staunen, nicht ärgern

Ist extrinsische Motivation affirmativ?

Zumindest idealtypisch ist der intrinsisch motivierte innerlich unabhängig, aus welchen Gründen auch immer. Das kann „genetisch“ bedingt sein. Es gibt ja bekanntlich Typen, denen die Meinung ihrer Umwelt schlicht am Arsch vorbeigeht und die weder Macht, Prestige, Vermögen oder sonst irgendwas anstreben. Zu dieser Gruppe gibt es sogar einen prominenten philosophischen Vertreter: Diogenes in seinem Fass. (Die nette Szene, wo selbiger Alexander bittet, ihm aus der Sonne zu gehen, findet sich bei Plutarch.) Ein anderes Beispiel wären Eremiten. Die betrachten alles unter sub specie aeternitatis, da spielt das irdische Gewusel dann keine Rolle mehr und foglich ist ihnen die Wertschätzung der Gesellschaft schlicht egal. Wenn es sich nicht gerade um Philologen und andere Geisteswissenschaftler handelt, vor allem in der Variante verbeamtet, dann ist überwiegend intrinsische Motivierung von Leuten mit Bildung zu erwarten. Bildung zielt von vorneherein darauf ab, die Dinge gegen den Strick zu bürsten, das heißt das Wertesystem der Gesellschaft eben nicht zu übernehmen, sondern ein Gegenwelt hierzu aufzubauen.

Extrinsische Motivation hat also idealtypisch, also wenn man das zu einfacheren Analyse als etwas definiert, das rein auf Tausch basiert, einen affirmativen Charakter. Oder anders und einfacher ausgedrückt. Der rein extrinsisch Motivierte wird den Erwartungen entsprechen und sich anpassen. Bösartig formuliert: Er ist ein Opportunist. In letzter Konsequenz wäre eine Gesellschaft aus rein extrinsisch motivierten Mitgliedern eine Gesellschaft, die sich nie ändern würde. Jede Generation würde die Wertevorstellungen der vorherigen Gesellschaften immer wieder bestätigen. Problematisch wird das dann, wenn die Vorstellungen der Gesellschaft und das, was die Leute spontan empfinden, immer weiter auseinanderklafft. Durchdringt z.B. ökonomisches Denken, das von der Natur der Sache her extrinsisch ist, die gesamte Gesellschaft, dann geraten wir von einer market economy zu einer market society, wie Michel Sandel das so hübsch zusammenfasst. Es wird zwar noch getauscht, aber keiner hat mehr Freude an dem Tausch. Dieser berühmte Sprach fasst das zusammen: I am working jobs, I don’t like, to buy things, I don’t need, to impress people, I don’t like. Wer sich nie so richtig etwas unter entfremdeter Arbeit à la Marx vorstellen konnte, der kann entfremdete Arbeit so definieren: Bei der entfremdeten Arbeit werden nur noch Tauschwerte produziert, aber keine Gebrauchswerte unter anders formuliert: Der Konsum ist nicht mehr das Ziel der Produktion, sondern dessen Anhängsel. Das meint Marx zwar nicht, der erklärt uns seitenlang, dass nichts eine Tauschwert hat, was nicht auch eine Gebrauchswert hat, aber das ist nicht der interessante Punkt. Der interessante Punkt ist, dass immer weniger Gebrauchswert im Tauschwert steckt. Das ist die Kernaussage von Adornos berühmten Essay „Kulturindustrie oder Aufklärung als Massenbetrug“. Die totale Entfremdung sehen wir z.B. bei den Romanisten, also bei der verbeamteten Spezies dieser Sorte. (Der Autor dieser Zeilen hat zwar Romanistik studiert, Spranisch, Französisch, Italienisch, ist aber nicht verbeamtet.) Bei denen ist jetzt Pierre Bourdieu schwer en vogue und Bildung schrumpt bei Pierre Bourdieu zum kulturellem Kapital. Das geht in etwa so. Auf einer Dinner Party trifft sich die feine Gesellschaft und hält small talk über irgendwas Feinsinniges, da Pierre Bourdieu Franzose ist, wahrscheinlich über Degas, Debussy, Zola oder sonst was Feinsinniges. Wer da mithalten kann, macht sich als Zugehöriger der feinen Gesellschaft erkenntlich und der feinsinnige Bankdirektor stellt ihn dann ein, bzw. gibt ihm einen Kredit oder auch immer. Bildung hat dann also nur noch Tauschwert. Das ist natürlich kompletter Blödsinn. Bankdirektoren, die z.B. Sinnreiches zu Emile Zola zu sagen haben, dürften außerst selten sein. Bei der technischen Elite sieht es noch schlechter aus. Das kulturelle Kapital ist schlicht eine Fata Morgana. Der interessante Punkt ist aber nicht, dass die ganze Theorie kompletter Blödsinn ist. Der interessante Punkt ist, dass es die Jungs und Mädels überhaupt nicht stört, wenn die Bildung zum Tauschwert schrumpfen würde. Wir hätten also eine vollkommen durchökonomisierte Welt. Die Inhalte der Bildung könnten völlig beliebig sein, vorausgesetzt, sie haben einen Tauschwert. (Was im übrigen bei den verbeamteten Geistlichen zutrifft. Die haben den Unterschied zwischen Bedeutung und Bedeutsamkeit nicht verstanden, siehe z.B. https://theatrum-mundi.de/sind-philologen-gebildet-und-darf-man-das-auf-schueler-loslassen/. Also die verbeamteten Geistlichen sind ganz überwiegend schon ziemliche Trottel. Da kann man sich schon mal überlegen, ob es Sinn macht, so was auf Schüler loszulassen.

