert, auf der Ebene des Individuums, erst Mal schlicht gar nicht. Noch kritischer ist allerdings das Adjektiv „eigener“. Theoretisch könnte man, dann wäre es plausibel, dass jeder EINZELNE eben seine eigene Kultur hat, der eine mag Die Toten Hosen und der andere eben Chopin. Offensichtlich ist das aber nicht gemeint. Das eigene bezieht sich auf Vaterland, also alle sollen die gleiche Kultur lieben. Aber mal abgesehen davon, dass a priori etwas geliebt werden soll, was erst Mal gar nicht existiert, gibt es noch ein zweites Problem. Eine deutsche Kultur gibt es schlicht gar nicht. Nimmt man z.B. die Literatur, Philosophie, Dichtung dann gibt es da eigentlich nur eine einzige Gemeinsamkeit: Sie ist auf Deutsch geschrieben. Davon abgesehen gibt es keine Gemeinsamkeiten zwischen Ernst Jünger und Hermann Hesse, zwischen Ernst Bloch und Martin Heidegger, zwischen Friedrich Nietzsche und Karl Marx etc. etc.. um mal Konstellationen zu wählen, bei denen in etwa Gleichzeitigkeit gegeben war. Betrachtet man die letzten 500 Jahre, wird die Annahme einer Homogenität völlig abstrus. Wer also die deutsche Kultur lieben will, muss entweder schizophren sein oder sich mit Literatur nur soweit beschäftigen, dass er bei Günther Jauss ein paar Fragen beantworten kann. Den Jungs ist gar nicht aufgefallen, dass Kultur meistens auch eine gewissen Anstrengung erfordert, zumindest suggerieren das die Lehrpläne der Schulen. Irgendwas scheint bei den Jungs an der Penne irgendwas schief gelaufen zu sein, bzw. deren Deutschlehrern ist nicht aufgefallen, dass sie lediglich Wikipedia oder sonst eine Quelle paraphrasiert haben, ohne wirklich zu verstehen, was da eigentlich gesagt wird. Die Gleichsetzung von Kultur und Tradition verrät, dass das in den Lehrplänen genannte Bildungsziel offensichtlich nicht erreicht wurde. Wohl auch bei den meisten Anhängern der AFD nicht. Die Tradition bezieht sich auf die Weitergabe von Wissen, Organisationsformen, Handlungsanweisungen, Bräuchen von einer GENERATION and die folgende GENERATION, ist also KEIN individueller Prozess. Ein Vater kann seinem Sohn seine Kultur vermitteln, zumindest bei vorhandenem didaktischen Geschick, aber er kann ihm keine Tradition vererben, denn das kann nur ein zumindest ausreichend großer Teil der Vorgängergeneration. Es ist naheliegenderweise jeder Familie möglich, den Kids am 6.November den Stiefel mit Schokolade zu füllen und an Ostern Ostereier suchen zu lassen. Macht das aber nur eine Familie, dann hat es aufgehört, eine Tradition zu sein. Kultur ist eine ganz andere Nummer und eine höchst individuelle Angelegenheit, wobei das auch mit der Liebe schwierig ist. Es ist durchaus denkbar, dass jemand der seine Heimat und die Traditionen des deutschen Vaterlandes nicht liebt, absolut nichts vermisst. Ohne Kultur allerdings wird die Welt zu einer ziemlich stummen Angelegenheit, weil die Kultur letztlich der Welt eine Bedeutung gibt.