4) Führt extrinsische Motivation letztlich zur instrumentellen Vernunft?

Wer Wirtschaftswissenschaften studiert, das hat der Autor dieser Zeilen auch mal gemacht, bis zum Diplom, also wirklich, wenn man jung ist und wissen will, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, der macht wirklich eine Menge Unsinn, der kennt die lange Debatten über die Wertefreiheit und die heilige Wissenschaft muss natürlich vollkommen wertfrei sein. Die Ökonomie soll nur zeigen, wie man ein bestimmtes Ziel erreicht, aber nicht, welche Ziel erreicht werden soll. Außer der Wertefreiheit gilt dann noch das Postulat der Rationalität, wobei darunter wiederum schlicht Gewinnmaximierung verstanden wird, wodurch sich dann die Katze in den Schwanz beißt, denn ohne Werte bleibt ziemlich unklar, der Trick mit dem homo oeconomicus wird, siehe oben, wird weitgehend nicht verstanden, welche Mittel der Gewinnmaximierung denn überhaupt noch legitim sind. (Die fundamentale Grundidee von Adam Smith, geht in dem ganze mathematischen Tohuwabohu moderner mikroökonomischer Lehrbücher unter.) Im übrigen sieht der Autor dieser Zeilen das natürlich genau umgekehrt: Ein rationales Ziel mit irrationalen Mitteln zu verfolgen ist wesentlich rationaler, als ein irrationales Ziel mit rationalen Mitteln zu verfolgen. Zuerst überlegt man sich, wo man hin will und erst anschließend, wie man hin kommt. Es mag schon sein, dass der Überfall auf die Sowjetunion 1941 höchst rational geplant war, die Panzer, Flugzeuge, Haubitzen Wunderwerke der Technik waren. Das Ziel allerdings war totaler Schwachsinn, mit dem Ergebnis, dass wir eine gigantische Fehlallokation von Resourcen hatten. Hätte man mit den Resourcen Mähdrescher, Traktoren, Eisenbahnen gebaut, hätte man den Lebensraum im Osten gar nicht erobern müssen. Das Getreide wäre im Überfluss nach Deutschland gekommen. Der Begriff „instrumentelle Vernunft“ ein Begriff der Frankfurter Schule, klingt also erstmal ziemlich abstrakt, ist aber in den Wirtschaftswissenschaften Programm. Mehr zur instrumentellen Vernunft siehe https://theatrum-mundi.de/meint-goethe-die-instrumentelle-vernunft/. Wer will, kann sich die Bedeutung der instrumentellen Vernunft auch an Karl Marx klar machen. Bzgl. der Aussagen über Wirtschaft ist das sind die drei blauen Bände zwar kompletter Schwachsinn, im wesentlichen verwechselt Carlos Murx Geld mit Kapital, das eine ist durch die ZUKUNFT gedeckt, das andere durch die Vergangenheit (was allerdings sachlogisch nicht funktionieren kann), aber bei Carlos Murx ist tatsächlich die Akkumulation von Kapital nicht ein Mittel, sondern das finale Endziel. Adorno argumentier da fundamtentaler, sieht die instrumentelle Vernunft eher als ein grundsätzliche Situation der condition humana. Man kann sich aber durchaus vorstellen, dass die extrinsische Motivation das „ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse“ die Individuen immer enger umfasst und der Freiheitsgrad immer weiter eingeschränkt wird. Die extrinsische Motivation hat die Tendenz, das bestehende Wertesystem zu bestätigen, weil diejenigen, die diesem Wertesystem am ehesten entsprechen belohnt und die, die dies nicht tun, sanktioniert werden. Wer sich das klar machen will, denke an autoritäre bzw. totalitäre Staaten. Ein solche System wir die Menschen langfristig verändern, weil es einfacher ist, an etwas zu glauben, an das man ohnehin glauben muss, als sich innerlich aufzulehnen. Der Begriff Vernunft, der eigentlich absolut gemeint ist, schrumpft zu einer instrumentellen Vernunft, das heißt, dass nur noch das Verhalten vernünftig ist, dass innerhalb vorgegebener Rahmenbedingungen sinnvoll ist. Einfacher formuliert: Die Gesellschaft befindet sich in einem Gefängnis, dass sie sich selber gebaut hat. Was jenseits des Gefängnisses liegt, ist nicht mehr sichtbar. Das ist das, was Adorno meint, mit dem Satz „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ oder Herbert Marcuse in seinem Werk „Der eindimensionale Mensch“ beschreibt. Bei Herbert Marcuse kann das Gefängnis nur dadurch zerstört werden, dass es immer mehr Leute gibt, die der marktwirtschaftlichen Ordnung, in diesem Kontext, also wenn man von der „linken“ Seite kommt, spricht man wohl besser von Kapitalismus, bei der der Konsum lediglich ein notwendiges Anhängsel der Produktion ist, aber nicht mehr das Ziel, nicht mehr entsprechen können, weil sie schlicht nicht mehr die finanziellen Mittel dazu haben. Das „I am working jobs, I don’t like, to buy things, I don’t need, to impress people, I don’t like“ funktioniert nicht mehr. Die werden eher nach Jobs suchen, bei denen sie mit möglichst geringen Aufwand über die Runden kommen, nur Dinge kaufen, die sie wirklich brauchen und sich nur mit Leuten treffen, die sie wirklich mögen. Damit gewinnen sie eine Menge Zeit „und fahren nicht mehr mit dem schnelleren Auto dahin, wo sie ohnehin schon sind“, wie es bei Adorno heißt. Gemeint ist damit, dass in der verwalteten Welt man a) in der Fremde das trifft, was man kennt, Ressorts sehen z.B. überall gleich ist, und b) selbst wenn es etwas neue zu entdecken gäbe, subjektiv die Voraussetzungen fehlen, um diese Unterschiede wahrzunehmen. Das Neue ist also immer das Alte.

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